Schweitzer Fachinformationen
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Der Anfang war gemacht. Als Nächstes musste er seinen Sohn Frank in Düsseldorf und anschließend die Nachbarn informieren. Egal, wie die Geschichte mit seiner Frau ausging, es war enorm wichtig, dass er als Unternehmer und Bürgermeisterkandidat nicht ins Gerede kam. Es durfte ihm kein Fehler passieren, denn so nah war er seinem Ziel noch nie gewesen. In der nächsten Woche stand ein Termin für ein Interview mit einem wichtigen Redakteur der Borkumer Zeitung an. Schon einige Male hatte er vor dem Badezimmerspiegel geübt und war sich nun sicher, sein Anliegen überzeugend vortragen zu können.
Nachdenklich begab er sich zur Bar, schenkte sich einen Whiskey Soda mit viel Eis ein und setzte sich damit vor den kalten Kamin.
Er wählte die Nummer seines Sohnes und war erleichtert, dass Frank sofort dranging.
»Frank, gut, dass ich dich erreiche, Mama ist verschwunden«, sprach er atemlos ins Mobiltelefon, »kannst du kommen?«
Sein Sohn, der als Bauunternehmer in Steffens Düsseldorfer Firma tätig war, versuchte, ihn zu beruhigen. Er solle sich nicht aufregen, sondern in Ruhe einen Whiskey trinken und abwarten. Falls seine Mutter am nächsten Tag immer noch nicht zurück wäre, solle er sich melden.
»Du hast Nerven«, sagte Steffen. »Sie ist deine Mutter! Und den Whiskey trinke ich bereits. Nützt aber nichts.«
»Lass sie bitte in Ruhe. Mama möchte hin und wieder ihr eigenes Leben führen, denke ich. Dazu hat sie jedes Recht. Du engst sie viel zu sehr ein.«
»Hat sie das gesagt?« Steffen wunderte sich. Frank hatte sich von der Familie distanziert. Fremd waren sie sich geworden in den letzten Jahren. Zu unregelmäßig standen sie miteinander in Kontakt, zu verschieden waren mittlerweile ihre Lebensstile.
»Lass ihr ihren Freiraum, Papa, dann kommt sie bestimmt bald zurück zu dir. Ich muss jetzt weitermachen. Ich hab gleich einen Termin mit einem Kunden. Wir müssen ein Projekt durchgehen. Ich melde mich morgen bei dir. In der Zwischenzeit versuche ich es mal auf Mamas Handy, falls dir das weiterhilft.«
»Ich bin nicht blöd, Frank, da habe ich natürlich schon mehrmals angerufen. Das Handy ist ausgeschaltet.«
»Ich werde es trotzdem versuchen. Mach's gut, Papa, bis morgen!« Frank legte auf und ließ seinen Vater ratlos zurück, allerdings nur für wenige Sekunden. Dann hatte Steffen sich wieder im Griff und war bereit, den nächsten Schritt zu gehen.
Auswendig tippte er eine Telefonnummer in sein Handy.
»Nicola Köhler«, sagte die Frau am anderen Ende der Leitung.
Er schmolz dahin. Er liebte diese Frau abgöttisch, bekam sofort ein Kribbeln am ganzen Körper. Vor allem meldete sich ein gewisses Körperteil, das bei Sabine oft versagte. Anfangs hatte er es als sehr belastend empfunden, er hatte sogar deswegen Hilfe bei einem Arzt gesucht. Später war es ihnen jedoch nicht mehr so wichtig gewesen. Aber seltsamerweise hatte es bei Nicola von Anfang an wunderbar funktioniert. Und auch jetzt wäre er wieder bereit für sie, so was von bereit!
»Engelchen«, sagte er und brach in Tränen aus.
Sie war erschüttert, wollte wissen, was los war. Er konnte nicht reden, er schaffte es nicht. So sehr hatte er sich inzwischen mit der Rolle des verlassenen Ehemannes identifiziert.
»Sie kommt sicher bald zurück«, versuchte Nicola ihn zu trösten.
»Nein«, brachte er mit tränenerstickter Stimme hervor. »Ich habe das im Gefühl, wirklich, Nicola, sonst würde ich dir das nicht sagen. Ihr ist etwas passiert. Sie wollte mich verlassen, das weiß ich schon länger, aber nun ist etwas geschehen, das nicht hätte geschehen dürfen! So haben wir es nicht gewollt, so nicht, nicht wahr?« Er schluchzte ins Telefon.
»Wie meinst du das?«, wollte sie wissen.
»Kannst du vorbeikommen?« Er schniefte laut.
»Das geht nicht, mein Mann ist zu Hause .«
»Lass dir etwas einfallen, Engelchen. Ich gehe mal eben zu den Nachbarn rüber. Sieh zu, dass du bald hier bist. Ich warte auf dich!«
»Was willst du denn bei den Nachbarn?«
»Ich liebe dich«, sagte er. »Sei bitte in zwei Stunden bei mir. Spätestens, ja?« Dann legte er auf. Er musste sich beeilen, die Nachbarin aufzusuchen, solange er in dieser Verfassung war. Das war wichtig. Später wäre er vielleicht nicht mehr imstande zu weinen.
Steffen Hinrichs bemühte sich um einen besorgten Gesichtsausdruck, bevor er die Klingel betätigte. Drinnen bellte Uwe, der Familienhund, der ihn nervte, weil die Nachbarin ihn manchmal in den Garten ließ und ihn lange Zeit nicht mehr hereinholte. Susanne Scholz, genannt Susan, öffnete und blieb erschrocken auf der Schwelle stehen, als sie seine Augen sah.
»Susan«, sagte er mit erstickter Stimme, »es ist etwas Schreckliches passiert, etwas ganz Furchtbares. Sabine ist verschwunden!« Seit dem nachbarschaftlichen Angrillen vor zwei Wochen duzten sie sich. Susan und Jan-Peter waren einige Jahre jünger als Steffen und Sabine und hatten keine Kinder. In finanzieller Hinsicht führten sie ein sorgloses Leben, weil Jan-Peter Geschäftsführer einer gut gehenden Reederei in Emden war.
Die Nachbarin runzelte die Stirn. Sie hielt den jungen Berner Sennenhund am Halsband fest, damit er nicht ausbüxen konnte. Sein Bellen ging allmählich in ein Keuchen über. »Was heißt das?«, wollte sie wissen.
»Sie ist wie vom Erdboden verschluckt. Ich kann sie nicht erreichen.«
»Es verschwindet keiner einfach so auf der Insel. Hast du es auf ihrem Handy versucht?«
»Natürlich.« Er begann zu weinen. Ihr Gesichtsausdruck zeigte überdeutlich, wie erschüttert sie war. Alles lief nach Plan.
»Und?«
Er machte eine hilflose Geste. »Kein Empfang. Nichts.« Er warf sich in ihre Arme. Ihr schien das unangenehm zu sein, sie hielt ihn ein wenig auf Distanz. Der Hund bellte und ließ sich nicht beruhigen.
»Komm rein«, rief sie, um das Gebell zu übertönen. Darauf hatte er gewartet.
Wenig später saßen sie nebeneinander auf der Couch im Wohnzimmer. Vor ihm stand ein Glas Sprudelwasser. Immer wieder seufzte er, gab vor, kaum sprechen zu können. »Ich war bei der Polizei«, stieß er schließlich hervor.
»Bei der Polizei? Wie lange ist Sabine denn schon weg?«
»Seit ein paar Stunden.«
»Ist das nicht ein bisschen früh?«, fragte seine Nachbarin zaghaft und murmelte eine Entschuldigung, als sie sein betroffenes Gesicht sah. Sie tätschelte den großen Kopf ihres Hundes und schien erleichtert zu sein, dass er sich entspannt hinlegte.
»Susan, ich mache mir wirklich Sorgen um meine Frau. Ich habe sie oft gewarnt, dass es gefährlich ist, allein in den Wald zu gehen, um zu joggen, noch dazu so früh am Morgen, wenn kaum jemand unterwegs ist. Aber sie wollte nicht auf mich hören.«
»Woher weißt du, dass sie im Wald war?«
Er antwortete nicht gleich. »Susan, sie hatte seit Längerem das Gefühl, verfolgt zu werden«, sagte er schließlich. »Da war ein Mann vor unserem Haus und der .«
»Den habe ich auch gesehen. Du meinst den Mann mit der Lederjacke, oder?«
Er nickte.
»Der wartete dort nur. Einmal hab ich beobachtet, wie der Sohn des Nachbarn von gegenüber aus der Haustür kam und die beiden zusammen weggegangen sind.«
»Bist du sicher?«
»Absolut. Darüber brauchst du dir keine Gedanken zu machen.«
Es entstand eine kurze Gesprächspause, in der Steffen zum Wasserglas griff.
»Hast du der Polizei von dem Mann erzählt?«
»Nein, extra nicht. Ich habe mir schon gedacht, dass das nicht wichtig ist. Nur Sabine . du kennst sie ja, sie wird immer gleich panisch.«
»Du doch gerade auch. Sie ist erst seit ein paar Stunden weg, Steffen. Da hätte ich noch abgewartet.«
Er holte tief Luft. »Der Unterschied ist, wenn ich mir Sorgen mache, dann sind sie berechtigt. Ich habe keine Phobien wie meine Frau.« Er bemerkte Susans verständnislosen Blick und schickte hinterher: »Ich möchte sie suchen und fände es schön, wenn du mitkämst. Vielleicht kannst du Uwe mitnehmen, er könnte Sabine erschnuppern, falls sie .«
Susan verzog das Gesicht. »Du glaubst nicht im Ernst, dass ihr etwas zugestoßen ist? Sabine ist fit, sie läuft regelmäßig und fährt Fahrrad.«
»Vielleicht hat ihr jemand was angetan.«
»Steffen . ich bitte dich! Wir sind hier auf Borkum und nicht in Frankfurt oder Berlin. Was soll bei uns schon passieren?«
Steffen Hinrichs legte seinen Kopf auf ihre Schulter. Weinend flehte er sie an: »Hilf mir, bitte! Lass uns zusammen mit Uwe in der Greunen Stee nach ihr suchen. Ich habe so ein ungutes Gefühl. Die Polizei unternimmt nichts. Der Beamte hat mich nicht einmal ernst genommen.«
»Ich wollte eigentlich gleich einen Kuchen backen«, sagte sie zaghaft. »Jan-Peters Mutter hat morgen Geburtstag. Und deine Frau wird sicher gleich wiederkommen. Jetzt guck nicht so. Ihr wird schon nichts zugestoßen sein.«
»Ich habe eine Idee«, sagte er. »Ich hole ein Kleidungsstück von Sabine und lasse Uwe daran schnuppern. Danach gehen wir in den Wald und suchen sie.«
»Uwe ist kein Spürhund«, sagte Susan seufzend. »Dazu ist er viel zu träge und faul. Das wird nicht funktionieren.«
»Eine Stunde«, drängte er, »wenn wir sie dann nicht gefunden haben, gebe ich auf und überlasse es der Polizei, sie zu suchen. Ich gehe jetzt rüber und hole einen Pulli von meiner Frau. Du machst doch mit?«
Die Nachbarin schien sich in die Enge getrieben zu fühlen und nickte...
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