Schweitzer Fachinformationen
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»Emma, du siehst furchtbar aus«, stellt meine beste Freundin Josie fest, als ich mich auf den Beifahrersitz ihres heruntergekommenen Honda Civic schiebe. Ich werfe meine Tasche auf den Boden und ignoriere den reizenden Kommentar. Stattdessen drehe ich mein nasses Haar auf dem Kopf zu einem lockeren Knoten zusammen. Als ich nicht reagiere, seufzt sie und greift in den Haufen durcheinandergewürfelter Gegenstände auf der Mittelkonsole. Bevor sie aus der Einfahrt ausschert, wirft sie mir ein Töpfchen Concealer zu.
»Das ist nicht deine Farbe«, stelle ich fest und betrachte misstrauisch den hellen Farbton.
»Nein.« Sie hält den Blick auf die Straße gerichtet, aber ich sehe, wie ein Grinsen ihre Mundwinkel umspielt. »Es ist deine. Du bist schließlich diejenige, die so etwas braucht.«
Ich ziehe eine Braue hoch, was nicht ganz ungefährlich ist, weil es Josie auf die Idee bringen könnte, dass diese Braue gezupft werden müsste. »Bist du sicher? Man könnte nämlich meinen, dass bei dir die Zicke ein bisschen durchscheint.«
»Nicht meine Farbe«, erinnert sie mich.
Obwohl sie in der üblichen Schülerinnenuniform steckt, sieht Josie fantastisch aus. Ihre Korkenzieherlocken und ihre fuchsiaroten Lippen verleihen ihrem Stil eine unangestrengte Coolness. Ich glaube, so etwas kommt automatisch, wenn die eigene Mutter früher ein hübsches Showgirl war, das sich von einem Glücksspieler schwängern ließ, der allerdings nicht lange genug bei ihr blieb, um noch eine zweite Wette zu platzieren. Auf jeden Fall hatte er einen Volltreffer gelandet - wenn er das doch nur wüsste. Josie hat die langen Beine ihrer Mutter geerbt, ein offenes Lächeln und ihre ganz eigene Art, mit Männern umzugehen. Ich sage Männer, weil sie sich mit den Jungs in der Schule gar nicht erst abgibt. Sie arbeitet ihren Vaterkomplex lieber an einer wachsenden Zahl williger Touristen ab.
Mein Vater steht mit einem Becher mit - wie ich hoffe - Kaffee auf der Terrasse. Josie winkt ihm fröhlich zu und kurvt knapp an unserem Briefkasten vorbei, ich tupfe die Zauberflüssigkeit auf die dunklen Ringe um meine Augen.
»Hattest du wieder Albträume? Den von Becca?« Sie tippt auf das Lenkrad und zeigt dabei ihren neonpinken Nagellack; der im Kontrast zu ihrer cappuccinobraunen Haut herrlich leuchtet.
»Eine Klassenarbeit. Ich musste pauken.« Ich lüge, weil ich keine Lust habe, morgens früh um sieben vor ihr auszubreiten, was mich belastet.
Obwohl sie mich durchschaut, hakt Josie nicht nach. Sie kennt die Wahrheit, weil sie mich kennt. Das bedeutet auch, dass sie weiß, dass ich mit meinen Gefühlen nicht hausieren gehe. Wozu auch? Mit Gerede kann man an dem Mist, der passiert ist, schließlich auch nichts ändern.
»Heute ist der letzte Tag«, sagt sie stattdessen, »und heute Abend machen wir Party.«
»Du machst Party«, verbessere ich sie. »Dad will, dass ich gleich am Montag im Laden die Frühschicht übernehme.«
»Dann bleibt dir doch noch ein ganzes Wochenende - und versuch nicht, so zu tun, als ob du ein heißes Date hättest und deshalb keine Zeit für mich.«
Bei der Vorstellung laufe ich rot an. Ja, heiße Dates sind was für Mädchen, die man nicht gegen ihren Willen zu einem Keuschheitsgelübde gezwungen hat. »Ich bin wirklich schon verplant. Wäsche waschen, Netflix.«
Josie zieht die Nase kraus und schüttelt den Kopf. »Du brauchst ein Leben.«
»Das hatte ich mal.« Ich starre aus dem Fenster und wünschte, ich hätte nichts gesagt. Und schon gar nicht etwas, das so dumm, kaputt und mädchenhaft klingt. Ich gewöhne mich zwar langsam an die dunkle Leere, die der Tod meiner Schwester in meinem Inneren hinterlassen hat, aber heute ist einer dieser Tage, an denen ich sie nicht ignorieren kann.
Als wir zum Schulparkplatz abbiegen, hängt mein Geständnis in der Luft wie ein übler Geruch. Wir können es beide riechen, aber wir sind zu höflich, um etwas zu sagen. Josie biegt so schwungvoll in einen Parkplatz ein, dass ein Erstsemester aus dem Weg springen muss. Zur Entschuldigung hebt sie mit einem zuckersüßen Lächeln die Arme. Niemand kann Josie böse sein, nicht einmal dann, wenn sie einen gerade in Lebensgefahr gebracht hat. Das ist einer der vielen Gründe, warum wir ein seltsames Paar abgeben. Ich lächle nicht, und ich halte auch nichts von Small Talk. Ich vermeide jeden verdammten Augenkontakt, wenn es irgendwie geht.
»Emma, sie würde nicht wollen, dass du aufhörst zu leben«, sagt sie leise.
»Tja, ich hätte halt gern erlebt, wie sie dieses Wochenende ihren Abschluss macht«, blaffe ich. Diese Reaktion hat Josie nicht verdient, aber auch nach einem Jahr befinde ich mich noch im zweiten Stadium der Trauer. Am liebsten wäre es mir, wenn wir weiterhin so tun würden, als sei das alles nicht geschehen.
So viel zum Thema höfliches Schweigen. Ich werfe mir die Tasche über die Schulter und verschwinde zwischen all den Schülern, die sich beim ersten Klingeln durch die Vordertür zu quetschen versuchen. Hier fühle ich mich sicher, inmitten einer Menschentraube, wo mich niemand fragt, ob ich okay bin oder ob man mir irgendwie helfen kann. Noch schlimmer sind die Leute, die mich mit diesen traurigen Augen ansehen. Ich brauche weder ihre Kondolenzbezeugungen noch ihr Mitgefühl. Denn es gibt tatsächlich dumme Fragen, und die Frage »Geht es dir gut?« gehört eindeutig dazu. Und dann sind da noch diese Idioten, die mich für das, was in jener Nacht geschehen ist, verantwortlich machen. Schließlich gibt es außer mir niemanden mehr, dem sie Vorwürfe machen könnten. Aus all diesen Gründen kommt mir die Belle Mère Prep nicht wie eine private Highschool vor, die mich aufs College vorbereiten soll, sondern eher wie die neun Kreise der Hölle.
Nur noch ein paar Stunden. Doch dass ich mir innerlich Mut zuspreche, hilft heute nicht viel, zumal ich Hugo Roth sehe, meinen unangenehmen Fehltritt. Er lungert vor dem Raum herum, in dem ich gleich Englisch habe.
»Na, Pawnstar, bereit für die Sommerferien?« Ich brauche gar nicht erst hinzusehen, um die höhnische Stimme mit seinem blöden Gesicht in Verbindung zu bringen. Doch er stellt sich direkt in die Tür, sodass ich ihn gezwungenermaßen anblicken muss. Dass er die meisten anderen Jungs in der Klasse überragt, ist sein großes Glück, weil er den ganzen Tag lang sein gewaltiges Ego hochhalten muss. Ich gebe nur ungern zu, dass er ziemlich gut ankommt. Aber man kann nicht abstreiten, dass seine Gesichtszüge hollywoodreif sind und sein seidiges blondes Haar gerade die richtige Länge hat, um die Hände darin zu vergraben. Diesen Fehler habe ich einmal gemacht. Und nie wieder. »Ich hab überlegt, mal zu euch in den Laden zu kommen. Ich hab da was, auf das du garantiert scharf bist.«
»Tut mir leid. Wir haben schon genug Schrott im Lager.« Der Pawnshop - das Pfandhaus, das mein Vater betreibt - gilt in Las Vegas zwar als Touristenattraktion, aber für mich ist es nur eine weitere Sache, die mir peinlich ist.
Ich dränge mich an Hugo vorbei, doch er streckt den Arm aus und lässt mich nicht durch die Tür. Mit der anderen Hand packt er sich in den Schritt. »Was würde mir dein Papi dafür wohl geben? Oder vielleicht können wir zwei ja auch besprechen, wie viel das wert ist?«
»Vielleicht könnte ich dem kleinen Kerl auch den Lauf eines der vielen Gewehre zeigen, die wir am Lager haben.« Ich setze ein Grinsen auf und wedele mit dem kleinen Finger, um meine Worte zu unterstreichen. »Wenn ich mich richtig entsinne, müsste er da gut reinpassen.«
Hugo läuft rot an und gibt die Tür frei. »Blöde Ziege.«
»Schön, dass wir drüber gesprochen haben!«, rufe ich ihm zuckersüß hinterher.
Mr. Hunter sieht mich nicht an, als ich beim letzten Klingelton in den Raum stürze. »Nett, dass Sie auch schon da sind, Miss Southerly.«
Ich ziehe das Buch Große Erwartungen aus meiner Tasche und halte es hoch. »Ich konnte einfach nicht aufhören zu lesen. Ich habe überhaupt nicht geschlafen.«
Ich und Dickens? Mr. Hunter presst ungläubig die Lippen aufeinander. Wahrscheinlich ahnt er, dass ich nur den Film geschaut habe, aber er reitet nicht auf meiner Verspätung herum. Ich lasse mich auf den Stuhl fallen, und er beginnt eine Diskussion darüber, ob Pips Wohltäter ihm einen Gefallen getan hat oder nicht. Anscheinend hat ihm keiner gesagt, dass heute der letzte Schultag ist. Weil ich die Geschichte blöd fand - ein armer Junge, der versucht, ein reiches Mädchen zu beeindrucken -, starre ich auf die Holzpaneele. Einige Mitglieder des Schulbeirates hatten sich bei der Renovierung der Schule dafür eingesetzt. Das Ergebnis ist typisch Las Vegas. Eichenpaneele, Bücherregale voller verstaubter, ledergebundener Bücher - eine Show mit dem Ziel, überqualifizierte Lehrer anzuziehen und die Talentscouts der Elite-Universitäten glauben zu machen, die Schüler hier seien ebenso leistungsfähig wie die Privatschüler an der Ostküste.
Als jemand, der in Belle Mère aufgewachsen ist, kenne ich die Wahrheit: Es ist nicht alles Gold, was glänzt.
»Miss West?«, ruft Mr. Hunter quer durch den Raum einer Blondine zu, die ihm den Rücken zukehrt.
Monroe West starrt ihn über die Schulter hinweg an, als erwarte sie eine Antwort von ihm und nicht umgekehrt. Die Designer-Klamotten, die sie am Leib trägt, kosten vermutlich so viel, wie er in der Woche verdient, und das ist ihr bewusst. Wer hat behauptet, an der Belle Mère Prep würden keine Prioritäten gesetzt? Aber wenn man eine West ist, stehen einem so oder so alle Türen offen. Nur nicht die der Southerlys. Als sich Monroe West eine pinke Strähne...
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