Schweitzer Fachinformationen
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Im Fahrstuhl benimmt sich Zeus wie ein Welpe, springt an mir hoch und will mir das Gesicht ablecken. Auch von dem armen Percy kann ich ihn kaum fernhalten, doch den alten Hausangestellten scheint es nicht zu stören.
»Ist schon okay, Mr. Ford«, versichert er mir, als ich Zeus von ihm fortzerre.
»Entschuldigen Sie.« Sanft packe ich Zeus am Halsband und knie mich hin, um ihn im Zaum zu halten. »War ein aufregender Tag für ihn. Wir hatten Besuch.«
»Besuch?«, fragt Percy mit wissendem Lächeln. »Eine hübsche Dame vielleicht?«
Natürlich war er Adair begegnet. Er bedient den Fahrstuhl nur tagsüber, wenn die Leute häufiger kommen und gehen. Bei dem Gedanken an sie kann ich mir ein albernes Grinsen nicht verkneifen und nicke.
»Bin ihr schon begegnet«, bemerkt er. »War heute Abend etwas still, aber ein Hingucker. Werden wir Miss .«
»MacLaine.« Ich gebe ihm den Namen, auf den er aus ist. Er fragt aus rein beruflichem Interesse. Er kennt die Leute gern, die hier ein und aus gehen aber ich sehe, wie sich seine Augen unter den buschigen Augenbrauen ganz leicht weiten, als er begreift, wer mich da besucht.
»Werden wir Miss MacLaine in Zukunft häufiger sehen?«, fragt er gelassen. Das ist Percy - durch und durch professionell. Er ist diskret.
»Ich weiß nicht, wer von uns sie mehr mag: ich oder der Hund.«
»Wenn der Hund sie mag, ist sie ein guter Mensch«, merkt Percy an.
»Sie hat mich ihm vorgestellt.« Ich kraule Zeus hinter den Ohren.
»Ah, du hast die zwei also zusammengebracht, mein Junge?«, fragt Percy Zeus, der mit einem begeisterten Bellen antwortet.
»So ungefähr«, murmele ich. Der Hund hat uns tatsächlich zusammengebracht - wieder zusammengebracht.
»Nun, wir sehen uns morgen. Vielleicht ja auch Miss MacLaine, wenn sie wieder vorbeikommt. Meine Schicht ist zu Ende«, sagt Percy, als wir meine Etage erreichen. »Sie beide werden den Rest des Abends die Knöpfe selbst bedienen müssen, wenn Sie noch mal weggehen.«
Ich unterdrücke ein Lächeln. Percys altmodische Art hat etwas. Ich finde den konservativen Süden selten charmant, aber die Vorstellung, dass Percy sich darauf freut, meinen Damenbesuch zu unverfänglichen Zeiten zu mir zu befördern, ist so süß wie der Eistee bei Hennie's Hot Chicken. Wenn er wüsste, dass ich heute Nacht bei Adair alle möglichen Knöpfe drücken werde . »Ich glaube, das kriege ich hin.«
Sobald wir den Fahrstuhl verlassen, rast Zeus zur Wohnungstür. Wir freuen uns, dass sie da ist und auf uns wartet. Kaum sind wir in der Wohnung, bleiben wir allerdings abrupt stehen, weil uns eine unheimliche Stille begrüßt. Ich werfe meinen Schlüssel auf den Tresen, löse die Leine von Zeus' Halsband und sehe mich um. Alles ist an seinem Platz, aber alles fühlt sich falsch an.
»Adair?«, rufe ich. Zeus schiebt seine nasse Nase in meine Hand und jault, als er ihren Namen hört. Mir wird mulmig, doch ich sage mir, dass er nur ein Leckerli haben will. Das ist alles. Wenn ich mir überlege, wie ungeduldig ich auf unserem Spaziergang war - wie begierig darauf, zu der Frau in meinem Bett zurückzukommen -, kann ich es ihm nicht verübeln. Ich hole eins aus der Dose in der Küche und werfe es ihm hin.
Aber Zeus lässt es einfach liegen. Das ist der zweite Hinweis, dass etwas nicht stimmt. Stattdessen springt er jaulend und mit hängender Zunge in Richtung Schlafzimmer.
Panik erfasst mich, und ich kann mich nicht rühren. So ist das, wenn man ein Déjà-vu hat. Man bleibt wie angewurzelt stehen, bis die Angst einen zwingt, sich zu bewegen. Was ich jetzt tue, und zwar so ruhig wie möglich. »Lucky? Bist du da?«
Wahrscheinlich ist sie in der Dusche oder wieder eingeschlafen. Es gibt absolut keinen Grund zu vermuten, dass etwas nicht in Ordnung ist. Abgesehen von der stillen Wohnung und dem beunruhigten Hund - einem Hund, der sie genauso sehr liebt wie ich. Ich bin nicht so dumm zu glauben, dass wir uns ein Happy End verdient hätten. Es gibt Dinge, die sie nicht von mir weiß - Dinge, die ich ihr erzählen muss.
Als sie nur ein Name auf meiner Schwarzen Liste war, habe ich mir deshalb keine Sorgen gemacht. Aber jetzt?
Jetzt liegen die Dinge anders.
Jetzt steht sie auf einer anderen Liste. Einer, die ich für meine selbst gewählte Familie reserviert habe. Eine Liste von Menschen, für die ich sterben würde. Es ist eine erlesene Gruppe.
Ich bleibe in der Küche stehen, öffne einen Schrank und hole ganz hinten eine Glock heraus. Sie ist entsichert. Was erwartet mich in meinem Schlafzimmer?
Aber womit auch immer ich gerechnet habe, damit nicht. Das Schlafzimmer ist leer. In der Dusche läuft kein Wasser, auf dem Boden liegen keine Klamotten. Nirgends eine Spur von ihr, bis auf das ungemachte Bett, in dem ich sie vor zwanzig Minuten zurückgelassen habe, und ein Hauch von Magnolie, der noch in der Luft hängt. Ich will mir einreden, dass sie im Bad ist. Ich lasse die Waffe sinken, plötzlich weiß ich, dass ich allein bin. Das Zimmer fühlt sich kalt an, als wäre ihm jegliches Licht und jegliche Wärme entzogen worden. Sie ist nicht da. Ich spüre ihre Abwesenheit ebenso deutlich, wie ich es spüren würde, wenn sie da wäre. Etwas fehlt. Hier klafft eine große Lücke. Ohne es zu wissen, habe ich Platz für sie geschaffen, was ich erst jetzt bemerke, da sie weg ist.
Auf dem Bett ist noch der Abdruck ihres Körpers zu erkennen. Ich sehe, wo noch vor wenigen Minuten ihr Kopf auf dem Kissen gelegen hat. Einen beängstigenden Moment lang frage ich mich, ob jemand sie entführt hat. Ob ich sie in eine Welt mit hineingezogen habe, über die sie nichts weiß. Ob jemand sie gerade von seiner eigenen Liste streicht.
Dann bemerke ich, überall verteilt, herausgerissene Buchseiten.
Einzelne Schnipsel sind auf dem Bett verteilt, und der Anblick zerreißt mir das Herz. Ich muss nicht erst nachsehen, welches Buch sie auf den Nachttisch geworfen hat. Ich weiß, welches es ist. Natürlich wusste sie, wo ich es aufbewahre. Eine Hitzewelle steigt in mir auf, als ich einen herausgerissenen Satz entdecke, den sie dort zurückgelassen hat, wo sie lag, als ich gegangen bin.
So kämpfen wir weiter, wie Boote gegen den Strom, und unablässig treibt es uns zurück in die Vergangenheit.
Sie hat mein Lieblingsbuch zerrissen.
Sie hat mein Herz zerrissen.
Ich weiß nicht, was mich mehr verletzt.
Und ich weiß nicht, was es bedeutet. Als sie gestern hergekommen ist und Schutz vor ihrem Bruder gesucht hat, dachte ich, wir hätten einen großen Schritt getan. Den ersten Schritt hatte ich mit den Blumen und der Karte gemacht. Ich hatte uns einen Neustart ermöglicht. Ich hatte auf mein verdammtes Herz gehört anstatt auf meinen Kopf, und das habe ich nun davon: ein zerstörtes Buch und ein leeres Bett.
Sie hat den Satz aus einem bestimmten Grund ausgewählt. Weil es zu Ende ist? Weil es kein Happy End gibt? Nein.
In die Vergangenheit.
Es ist eine Nachricht. Wir können dem Strom nicht entkommen, die Brandung zieht uns immer wieder hinaus aufs Meer - jeder für sich, sind wir verloren und schaffen es unmöglich, wieder zueinanderzugelangen.
Es ist mir ernst, hatte ich auf die Karte geschrieben, die den Blumen beilag. Und es ist mir ernst mit ihr.
»Was zum Teufel soll das, Lucky?«, knurre ich. Zeus weicht zurück, und ich zwinge mich, tief durchzuatmen. Wenn ich schon ihm Angst mache, wie muss es ihr dann erst gehen? Ist sie deshalb weg? Habe ich etwas Falsches gesagt? Habe ich ihr Angst gemacht? Hat sie sich deshalb vor fünf Jahren von mir abgewandt?
Ich blicke auf die Waffe hinunter, die schwer in meiner Hand liegt, und begreife, dass sie in dem Fall klüger wäre, als ich dachte - und ich habe Adair immer für überaus intelligent gehalten. Ich sichere sie und schiebe die Waffe in den Bund meiner Hose. In diesen Räumen lauert abgesehen von mir selbst keine Gefahr. Ich hätte mich kommen sehen müssen.
Ich drehe mich um und reibe mir über den Nacken. Sie kann nicht weit sein. Bei dem Gedanken an mein Gespräch mit Percy komme ich mir jetzt dumm vor. Er sagte, sie habe still gewirkt. Er meinte, als sie gerade gegangen ist! Ich überlege, ob ich versuchen sollte, ihn vor dem Ende seiner Schicht zu erwischen. Vielleicht weiß er, wohin sie wollte. Dann könnte ich ihr folgen und eine Erklärung verlangen. Doch ich kenne Adair, ganz sicher hat sie ihm nichts verraten. Aber es ist nicht unmöglich, den auffälligen Roadster selbst in den vollen Straßen von Nashville zu entdecken. Ich werde ihr beweisen, was ich ihr vor fünf Jahren hätte beweisen sollen.
Ich greife nach meinem Telefon und will es gerade in die Hosentasche schieben, als auf dem Sperrbildschirm eine Nachricht aufleuchtet. Als ich Suttons Namen sehe, fallen augenblicklich alle Puzzleteile an ihren Platz. Auf Adair muss meine Unterhaltung mit Sutton ziemlich anders gewirkt haben. Sie wusste nicht, dass es nur Spaß war. Vollkommen harmlos.
Weil sie nicht weiß, dass Sutton meine Schwester ist, und das ist meine Schuld. Ich entscheide, was ich Adair von mir und meinem Leben erzähle. Das war schon immer so. Warum habe ich ihr also so gedankenlos mein Telefon überlassen?
»Fuck!« Mein Telefon kracht gegen die Wand und fällt mit einem lauten Scheppern auf den Boden, ehe mir überhaupt bewusst wird, dass ich es geworfen habe. Was zum Teufel habe ich mir nur dabei gedacht? Es gibt ein Dutzend Personen, von denen sie keine Nachrichten sehen sollte, und ich habe ihr mein Telefon...
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