Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
An diesem Morgen hätte ich lieber nicht in den Spiegel geschaut. Unter den Augen lagen dunkle Schatten, meine Haare waren hoffnungslos verfilzt. Beim Frühstück weigerte sich Iida, ihren Brei zu essen, und Taneli beschwerte sich, seine Portion sei zu heiß. Er hatte ja Recht: Ich hatte verschlafen und deshalb keine Zeit gehabt, den Brei abkühlen zu lassen.
Ich packte Schlechtwetterkleidung in die Kindergartentaschen, denn es war wieder einmal Schneeregen angesagt. Iida wollte statt Gummistiefeln unbedingt ihre Winterschuhe anziehen, und um zur morgendlichen Lagebesprechung nicht zu spät zu kommen, gab ich schließlich nach. Noch zwei Tage bis zu Anttis Rückkehr! Die Kinder kreischten im Treppenhaus, ich hatte bisher vergeblich versucht, ihnen beizubringen, wie man sich in einem Hochhaus zu benehmen hat. In Gedanken verfluchte ich den Unbekannten, der gerade im Aufzug geraucht hatte. Obwohl die Standheizung schon seit zwei Stunden lief, war das Rückfenster vereist.
Zuerst brachte ich Iida in die Vorschulgruppe, dann lieferte ich Taneli in der Gruppe der unter Dreijährigen ab. Seine Hausschuhe waren unauffindbar, obwohl ich genau wusste, dass ich sie gestern Nachmittag in sein Fach gelegt hatte. Schließlich entdeckte ich sie neben den Schluppen eines anderen Kindes.
Im Auto schob ich eine Kassette der Gruppe Rehtorit ein und drehte voll auf. «Polizisten sind Helden», behauptete die Band, doch ich fühlte mich absolut nicht heldenhaft. Wieso hatten mich die zwei Wochen, in denen ich mit den Kindern allein war, an den Rand der Erschöpfung gebracht? Und das, obwohl es am Arbeitsplatz ruhig zugegangen war, es lagen fast nur simple Routinefälle an. In der vorigen Woche, als Iida erkältet gewesen war, hatte ich sogar unbesorgt zu Hause bleiben und sie pflegen können.
Es waren die durchwachten Nächte, die mich zittrig machten. Denn wenn Antti nicht zu Hause war, fand ich einfach nicht ins Bett. Ich sah mir ein melodramatisches Video nach dem anderen an, hörte über Kopfhörer Musik und trank zu viel Whisky. Wenn ich allein war, rasten meine Gedanken wild durcheinander, sodass mir nichts anderes übrig blieb, als in Phantasiewelten und schräge Harmonien zu entfliehen.
Ich parkte auf meinem persönlichen Stellplatz in der Tiefgarage des Präsidiums, neben Jyrki Taskinens Saab, der selbst bei diesem Schmuddelwetter vor Sauberkeit glänzte. Mir blieb gerade noch Zeit, den Mantel in mein Dienstzimmer zu bringen und mir einen Kaffee zu holen, bevor ich in den Besprechungsraum ging, wo meine Mitarbeiter bereits auf mich warteten.
Ursula alberte mit Puupponen herum, Puustjärvi döste. Die anderen waren wach, aber schweigsam. Koivu fehlte. Ich trank einen Schluck Kaffee, dann fing ich an.
«Guten Morgen allerseits. Wo steckt Koivu?»
«Er hat einen Kunden und kommt, sobald er frei ist», wusste Autio zu berichten.
Sämtliche Fälle waren in Bearbeitung, es gab keine Unklarheiten. Wir hatten es nur mit unkomplizierten Voruntersuchungen zu tun, die wir bald an die Staatsanwaltschaft weiterleiten konnten. Vergewaltigungen, Körperverletzungen, eine Messerstecherei, häusliche Gewalt. Das war unsere Welt.
Am Wochenende hatte die Saison der vorweihnachtlichen Betriebsfeste begonnen, worauf die Zahl der Schlägereien und versuchten Vergewaltigungen sofort in die Höhe geschnellt war. Von nun an würde es nur schlimmer werden, bis die Welle an den Weihnachtstagen ihren Höhepunkt erreichte.
Die Weihnachtsfeier der gesamten Kripo würde am Freitag in einer Woche stattfinden, und ich freute mich schon darauf, mit Taskinen zu tanzen.
Koivu kam herein, setzte sich und polierte seine Brille. Auch er wirkte nicht gerade taufrisch. Sein drei Monate altes Baby hielt ihn immer noch nachts wach. Ein paarmal hatte ich ihn mitten am Tag schlafend im Ruheraum gefunden.
«War dein Kunde so wichtig?», fragte ich, denn es war üblich, dass alle an der Morgenbesprechung teilnahmen.
«Furchtbar aufgeregt war er jedenfalls. Atro Jääskeläinen heißt er, und er macht sich Sorgen um seine Frau, eine gewisse Annukka Hackman, die seit Montagabend verschwunden ist.»
«Soll er doch froh sein», brummte Lähde, der, wenn man seinen Geschichten Glauben schenken wollte, mit der nörglerischsten und tyrannischsten Frau der Welt verheiratet war.
«Ist er aber nicht. Er kann sie nicht erreichen, ihr Handy ist ausgeschaltet, Freunde und Verwandte wissen von nichts. Herr Jääskeläinen möchte, dass wir es mit einer GPS-Ortung versuchen.»
Der Name Annukka Hackman kam mir irgendwie bekannt vor, aber ich konnte mich nicht erinnern, woher.
«Ist die Dame eine von der treuen Sorte?», wollte Ursula wissen.
«Das habe ich ihn auch gefragt, aber daraufhin regte er sich nur noch mehr auf. Jedenfalls ist es für beide nicht die erste Ehe.»
«Die kommt zurück, wenn ihr Liebhaber sein Pulver verschossen hat, wartet's nur ab», schnaubte Lähde, und wir wandten uns dem nächsten Fall zu.
Gegen Mittag, als ich Unmengen von Überstundenformularen ausgefüllt hatte und gerade in die Kantine gehen wollte, blinkte eine Intranet-Meldung über einen neuen Fall auf dem Bildschirm auf. Ich hatte kaum hingeblickt und das Wort «Leiche» gelesen, als Puustjärvi auch schon mit rotem Gesicht in mein Büro getrampelt kam.
«Am Humaljärvi haben Elchjäger aus Versehen eine Frau erschossen.»
«Wohl zu viel Zielwasser getrunken? Humaljärvi - ist das nicht dieser kleine See in Kirkkonummi?»
«Genau.»
«Dann fahr mit Koivu hin, du kennst dich in der Gegend am besten aus.»
«In Ordnung», sagte Puustjärvi gehorsam, es fehlte nicht viel und er hätte salutiert. «Dieser Fall geht natürlich vor?»
Ich nickte, während ich in Gedanken bereits die anliegenden Fälle mit neuen Prioritäten versah. Die leichten Körperverletzungen würden warten müssen.
Puustjärvi ging und ließ die Tür hinter sich offen. Ich sah zum Fenster hinaus. Der Schneeregen hatte aufgehört, aber der Himmel war dunkelgrau, und der Nordwind ließ die Fahnen flattern, die anlässlich des Tages der Finnlandschweden aufgezogen waren. Plötzlich schien es mir verlockend, den eisigen Wind im Gesicht zu spüren. Kurz entschlossen stand ich auf, nahm den Mantel aus dem Schrank und schlüpfte in die Winterstiefel.
Auf dem Korridor war Puustjärvi gerade dabei, Koivu über den Leichenfund zu informieren. Ursula und Puupponen hatten sich dazugesellt. Die Frau war offenbar beim Schwimmen von einer Kugel getroffen worden.
«Weiß man schon, um wen es sich handelt?»
«Keinerlei Papiere. Sie war blond, so viel steht fest, aber von ihrem Gesicht ist nicht viel übrig geblieben. Die Jäger sollen übrigens völlig nüchtern sein.»
«Na schön, dann wollen wir mal», sagte ich zu Koivu und Puustjärvi.
«Kommst du auch mit?», fragte Koivu verwundert. Seit der Rückkehr aus dem Erziehungsurlaub hatte ich mich strikt auf Schreibtischarbeit beschränkt. «Juckt es dich, den verantwortungslosen Jägern die Leviten zu lesen?»
«Nee, ich hab bloß keine Lust, ständig am Schreibtisch zu sitzen», knurrte ich. In den letzten zehn Tagen hatte ich keine Zeit zum Joggen gehabt, ich sehnte mich nach frischer Luft.
«Kallio, das Fitnesswunder, immer bereit, sich ins Gebüsch zu schlagen», grinste Koivu.
«Du kannst mich mal», entgegnete ich gut gelaunt; ich freute mich darauf, nach langer Zeit wieder einmal mit ihm draußen zu arbeiten. Ursula sah uns verwundert an. Zwei Wochen nach ihrem Dienstantritt hatte sie Puupponen gefragt, ob ich ein Verhältnis mit Koivu hätte. Puupponen wäre vor Lachen fast vom Stuhl gefallen. Er wusste, dass Koivu für mich eine Art Mischung aus gutem Kumpel und kleinem Bruder war.
«Wie haben die es nur fertig gebracht, eine Frau mit einem Elch zu verwechseln?», fragte Puustjärvi, als wir von der Schnellstraße auf den Westring fuhren. Wir hatten ihm das Steuer überlassen, da wir es nicht eilig hatten. Puustjärvi hielt sich nämlich gewissenhaft an die Geschwindigkeitsbeschränkungen.
«Sie hatten einen Elch in den See getrieben und auf ihn angelegt. Irgendwer hat dann stattdessen die Frau getroffen», erklärte Koivu gähnend.
«Eine Frau und ein Elch im selben See? Schwer zu glauben. War die Frau unter dem Wind?»
«Bin ich etwa Meteorologe?», brummte Koivu verdrossen. «Sowieso verrückt, im November schwimmen zu gehen.»
«Der Humaljärvi hat nicht mal einen vernünftigen Strand, nur Gebüsch rundherum», seufzte Puustjärvi. «Wahrscheinlich eine Selbstmörderin. Vielleicht hat sie sich mit Absicht in die Schussbahn geworfen.»
Ich dachte an den Elchjäger, der unwillentlich einen Menschen getötet hatte. Mit Leuten, die in eine vergleichbare Situation geraten waren, hatte ich es schon ein paarmal zu tun gehabt: mit einem LKW-Fahrer, dem ein Betrunkener vors Auto gelaufen war, mit Lokomotivführern, die den Selbstmörder auf den Gleisen zu spät gesehen hatten, mit einem Vater, der sein einjähriges Kind nur ein paar Minuten unbeaufsichtigt in der Badewanne gelassen hatte. Für einige Sekunden bereute ich es doch, nicht am Schreibtisch geblieben zu sein.
Wir mussten unseren Wagen ganz am Anfang des Waldwegs stehen lassen, denn auf der schmalen Schneise, die zum See führte, standen bereits die Fahrzeuge der Jäger, der Kriminaltechniker und der Ortspolizei. Ich zog die Gummistiefel an.
In Ufernähe hatten Forstmaschinen tiefe Furchen in die Erde gerissen, sodass die Schneise immer unwegsamer wurde. Ich war bald außer Atem. Nach Tanelis Geburt hatte ich es nicht geschafft, meine alte Kondition wiederzugewinnen. Als wir...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.