Schweitzer Fachinformationen
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Das darf doch nicht wahr sein!
Meine Mutter hat mir einmal erklärt, dass das Blut der MacLaines einen befähige, ein Feuer zu durchschreiten. Wenn man sich überlegt, wie oft die MacLaines Mist bauen, ist das eine nützliche Fähigkeit. Doch als er mich vorhin berührt hat, habe ich sogar im strömenden Regen das Brennen gespürt, das meinen Körper versengte. So war es immer zwischen uns. Niemand konnte etwas für die Verwüstung. Es war höhere Macht, eine Naturgewalt, nicht aufzuhalten, sobald sie einmal entfesselt war. Als sich auf dem Friedhof unsere Blicke trafen, konnte ich mich nur abwenden und hoffen, unbeschadet davonzukommen. Anders als beim letzten Mal.
Das ist das Problem, wenn man eine MacLaine ist, wir mögen zwar durchs Feuer gehen können, aber wir tragen Narben davon.
Kaum hält die Limousine in der Auffahrt, bin ich auch schon aus dem Wagen und die Stufen hinauf. Ich muss nicht weit gehen, um eine Flasche Scotch zu finden. Nicht in Windfall, dem Anwesen der Familie, das mein Vater gebaut hat. Mit den Fingern streiche ich über das Etikett. West Tennessee Whiskey. Die Lieblingsmarke meines Vaters. Mit zitternden Händen schenke ich mir ein Glas ein.
»Es ist fünf Jahre her«, sage ich leise zu mir.
Bald wird das Haus voller Leute sein. Trauergäste, die ihm die letzte Ehre erweisen wollen oder vielmehr über meinen Vater und sein Vermögen tratschen. Sie sind gekommen, um sich an dem Ratespiel zu beteiligen, das auch uns Hinterbliebene quält: Wer bekommt das Geld? Das Land? Die Firma? Was wird aus dem Erbe der MacLaines? Seit Monaten habe ich an nichts anderes mehr gedacht. Seit Jahren, wenn ich ehrlich bin. Seit Daddy krank wurde. Seit .
Und nun taucht Sterling Ford bei der Beerdigung auf.
Was nur eins bedeuten kann: Er will abrechnen.
Ich habe versucht, die Begegnung herunterzuspielen. Fünf Jahre sind vergangen. Wir sind keine Kinder mehr. Ich weiß nicht, ob ich mich sehr verändert habe, zumindest nicht so sehr wie er. Als ich ihn kennenlernte, war Sterling schlank und muskulöse eins achtzig groß. Damals habe ich mich gefragt, ob er Sportler ist.
»Vielleicht war er das vorhin ja gar nicht«, sage ich in den leeren Raum. Aber ich weiß so sicher, dass er da war, wie ich weiß, dass ich atme.
Bilder blitzen aus meinem Gedächtnis auf, und ich erschauere - seine heiße, schweißnasse Haut auf meiner. Mein Körper hat ihn bereits vor meinem Verstand erkannt. Er ist nicht mehr der Junge aus meiner Erinnerung, aber ich würde ihn überall wiedererkennen. Mir wird heiß und kalt - ich bin eine fiebrige Version der Frau, die ich heute Morgen beim Aufwachen war. Ich wusste, nach heute würde ich eine andere sein. Ich dachte, ich hätte vielleicht noch eine Wahl. Jetzt weiß ich, dass ich mich getäuscht habe. Wir können uns nie ganz von der Vergangenheit befreien, egal wie tief wir sie begraben.
»Adair!«
Rasch kippe ich den restlichen Whiskey hinunter. Die Stimme meiner Schwägerin klingt immer leicht panisch.
Ich atme tief ein und lasse die Flasche auf dem Schreibtisch meines Vaters zurück. Als ich das Arbeitszimmer verlasse, treffe ich in der Halle auf Ginny, wo sie mit einem kleinen, sich windenden Mädchen in schwarzem Taft kämpft.
»Könntest du?« In ihren schokoladenbraunen Augen flackert Verzweiflung auf. »Ich muss mit dem Caterer sprechen.«
»Natürlich.« Ich nehme ihr meine Nichte aus den Armen. Sofort hört Ellie auf zu bocken und grinst zu mir hoch.
»Ellie, lass den Rock unten«, befiehlt ihre Mutter, dann streicht sie ihr schwarzes Etuikleid glatt. Ginny erträgt es nicht, wenn eine Falte nicht dort ist, wo sie sein soll. Ihr kupferfarbenes Haar ist zu einem Dutt zurückgesteckt, und nicht eine Strähne wagt es, aus dem festen Knoten zu fliehen. Ihre Porzellanhaut ist perfekt geschminkt, auf ihren Wangen liegt ein Hauch Rosa. Sie ist genau die Vorzeigeehefrau, die mein Bruder an seiner Seite haben wollte. Der einzige Makel in ihrem Leben ist Ellie, die mit dem festen Vorsatz auf die Welt gekommen ist, Chaos zu verbreiten. Ginny eilt in Richtung Küche und streicht dabei ihr Haar glatt.
Ich setze das kleine Mädchen ab und beuge mich nach unten, um mit ihr zu sprechen. Anders als die ihrer Mutter sind Ellies rotblonde Locken wirr und zerzaust. Mit finsterer Miene denke ich an die Auseinandersetzung, die ich gestern Abend mit ihren Eltern hatte. Ich habe ihnen gesagt, dass sie zu klein ist, um an der Beerdigung teilzunehmen. Bei ihnen geht es immer um den äußeren Schein. Wie würde es aussehen, wenn die Enkelin von Angus MacLaine nicht dabei wäre? Ich hätte mir beinahe die Zunge abgebissen, in dem Bemühen, nichts zu erwidern. Und nun ist Ginny natürlich pikiert, dass Ellie sich nicht benimmt. »Du hast dir den Rock hochgezogen?«
»Schau«, sagt sie ernst. Sie macht einen Schritt nach hinten, breitet die Arme aus und dreht sich im Kreis. Dabei fliegt ihr Kleid hoch und wickelt sich um sie, während sie sich immer weiter dreht.
»Sehr schön.« Ich klatschte, als sie langsamer wird und über ihre eigenen Füßchen stolpert, weil sie einen Drehwurm hat. Ich stütze sie und lächele zu ihr hinunter. »Wow. Das ist ziemlich cool, aber weißt du, warum deine Mom nicht will, dass du das machst?«
»Weil es Granddaddys Beerdigung ist.« Sie legt den Kopf schief und sieht mich mit fragendem Blick an. Ich wappne mich. »Was ist eine Berdigung?«
»Beerdigung«, korrigiere ich sanft. Irgendwie gerate ich bei Ellie immer an die schwierigen Fragen. »Es bedeutet Abschied.«
»Warum sind all diese Menschen hier, um sich zu verabschieden?« Sie hebt die Hände, um zu unterstreichen, wie merkwürdig das alles ist. »Warum können wir ihm nicht einfach winken, wenn er geht?«
Ich verfluche Ginny, weil sie dieses Gespräch nicht mit ihr geführt hat. Das ist ihre Aufgabe. Sie ist die Mutter. Doch ich weiß genau, was passiert, wenn ich sie darauf anspreche. Sie wird flattern wie ein verletztes Vögelchen. Es hat keinen Zweck, darüber zu reden. Ginny und ich stehen uns nicht sonderlich nahe. Nicht mehr.
»Er ist schon gegangen«, erkläre ich ihr sanft, »und mit dieser Party erinnern wir uns an ihn.«
»Gibt es Kuchen?«, fragt sie hoffnungsvoll.
»Wahrscheinlich.«
Ein Grinsen erscheint auf ihrem Kindergesicht, dann erstirbt es. »Er ist weg? Vermisst du ihn?«
Ich brauche einen Moment für die Antwort, denn ich bin mir nicht sicher. Sie wartet geduldig, und ich weiß, was ich sagen sollte. »Ja.«
»Wir müssen uns Kuchen holen«, sagt sie ernst, »dann geht es uns besser.«
»Guter Plan.« Ich nehme ihre kleine Hand. Sie ist warm und weich und vermag etwas von dem Eis aufzutauen, das sich seit heute Morgen um mein Herz gebildet hat. Es ist schwer, Trauer und Wut zu fühlen, wenn man mit diesem lebendigen Wesen zusammen ist.
Doch meine Zuversicht schwindet, als ich Hand in Hand mit Ellie das Wohnzimmer betrete und mein Blick auf ihn fällt. Bis jetzt hatte ich gehofft, einen Geist gesehen zu haben. Das ist nicht der Fall. Erst als Ellie ungeduldig an meinem Ärmel zupft, merke ich, dass ich ihre Hand losgelassen habe. Sie schiebt sie in meine zurück, doch diesmal fühlt es sich nicht tröstlich an.
Er unterhält sich im Nachbarraum mit einem älteren Herrn, einem Freund meines Vaters, und umfasst mit seinen kräftigen Händen die Lehne eines Mahagonistuhls. Ich versuche, ihn nicht anzustarren, kann den Blick jedoch nicht von ihm losreißen und suche nach einem Hinweis, warum er hier ist. Als ich Sterling damals kennenlernte, fragte ich mich, warum er im Vergleich zu anderen Typen in unserem Alter so muskulös war. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass er noch mehr Muskeln aufbaut. Damals war er eindrucksvoll. Und heute? Ist er einschüchternd. Selbst von hier aus erkenne ich, dass der Anzug für seine breiten Schultern maßgeschneidert wurde. Aus seinem Ärmel lugt die geschwungene Linie eines Tattoos. Das ist neu. Der Schopf schwarzer Locken ist einem Bürstenschnitt gewichen, der die markante Linie seines Kiefers betont, auf dem ein leichter Bartschatten liegt. Ich beobachte, wie er die Hand hebt und sich übers Kinn streicht. Als sein Blick durch den Raum gleitet und schließlich auf mir landet, scheint die Welt stehen zu bleiben. Er hält in der Bewegung inne, den Zeigefinger an seinem Mund, und ich könnte schwören, dass er mit den Zähnen an seiner Unterlippe nagt.
Er hat mich erwischt, wie ich ihn anstarre, dennoch kann ich den Blick nicht abwenden.
Ellie zieht ihre Hand aus meiner und holt mich in die Gegenwart und zu meinen Pflichten zurück.
»Tante Dair.« Sie zeigt auf die Speisen, die die Caterer auf dem Esstisch aufgebaut haben.
Natürlich ist er ausgerechnet in diesem Raum, wenn ich ihr Kuchen versprochen habe. Dachte er, ich komme, um mit ihm zu reden? Ist er meinetwegen hier? Vielleicht ist es nur Zufall.
Sei nicht albern. Sterling taucht doch nicht zufällig ausgerechnet heute aus dem Nichts hier auf.
Vielleicht hat er mit meinem Vater Geschäfte gemacht. Aber das glaube ich eigentlich nicht. Mein Vater mochte sich hin und wieder mit dem Teufel persönlich zusammengetan haben, um einen Vertrag zum Abschluss zu bringen, aber irgendwie bezweifele ich, dass Sterling mit einem MacLaine etwas anfangen würde. Nicht noch mal. Nicht nach allem, was geschehen ist.
Andererseits sind wir jetzt erwachsen. Wahrscheinlich hat er gar nicht mehr an mich gedacht, nachdem er Valmont verlassen hatte. Und nach seinem Anzug zu urteilen, ist er...
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