Schweitzer Fachinformationen
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Tagsüber arbeitet sie am glücklichsten Ort der Welt, in einem Vergnügungspark in Los Angeles. Die Kinder stehen Schlange, um sie in der Rolle der Eiskönigin zu sehen. Nachts rast Maeve in einem rosa Mustang den Sunset Strip entlang, treibt sich in Spelunken herum und imitiert ihre menschenfeindlichen literarischen Helden. Doch als Gideon Green, der Bruder ihrer besten Freundin, sich mit ihr anfreundet, weckt er etwas Gefährliches in ihr. Alte Wunden brechen wieder auf und für Maeve Fly wird frisches Blut zum roten Teppich .
Maeves Geschichte handelt von einer zutiefst gestörten, von Literatur und Halloween besessenen jungen Frau, die lernen muss, ihre dunkle Natur zu akzeptieren.
Ein moderner Thriller à la American Psycho, auf einer Stufe mit der dunklen Psychologie, die man in einem Roman von Gillian Flynn erwarten würde.
Stephen Graham Jones: »Blutig und brutal und schön und schmerzhaft und erschreckend und ein reines Vergnügen.«
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Kate und ich knien einander gegenüber in dem Zimmer im Schloss der Eiskönigin, wie wir es jeden Tag tun. Wir tragen Prinzessinnenkleider, unsere Arbeitskluft. Ich sehe gerade mit an, wie erst ein Blutstropfen und dann noch ein zweiter aus Kates Nasenloch rinnt und dem kleinen Jungen, der auf ihrem Schoß sitzt, auf den Kopf fällt.
Kate ist schön und verkatert - ein leicht stumpfes, dennoch kostbares Juwel in einem dunklen, pseudonordischen Interieur. Und das meine ich wörtlich. Die Wände hier haben sie so gestrichen, dass es wie in einem klischeemäßigen skandinavischen Schloss aussieht - bloß dass dieses Schloss keinerlei Ähnlichkeit mit den wenigen Schlössern hat, die es in Skandinavien tatsächlich gibt. Kate ist 26, ein Jahr jünger als ich. Der kleine Junge auf ihrem Schoß trägt ein Shirt mit irgendeinem Comic-Sportler drauf und hat trockene Zuckerwatte an der Wange kleben. Diesem trostlosen Anblick kann ihr Blut nur guttun. Die Mutter hat es anscheinend nicht bemerkt. Es ist ein Dienstag im September, und die Eltern frösteln unter ihrer südkalifornischen Schweißschicht, die von der klimatisierten Luft auf unangenehme Art gekühlt wird.
»Wow, was hast du denn für ein wunderhübsches Kleid an! Das steht dir ja noch viel besser als mir!«, sagt Kate zu dem kleinen Mädchen, das neben mir hockt. Die beiden Kinder sind Geschwister, und ich kann nicht anders, als sie als Konkurrenten anzusehen. Der eine wird dem anderen eines Tages übel mitspielen, wird ihm einen geliebten Menschen abspenstig machen. Der kleine Junge, der mit der Zuckerwatte und dem Blut, ist zwar höchstens vier Jahre alt, aber in seinem Köpfchen geht es bestimmt schon richtig rund.
Und mit einem Mal scheint er die flüchtige, zufällige Situation, in der er sich gerade befindet, mit großer Klarheit zu durchschauen. Er sitzt mit dem Gesicht ganz nahe vor den prallen jungen Brüsten einer Frau, zu der für ihn keine verwandtschaftlichen Bande bestehen. Sein Mund steht offen, und seine Augen sind starr auf eine von Kates Brustwarzen gerichtet. Laut Vorschrift sollen wir unterm Kostüm stets BH tragen, doch das vergisst Kate gern. Mich stört es nicht. Und den kleinen Jungen offenkundig auch nicht.
Das kleine Mädchen neben mir dreht sich nun ein wenig in ihrem Prinzessinnenkleid hin und her. Kates Figur ist die jüngere Schwester meiner Figur. Kate lächelt gütig zu ihr hinab. Noch hat niemand bemerkt, dass sie Nasenbluten hat. Der kleine Junge streckt ganz langsam eine Hand in die Richtung seines Objekts der Begierde aus, wie um sich von dessen Echtheit zu überzeugen. Dann hält er inne. Er sieht mich an: Darf ich das? Oder werde ich dafür bestraft? Was alle Männer wissen wollen. Ich lächle und zwinkere ihm zu. Bestraft werden wir sowieso alle irgendwann, also warum nicht?
Ich liebe es, meine Prinzessin zu spielen. Die meisten kleinen Mädchen, die zu uns kommen, scheinen eher mit Kates Figur zu sympathisieren, denn sie ist die unerschütterlich Tugendhafte der beiden Schwestern, die Protagonistin, die nicht nur die Ortschaft rettet, sondern sich auch noch in einen großen, gut aussehenden Skandinavier verliebt, um mit ihm weitere große, gut aussehende Skandinavier in die Welt zu setzen. Meine Prinzessin, die Schwester mit den zerstörerischen Kräften, die keinen Gemahl hat, wird nur von den angeknacksten kleinen Mädchen gemocht. Sie füllt zugleich die Rolle der Prinzessin und der Schurkin aus. Wir werden später noch darauf zurückkommen, aber jedenfalls ist meine Prinzessin sehr bedeutsam, verkörpert sie doch eine seltene, archetypische Trotzhaltung in einer ansonsten vollkommen vorhersehbaren Welt. Sie ist absolut herrlich. Der einzige Nachteil an unserem Job ist das Lied des Schneemanns, Kates tollpatschigem Reisegefährten, das den ganzen Tag über immer mal wieder ertönt und eine fast zwei Minuten andauernde wahrhaft unerträgliche näselnde Tortur darstellt. Die Kinder können gar nicht genug davon bekommen.
Dieser kleine Junge hier kriegt jedoch für das Geld seiner Eltern wirklich was geboten und beachtet das Lied überhaupt nicht. Seine Aufmerksamkeit ist wieder auf die Brust gerichtet, und aus seinem Blick spricht eine neue Entschlossenheit. Aus Kates Nase fällt ein weiterer roter Tropfen in sein Haar hinab, und mit einem Mal bin ich von tiefer, unerschütterlicher Liebe erfüllt. Liebe zu Kate, zu diesem Job, zu all dem hier.
Kate und ich legen unsere Arme um das kleine Mädchen und beugen uns für das Foto der Eltern zueinander hinüber. Draußen stehen die Leute Schlange, und wir können die anderen Kinder nicht warten lassen. Wir sind in diesem Park sehr beliebt. Ja, tatsächlich sind wir die populärste Attraktion hier.
Und während wir uns zueinander hinüberbeugen, sieht der Junge mich an, und genau wie er spüre ich, dass nun der Moment gekommen ist. Dies wird einer der Höhepunkte seiner Kindheit sein, der tapfere junge Ritter auf seiner ersten Gralssuche. Und ich habe die Ehre, dabei Zeugin zu sein. Ich nicke ihm ermunternd zu. Er versteht den Wink und macht sich bereit, seinen Schicksalsweg zu beschreiten.
Er greift nach oben.
»Sagt CHEESE!«, ruft die Mutter.
Der Junge umfasst Kates Brust mit der ganzen Hand und drückt zu.
Der Blitz erstrahlt. Die Mutter schreit auf. Kate lacht. Der Vater versucht, entsetzt dreinzuschauen, doch sein kaum verhohlenes Grinsen und seine Haltung verraten ihn: Er ist stolz auf seinen Sohn. Und er wünscht, es wäre seine eigene Hand, die da auf der Brust der falschen Prinzessin liegt. Endlich gibt er sich, wie er dort vor uns steht, der Fantasie hin, die er sich bisher nicht gestattet hat. Diese weiche Straffheit, verglichen mit den nur mehr mütterlichen Brüsten seiner Frau, die verbotene Herrlichkeit eines von ihm noch unberührten, noch nicht eroberten Busens. Wie die Väter ihre Söhne beneiden. Wie sie von diesem Neid lebenslang nicht mehr loskommen.
Ich sehe ihn mit erhobener Augenbraue an, und er zuckt nur ungerührt mit den Achseln. Er weiß instinktiv, dass ich ihn durchschaut habe. Das wissen diese Typen immer.
Nachmittags haben wir eine halbe Stunde Pause. Wir gehen in den Pausenraum. Dort futtern Cinderella und Schneewittchen fett-, zucker- und milchfreien Joghurt. Sie glotzen uns böse an. Bei den Prinzessinnen herrscht eine klare Hierarchie, und Kates und meine Rollen, die zu den neuesten Prinzessinnen zählen, sind die beliebtesten. Die Kinder haben die älteren Prinzessinnen im Grunde fast schon vergessen. Außerdem ist es erwähnenswert, dass wir alle - Kate, Cinderella, Schneewittchen, die anderen und ich - in der Hierarchie unter den Prinzessinnen rangieren, die im Hauptpark tätig sind. Wir arbeiten in dem neueren Park nebenan, in dem es mehr Fahrgeschäfte für Erwachsene gibt und die Attraktionen für Kinder - wie beispielsweise Begegnungen mit Prinzessinnen - eine absolute Nebenrolle spielen. Unser Park hat auch stets weniger Besucher als der benachbarte Hauptpark, das Original. Er öffnet später und schließt früher. Cinderella oder Schneewittchen in unserem Park zu sein, bedeutet also, dass man das B-Team des B-Teams ist, und darüber sind die beiden ziemlich verbittert. Ginge mir an ihrer Stelle genauso.
Kate und ich beachten sie aber gar nicht und gehen gleich in den Umkleideraum hinter dem Pausenraum weiter. Sofort nehmen wir unsere Perücken ab. Mein Haar ist zwar von dem Weißblond meiner Figur nicht allzu weit entfernt, aber dennoch wird verlangt, dass wir diese Perücken tragen. Kates Haar ist im Gegensatz zu dem ihrer rotbraunen Perücke so blutrot, wie es das ohne Färbemittel nur sein kann. Es ist ein faszinierender Anblick, und manchmal ertappe ich mich dabei, es zu lange anzustarren. Kupferdraht, Lava, Menstruationsblut. Sie zieht auf einem Pappteller aus dem Pausenraum ein paar Lines für uns, die wir uns dann durch Tamponhülsen reinpfeifen. Ein wenig reibe ich mir auch ins Zahnfleisch. Dann hocken wir in unseren Kostümen auf Handtüchern auf dem Boden, mit den Rücken an den Spinden, und mampfen die Gummibärchen, die ich an diesem Morgen dem 7-Eleven-Typen abgeflirtet habe. Kates Haar schimmert im Licht der Neonröhren. Ihre Haut ist so durchscheinend, dass ich die Blutgefäße darunter erkennen kann.
Die Tür zum Pausenraum geht auf, und Liz kommt herein.
Liz ist alles, was an einem Menschen abscheulich sein kann, und infolgedessen meine Erzfeindin. Sie ist zugleich widerlich und auf seltsame Weise faszinierend. Liz liebt Regeln, liebt es, sie zu befolgen und hochzuhalten, sie lutscht die kleinen metaphorischen Schwänze dieser Regeln mit der Hingabe und Ausdauer einer Heiligen oder einer Frau, die dafür bezahlt wird. Außerdem ist sie unsere Vorgesetzte. Oder so was in der Richtung.
Ich sehe zu, wie ihr Gesicht rot anläuft, als sie uns erblickt. Das ist eine der beiden Betriebsarten, die Liz draufhat. Beide sind unerträglich, aber diese finde ich zumindest einigermaßen amüsant. Kate schnieft noch eine halbe Line, und Liz verschränkt die Hände unter ihren fantastischen Brüsten, dem Quell ihrer ganzen Verzweiflung. Richtige Möpse. Pullikuppeln. Früher war sie auch mal Prinzessin, so wie wir, doch dann wachte sie eines Morgens auf und musste feststellen, dass ihre Brust über Nacht unerklärlicherweise so extrem gewachsen war, dass sie nicht mehr in ihr Arbeitskostüm passte. Also, sie passte schon noch hinein, sah darin aber eher wie eine Pornodarstellerin aus, woraufhin ihr die Geschäftsleitung mitteilte, dass ihre Zeit als Prinzessin vorüber sei. Das ist die größte Kränkung und Enttäuschung ihres Lebens, und emotional wird sie sich davon nie wieder erholen. Liz sieht nun irrsinnigerweise echt scharf aus, und aus ihrem Kleid...
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