Schweitzer Fachinformationen
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Verdammte Scheinwerfer, das war kein Abblendlicht. Irgendein Irrer fuhr mit Fernlicht dicht auf. Warum überholte er nicht? Es war Platz genug, kein anderes Fahrzeug weit und breit. »Was willst du denn, du Nusskuchen? Soll ich den Kofferraum aufmachen, damit du noch näher auffahren kannst?« Georg Cannstetter wischte sich die Handflächen an der Jeans ab. Er spürte einen Druck auf der Brust, der ihm das Atmen schwer machte. Auf der Stirn und unter den Achseln bildete sich Schweiß, obwohl die Klimaanlage auf Hochtouren lief. Er hielt sich so weit wie möglich rechts, aber der Hintermann verstand nicht oder wollte nicht verstehen.
Georg überlegte fieberhaft, was er tun sollte: das Tempo halten, beschleunigen oder abbremsen? Wer auffuhr, war schuld, so hieß es doch. Sollte er es darauf ankommen lassen?
Er schüttelte den Kopf. Es war viel zu gefährlich. Die Allee war unbeleuchtet, teils kurvig und eng. Wegen der vielen Bäume am Straßenrand existierte keine Ausweichmöglichkeit. Konzentriert hielt er die Spur. Adrenalin schoss ihm durch die Adern, bis der Fahrer hinter ihm endlich abblendete und das Tempo drosselte.
Georg fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. Er war müde nach der langen Konferenz an diesem Donnerstag. Von den hochsommerlichen Temperaturen hatte er kaum etwas gehabt. Morgen hatte er zum Glück frei. Lieber wäre er jetzt nach Hause gefahren, hätte den Rest des Abends vor dem Fernseher verbracht und wäre früh schlafen gegangen. Aber Bianca wartete auf ihn; sie sahen sich ohnehin selten genug. Das erste Wochenende eines Monats gehörte ihnen - daran hielten sie seit Jahren nach Möglichkeit fest.
Ein Blick auf das Navigationsgerät sagte ihm, dass er es bald geschafft hatte. Diese Strecke war er noch nie gefahren. Das Navi hatte ihn über die Landstraße geführt - warum auch immer. Vielleicht hatte sich auf der Bundesstraße ein Unfall ereignet. Es kam schon mal vor, dass ein Sattelschlepper quer lag.
Georg drehte das Radio lauter, um sich abzulenken. Ein Lied aus seiner Jugendzeit, das er mitsummte. Er freute sich auf Bianca, auf das seltene Zusammensein mit ihr, hoffte aber auch, dass sie ihm keine Szene machte. Manchmal überkam es sie. Da wollte sie unbedingt Tacheles reden, wie sie es formulierte. Dann forderte sie, er solle sich endlich von seiner Frau trennen und sich zu ihr bekennen. Das Versteckspiel stresste sie. Das verstand er, aber es gelang ihm besser als Bianca, Schwierigkeiten auszublenden. Er wollte die Stunden mit ihr genießen und keine Probleme wälzen. Er hatte keine Lust zu reden. Ein bisschen Zweisamkeit, ein paar Häppchen und ein, zwei Gläser Wein in Biancas gemütlichem Wohnzimmer, kuscheln auf dem Sofa und dann Sex in ihrem breiten, weichen Bett, das wäre jetzt genau das Richtige. Keine zermürbenden Diskussionen, darauf würde er sich nicht einlassen. Nicht heute. Nicht nach diesem Tag.
Er stellte sich vor, was sie gerade machte. Vielleicht kochte sie für ihn - in ihrer weißen Landhausküche mit den Sprossenfenstern und der winzigen Häkelgardine davor. Er fand den Fetzen lächerlich, aber er passte zu ihr.
Bianca wohnte mit ihrem kleinen Sohn in der unteren Etage eines Backsteinhauses. Sie hatte eine Vorliebe für den schwedischen Landhausstil und bevorzugte helle Farben. Die obere Etage wurde von der Eigentümerin zeitweise als Ferienwohnung vermietet. Im Sommer war da Highlife - die Gäste gaben sich fast jeden Samstag die Klinke in die Hand -, aber ab November wurde es ruhig. Nur über Weihnachten und Silvester ging vorübergehend der Trubel noch einmal los. Danach hatten sie wochenlang das Haus für sich allein, bis Ostern wieder die ersten Feriengäste eintrafen.
Seine Frau hatte ihn seltsam angesehen, als er seine Reisetasche gepackt und sich von ihr verabschiedet hatte. Ob er unbedingt nach Greetsiel müsse, ausgerechnet jetzt, wo ihre und seine Eltern sich zum Besuch angekündigt hatten, um ihren Geburtstag nachzufeiern. »Du weißt doch warum«, hatte er gesagt; das Boot, die Verabredung mit dem Skipper und dem Mechaniker, die hohe Liegegebühr am Hafen, die sich bezahlt machen muss, die Reparaturen - ein Boot macht nun einmal viel Arbeit. Sie hatte genickt und ihn dann einfach stehen lassen. Vielleicht hatte sie gehofft, dass er die Reise absagen würde. Situationen wie diese mochte er gar nicht. An manchen Tagen fand er sie so belastend, dass er Martha am liebsten in den Arm nehmen, alles zugeben, ihr seinen Fehltritt gestehen und sie um Verzeihung bitten würde. Oft genug beschloss er, seine Beziehung zu Bianca seiner Frau zuliebe aufzugeben. Aber wenn er Bianca dann in der Tür stehen sah mit ihren langen Haaren und dem hübschen Lächeln, das ihn vom ersten Augenblick an verzaubert hatte, konnte er nicht widerstehen und er musste sie einfach in seine Arme ziehen.
Ob seine Frau etwas ahnte? Ihm wurde flau bei diesem Gedanken. Manchmal war er sich sicher. Er wählte Marthas Nummer und drehte den Ton des Radios ab.
»Mausi? Alles klar bei euch? Schläft Samuel schon?« Er schnaufte und hatte seine Stimme nicht ganz im Griff. Sie klang metallisch, etwas heiser.
»Ja klar«, kam die prompte Antwort.
Er wartete ab, ob sie noch etwas sagen würde, aber das tat sie nicht. Kein Zweifel, sie war eingeschnappt.
»Dann ist es ja gut«, sagte er mit brüchiger Stimme. »So, ich bin gleich da! Greetsiel ist direkt um die Ecke. Noch ein paar Minuten, dann habe ich es geschafft. Ich hasse es, in der Dunkelheit zu fahren. Alles duster, einzelne Höfe, kein Licht weit und breit und enge Alleen. Die andere Strecke fährt sich besser.«
»Warum nimmst du sie dann nicht?«
»Das Navi hat mich hierher geschickt, warum auch immer. Tiefstes Ostfriesland - du hast das Gefühl, am Arsch der Welt zu sein!«
»Wozu brauchst du überhaupt noch ein Navi? Müsstest die Strecke doch längst in- und auswendig kennen!«
Sie hatte recht. Eigentlich brauchte er kein technisches Hilfsmittel. Er nutzte das Navi, um über Staus und Verzögerungen auf dem Laufenden zu bleiben. Außerdem wollte er die Route vor Augen haben und vor allem die Ankunftszeit. Jeder Kilometer, jede Kurve, die er gemeistert hatte, brachte ihn seiner Geliebten etwas näher. Er räusperte sich. »Das stimmt schon, Mausi, aber du weißt doch, dass ich gern die Strecke auf der Karte mitverfolge. Ich werde auf dem Segelboot übernachten. Wenn was ist, melde dich! Sonst rufe ich morgen wieder an, okay? Schlaft gut, ihr zwei!«
»Du auch.«
Er spürte die Kälte zwischen ihnen und bekam sofort ein schlechtes Gewissen. Er ließ drei Sekunden verstreichen, dann erklärte er: »Da ist so ein Scheißtyp hinter mir, der blendet mich. Ich sehe nichts mehr. Keine Ahnung, was der von mir will.«
Er wusste nicht, warum er das gesagt hatte, zumal der Verfolger nun in gebührendem Abstand hinter ihm fuhr. Vielleicht wollte er, dass sie sich Sorgen um ihn machte, so wie früher.
Aber sie reagierte nicht.
Nach ein paar dahingemurmelten Abschiedsworten legte Georg auf. Er spürte, wie sich seine Stimmung rapide verschlechterte. Er hatte Bianca seit Wochen nicht gesehen; sie hatte einen gutgelaunten Liebhaber verdient. Kurz entschlossen rief er sie an. Er musste wissen, ob sie sich auf ihn freute, ob eine Belohnung auf ihn wartete. Die brauchte er ganz dringend. Sie hatte ihm auf seinem Handy eine Nachricht hinterlassen, die ihn ein wenig nervös machte, sie sprach von einer Überraschung, die auf ihn warte. Mehr hatte sie nicht gesagt. Natürlich war er neugierig, hoffte auf etwas Gutes, etwas, das ihn aufheiterte, denn er hatte heute wieder so eine E-Mail bekommen. Die zweite innerhalb von zwei Wochen. Der Ausdruck lag neben ihm auf dem Beifahrersitz. Er wollte ihn Bianca zeigen, sie wusste immer einen Rat. Sie war gefühlsbetont, bewahrte aber dennoch einen kühlen Kopf. Es war ihm wichtig, ihre Meinung zu hören. Fast immer gelang es ihr, unangenehme Situationen zu entschärfen und ihn zu beruhigen.
Bianca war sofort dran.
»Mausi«, schnaufte er aufgeregt ins Mobiltelefon, »geht's dir gut? Ich bin gleich bei dir. Es ist doch nichts passiert? Welche Überraschung meinst du, Schatz?« Anfangs war er sich blöd vorgekommen, beide Frauen mit demselben Kosenamen anzureden, aber so war es sicherer. Er hatte Bianca nie bei ihrem Vornamen genannt, denn er fürchtete zu sehr, sich einmal zu verraten, und sei es nur im Schlaf.
»Was soll sein? Es geht mir gut. Ich wollte nur, dass du dich schon einmal seelisch darauf vorbereitest, dass etwas Besonderes auf dich wartet.«
»Etwas Schönes?«
»Natürlich. Etwas sehr Schönes.«
Er hörte das Lächeln in ihrer rauchigen Stimme und seufzte. »Hab Lust auf dich, Süße. Schläft der Kleine?«
»Ja, schon seit einer Stunde. Tief und fest.«
»Was für ein Glück! Hoffentlich wacht er nicht auf. Wir müssen leise sein. Geht es ihm besser?«
»Es war nur ein leichter Infekt. Ihm geht's wieder gut. Moritz beißt sich durch, das hat er von seinem Vater.«
Georg lachte kurz auf. »Was machst du gerade?«
»Ich sehe einen Krimi.«
»Ist er gut?«
»Weiß nicht so genau, ich koche nebenbei, da bekomme ich nicht alles mit.«
Er räusperte sich. »Was hast du an?«
»Was hättest du denn gerne?«
»Na, die neuen Teile, von denen du mir erzählt hast, bin schon ganz neugierig.«
»Die neuen Dessous«, sagte sie und kicherte leise. »Typisch, was ich darüber anhabe, ist dir egal.«
»Egal nicht«, widersprach er. »Hauptsache, es lässt sich schnell ausziehen. Oh verdammt!«
»Was ist...
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