Schweitzer Fachinformationen
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SÜSSES oder SAURES ?
Erntezeit
Gelobtes Land
Danksagung
»Und? Was machst du so an Silvester?«
Mona spuckte einen Mund voll Zahnpasta ins Waschbecken und drehte sich zu ihrem Mann Albert um, der gerade seine Hose herunterfallen ließ. Sie betrachtete ihn in seinen blau-weiß gestreiften Boxershorts. Zu Nikolaus hatte sie ihm eine mit tanzenden Rentieren geschenkt. Schade, dass er die nicht angezogen hatte. Selbstironie war nie eine seiner Stärken gewesen.
»Du meinst wohl, was wir an Silvester machen?«
»Nein, ich wollte wissen, was deine Silvesterpläne sind«, entgegnete Albert, während er sich aufs Bett setzte, um die Socken auszuziehen. Ihr Blick fiel kurz auf die tiefe Kuhle, die er dabei erzeugte.
Mona warf ihm einen verständnislosen Blick zu und fuhr fort, ihre Zähne zu putzen.
»Ich hab schon was vor.«
»Wie bitte?« Sie musste sich verhört haben. Kein Wunder, waren ja nur ein paar Millimeter von den Weisheitszähnen bis zum Innenohr. Jetzt legte sie die Zahnbürste doch lieber weg, saugte hastig einen großen Schluck Wasser aus ihrer Handfläche, gurgelte einmal kurz, spuckte hörbar aus und wischte sich flüchtig mit einem Handtuch über den Mund. Dann ging sie ebenfalls rüber ins Schlafzimmer.
Noch vor ein paar Monaten hatte er, wenn sie so in roter Spitzenunterwäsche vor ihm gestanden hatte, seine starken Arme um ihre schlanke Taille gelegt, seine Lippen sanft auf ihre ein wenig zu knöchernen Schultern gepresst und federleichte Küsse auf ihrem Hals platziert. Sie hatte ihren Hals ganz lang gestreckt, um ihm möglichst viel Kussfläche zu bieten und den Genuss so lang wie möglich auszudehnen. Irgendwann hätte er sich mit ihr im Arm langsam auf das Bett zurückfallen lassen. Sie hätte sich in seiner Umarmung und auf seinem kräftigen Körper wohlig und geborgen gefühlt. Und dann hätten sie sich wahrscheinlich geliebt. Routiniert, aber irgendwie schön.
Doch jetzt sah er auf den Boden zu dem Haufen, den er dort aus seiner Kleidung aufgetürmt hatte, und sagte: »Paul hat eine Hütte in der Schweiz gemietet und mich gefragt, ob ich mitkomme.«
»Paul?« Sie ließ den Haufen liegen, wo er war. Ihr Ton klang gereizt. Kein Wunder. Dieser Heiligabend war eher eine beunruhigend stille Nacht gewesen. Ohne Alexander.
Es schien ihr eine Ewigkeit her zu sein, die Zeit der riesigen staunenden Kinderleuchteaugen, in denen sich die bunten Lichter und Glaskugeln eines Christbaumes spiegelten und die einem aus einem pummeligen, in einem unordentlichen Geschenkpapierfetzenhaufen thronenden, Kekse mümmelnden Kleinjungenkörper entgegenstrahlten. Ihr Mann unweit davon am Boden kniend, wieder zum Kind geworden, mit äußerster Konzentration ein neues Playmobil-Ungetüm zusammenbauend - irgendwas Großes, was der Kleine noch nicht hatte -, das nun wochenlang den Boden des Kinderzimmers flächendeckend einnehmen würde.
Das erste Weihnachten ohne ihren einzigen Sohn, der inzwischen sechzehn, eins fünfundachtzig und für ein ganzes langes Jahr bei einer Gastfamilie in Neuseeland war, war Mona plötzlich hohl und sinnlos vorgekommen.
Eigentlich nur aus Gewohnheit hatte Mona wie immer all ihre heiß geliebten Weihnachtsrituale durchgezogen: konditoreiwürdige Plätzchen gebacken, einen Teil in hübsch verzierten Zellophanbeutelchen verschenkt und den Rest in Sammeldosen bis Heiligabend aufbewahrt, damit sie sie bis dahin nicht schon über hatten. Einen Baum geschmückt, ein köstliches Mahl zubereitet und auf Weihnachtsgeschirr serviert. Und natürlich hatten Albert und sie sich auch Geschenke überreicht. Doch all das kam ihr vor wie ein Pflichtprogramm, das die beiden absolvierten. Die anschließende Skype-Unterhaltung mit Alexander hatte fast wie eine Befreiung von dem beklemmenden Smalltalk bei Tisch gewirkt, der genauso auch unter Fremden hätte stattfinden können. Schauspieltalent musste bei ihnen in der Familie liegen, denn alle drei hatten so getan, als wäre alles perfekt. Diesseits und jenseits des Ozeans.
Mona stemmte angriffslustig die Hände in die Hüften.
Na typisch Paul. Das war sein komischer Bergfexfreund, der bei der ersten Schneeflocke die Skier anschnallte. Alberts Jugendfreund, der nie geheiratet hatte und schon ihre ganze lange Ehe über bei ihnen auf der Bettkante saß.
»Ich habe zugesagt.«
Da saß er auch schon wieder. Mitten zwischen ihnen.
»Wie?« Mona war nicht mehr gereizt, sondern einfach fassungslos. »Ohne mich zu fragen?«
Sie ließ sich neben Albert auf die Bettkante fallen. Als könnte er ihre Nähe nicht ertragen, sprang er auf und verschwand im Bad.
»Ich finde, wir brauchen beide mal ein bisschen Abstand«, hörte sie ihn sagen. Das war genau das, von dem sie in letzter Zeit viel zu viel hatten, fand Mona. Abstand. Sekündlich wurde der größer. Gefühlstaub sah sie ihm zu, wie er herauskam und den Gürtel seines Bademantels festzurrte. Er sah aus wie einer dieser Geschäftsleute, die in den Mafiafilmen immer mit in der Sauna sitzen. Diese gepflegten, ein bisschen zu stattlichen, durchtrainierten und aalglatten Typen, die zwar nie die Chefs sind, sich aber um alle krummen Geschäfte kümmern - Zahlen, Konten, Immobilien. Ohne sie anzusehen, verließ Albert das Schlafzimmer. Mona sprang auf und stürmte ihm hinterher.
»Das fällt dir ausgerechnet an Heiligabend ein?«
Albert schwieg, was sie in zwei Sekunden auf hundertachtzig brachte - seit zwanzig Jahren war das ein eingefahrenes Spiel von ihnen, wie ein Neunkommanull-Paarlauf im Eistanz. Er schwieg, sie schrie.
Sie stellte sich ihm in den Weg.
»Wir machen doch sowieso kaum noch was zusammen!«
Albert schob sich an ihr vorbei.
»Meinst du, ich habe nicht gemerkt, wie du dich seit Ewigkeiten davor drückst, mit mir alleine zu sein?«
Albert öffnete den amerikanischen Kühlschrank.
Mona presste die Kühlschranktür wieder zu und lehnte sich herausfordernd dagegen. Albert sah in Monas tiefschwarz funkelnde Augen. Teilnahmslos. In ihren lebendigen, geheimnisvollen Augen war er sonst so gern versunken. Er zog erneut an der Tür und griff sich eine halb volle Weißweinflasche. Sie glitt mit, als wäre sie ein Kühlschrankmagnet.
»Das ist so typisch für dich.«
Albert stellte die Flasche zurück in den Kühlschrank.
»Hast du ernsthaft erwartet, dass ich jubiliere, wenn ihr mich alle verlasst?«
Albert zog den Bauch ein, um Mona ja nicht zu berühren, als er an ihr vorbei zu einem gläsernen Wandregal in ihrer offenen Küche ging, das als Bar diente.
»Erst Alex und jetzt du.«
Albert griff nach einer Whiskyflasche und einem Glas.
»Ist das deine Antwort?«
Albert goss sich ungerührt mindestens einen Doppelten ein und nahm einen großen Schluck davon.
»Komm, nimm auch einen«, sagte er ruhig. Doch das konnte bei ihm die Ruhe vor dem Sturm bedeuten. Oft kam es nicht vor, aber wenn, dann war es eine Art Hurrikan.
»Du machst in ganz Deutschland einen auf Mr. Wichtig als Unternehmensberater-Schrägstrich-Spesenritter und findest es wahrscheinlich ganz toll, dass ich rund um die Uhr in meinem Laden aufgeräumt bin. Ich dachte, wir hätten zumindest in der wenigen Freizeit, die wir haben, endlich mal Zeit für uns.«
Er schenkte sich nach und kippte alles in einem Zug runter.
»Nun übertreib mal nicht so maßlos. Sind doch nur ein paar Tage«, meinte Albert monoton. Es schien so, als wolle er für alle Zeiten so weitermachen.
»Ein paar Tage?« Nun überschlug sich ihre Stimme. Dass sie nach wie vor nur ihre Unterwäsche trug, ließ sie nicht gerade würdevoller erscheinen. Für einen Augenblick sammelten sich Tränen in ihren Augen. »Ein paar Tage, die du lieber mit diesem Scheiß-Paul verbringst! Das war der schrecklichste Heiligabend meines Lebens! Und wer Silvester getrennt verbringt, ist im neuen Jahr nicht zusammen!«, schrie sie.
»Du bist auf dem besten Weg dahin, wenn du so weitermachst.« Sein nachgesetztes »Meine Liebe« klang so gar nicht lieb. Er drehte Mona den Rücken zu, goss sich noch mal Whisky nach und schlenderte betont lässig zum englischen Ledersofa.
»Ich fahre in die Berge. Punkt.«
Sein Plumps in die weichen, abgesessenen Polster untermauerte seine Ansage. Die Sprungfedern ächzten geräuschvoll.
Für Mona war das ganz und gar inakzeptabel. Sie strebte immer nach klaren Verhältnissen - auch wenn sie diese erzwingen musste. Doch manchmal konnte ihre Hartnäckigkeit ganz schön destruktiv sein. Dies war so ein Moment. Nur blöd, dass sie das nicht merkte.
»Herr Albern fährt also in die Berge.«
Eine Reaktion hielt er nicht für nötig, nahm sich stattdessen die Fernsehzeitschrift und blätterte planlos darin herum.
»Ich frag mich, was du da willst. Den Kamin anfeuern? Du kannst ja noch nicht mal Ski fahren. Ach ja, so wie wir deinen Paul kennen, seid ihr da ja nicht alleine.«
»Garantiert nicht«, konterte Albert und legte die Zeitschrift ab. Sein Blick war die reine Provokation. »Und das Schönste ist: Du bist nicht da.«
Mona schnappte nach Luft. Blitzschnell griff sie sich Alberts Handy, das auf dem Couchtisch lag, und drehte sich um. »Und du auch nicht! Ich werde nämlich absagen.« Sie wusste, dass Pauls Nummer als Kurzwahl auf der 4 gespeichert war, nach ihrer, der von Alexander und Alberts Arbeit. Albert konnte sich kaum vom Sofa erheben, da war sie schon aus dem Zimmer gestürmt und hatte gewählt. In der Ewigkeit, die sie dem Klingelton lauschte, war Albert zu ihr gestürmt und hielt sie am Arm. »Gib mir das Handy.« Albert klang immer noch ruhig.
»Hallo?«, rief Mona...
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