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In allem, was Freud geschrieben hat, gibt es für mich nichts Schöneres als seine Behauptung, Künstler würden ihre Werke schaffen, weil es sie dränge, »Ehre, Macht, Reichtum, Ruhm und die Liebe der Frauen« zu erwerben. Es ist eine so beruhigende, so umfassende Aussage; sie sagt alles über den Künstler. Und manche Künstler sind sich sogar mit ihm einig. Ernest Hemingway zum Beispiel; wenigstens hat er behauptet, er schreibe des Geldes wegen, und als geehrter, mächtiger, reicher, berühmter Autor, der von den Frauen geliebt wurde, musste er es ja wissen.
Weniger abwegig ist meines Erachtens eine andere Äußerung darüber, wonach Künstler streben; die ersten beiden Strophen lauten:
Reichtümer schätze ich gering,
Der Liebe lach ich Hohn,
Und wie ein Traumgespinst verging
Die Ruhmsucht zeitig schon.
Ein einziges Gebet bewegt
von selbst die Lippen mir:
»O lass das Herz, wie's in mir schlägt,
Und gib mir Freiheit hier!«
Diese Zeilen hat Emily Brontë mit zweiundzwanzig Jahren geschrieben. Sie war eine junge, unerfahrene Frau, weder geehrt noch reich noch mächtig noch berühmt, und für die Liebe (von Frauen oder sonst wem) hatte sie gar nichts übrig. Trotzdem meine ich, dass sie weit eher als Freud befugt war, sich darüber zu äußern, was einen Künstler motiviert. Er hatte eine Theorie. Aber sie sprach aus Erfahrung.
Für etwas so Komplexes, Uraltes und Vielseitiges wie Kunst einen einzigen Antrieb ausmachen zu wollen dürfte sinnlos, wenn nicht widersinnig sein. Für mich ist Brontë dem mit ihrem Wort »Freiheit« allemal nahe genug gekommen.
Demnach ist das Streben nach Kunst, auf Seiten des Künstlers wie des Publikums, ein Streben nach Freiheit. Wenn man dem folgt, ist es unmittelbar einzusehen, warum wirklich ernsthafte Menschen die Künste ablehnen, beargwöhnen und als »Eskapismus« verwerfen. Der gefangene Soldat, der sich einen Tunnel aus dem Kerker gräbt, der entlaufene Sklave und Solschenizyn im Exil sind Eskapisten. Oder nicht? Brontës Definition hilft jedoch außerdem zu erklären, weshalb alle gesunden Kinder singen, tanzen, malen und mit Sprache spielen können; weshalb Kunst zunehmend zu einem wichtigen Element der Psychotherapie wird; weshalb Winston Churchill gemalt hat, weshalb Mütter Wiegenlieder singen und worin Platons Staat irrt. Sie ist wahrlich weit brauchbarer als die von Freud, wenn auch nicht annähernd so lustig.
Was Freud in diesem Zusammenhang unter »Macht« versteht, erschließt sich mir nicht ganz. Vielleicht ist es bedeutsam, dass Brontë sie nicht erwähnt. Shelley tut es indirekt: »Dichter sind die geheimen Gesetzgeber der Welt.« Das ist vielleicht nicht allzu weit von dem entfernt, was Freud im Sinn hatte, denn ich bezweifle, dass es die unmittelbare, freudvolle Macht des Künstlers über seinen Stoff war - die formende Hand, des Tänzers Sprung, die Macht des Romanschriftstellers über das Leben und Sterben seiner Figuren; was er vielmehr gemeint haben wird, ist die Macht der Idee, andere Menschen zu beeinflussen.
Der Wunsch nach Macht in der Bedeutung von >Macht über andere< ist das, was die meisten Menschen vom Pfad des Freiheitsstrebens abbringt. Dass Brontë sie nicht erwähnt, hat vermutlich den Grund, dass sie für Emily nicht die geringste Versuchung darstellte, anders etwa als für ihre Schwester Charlotte. Emily interessierte sich null für die Moral anderer Leute. Dieser Versuchung erliegen allerdings viele Künstler, insbesondere Künstler des Wortes, die ihre Ideen in ihren Werken ja buchstäblich zur Sprache bringen müssen. Ihnen geht auf, dass sie anderen Gutes tun können. Dann vergessen sie die Freiheit und verfallen, statt in göttlicher oder Shelley'scher Anmaßung Gesetze zu erlassen, dem Predigen.
In dieser Geschichte, Das Wort für Welt ist Wald, die als reines Streben nach Freiheit und Traum begann, bin ich, teilweise, der Lockung der Kanzel erlegen - eine sehr starke Verlockung für Science-Fiction-Autoren, die unmittelbarer als die meisten Romanautoren mit Ideen arbeiten, deren Metaphern durch Ideen motiviert sind oder sie verkörpern und die deshalb ständig in Gefahr sind, Ideen und Meinungen unauflöslich miteinander zu verquicken.
The Little Green Men (der erste Lektor, Harlan Ellison, hat, mit meiner eher widerstrebenden Erlaubnis, den Titel geändert) ist im Winter des Jahres 1968 entstanden, während eines einjährigen Aufenthalts in London. Ich hatte mich vom Anfang der Sechzigerjahre an in meiner US-amerikanischen Heimatstadt an der Organisation und Durchführung gewaltfreier Demonstrationen beteiligt, zuerst gegen Atombombentests, dann gegen das Engagement der USA im Vietnamkrieg. Ich weiß nicht, wie oft ich, mit dem Gefühl von Vergeblichkeit, tumb und halsstarrig zusammen mit zehn, zwanzig oder hundert anderen tumben, halsstarrigen Seelen im Regen durch die Alder Street marschiert bin. Wir wurden jedes Mal fotografiert, nicht von der Presse, sondern von seltsam aussehenden Menschen mit billigen Kameras: Leute von der John Birch Society? Vom FBI? Der CIA? Verrückte? Keine Ahnung. Ich grinste ihnen immer zu oder streckte die Zunge heraus. Einmal brachte einer meiner zornigeren Freunde eine Kamera mit und fotografierte die Fotografen. Aber es gab immerhin eine Friedensbewegung, und ich war dabei; ich hatte eine Möglichkeit, zu handeln und meine ethischen und politischen Ansichten zum Ausdruck zu bringen, die von meinem Schreiben völlig losgelöst war.
Während des Jahres in England, als Gast und Ausländerin, hatte ich kein solches Ventil. Und 1968 war ein bitteres Jahr für alle Kriegsgegner. Das Lügen und Heucheln vervielfachte sich; und ebenso das Töten. Außerdem wurde deutlich, dass es sich bei der Ethik, die das Entlauben von Wäldern und Grünflächen und die Ermordung von Zivilisten im Namen des »Friedens« billigte, nur um eine logische Konsequenz aus jener Ethik handelte, die es gestattet, natürliche Ressourcen zum Zweck persönlicher Bereicherung oder der Mehrung des Bruttosozialprodukts zu plündern und die Geschöpfe dieser Erde im Namen des »Menschen« zu töten. Der Sieg der Ausbeutungsethik, in allen Gesellschaften, erschien so unvermeidlich wie verhängnisvoll.
Dieser von mir verinnerlichte Druck bildet den Bodensatz dieser Geschichte: Sie brach sich gleichsam gegen meinen bewussten Widerstand Bahn. Dass mir noch nie eine Geschichte leichter, flüssiger aus der Feder geflossen ist - aber auch beim Schreiben noch nie weniger Freude bereitet hat -, habe ich bereits anderswo erzählt.
Mir war, wegen der zwingenden Logik, der sie folgt, klar, dass sie vermutlich zu einer Predigt geraten würde, und ich kämpfte dagegen an. Man sage nie, es lohne nicht zu kämpfen. Weder Lyubov noch Selver stellen einen bloßen Triumph der Tugend dar; zumindest diese beiden Figuren haben ihre moralische und psychologische Komplexität bewahrt. Davidson allerdings ist, wenn auch nicht unkomplex, rein; er ist ausschließlich böse - auch wenn ich nicht wissentlich daran glaube, dass es ausschließlich böse Menschen gibt. Aber mein Unbewusstes ist anderer Meinung. Es hat in sich hineingeschaut und aus dem, was es dort fand, Captain Davidson geschaffen. Ich verleugne ihn nicht.
Die US-amerikanische Einmischung in Vietnam ist vorbei; der unmittelbar unaushaltbare Druck hat sich verschoben, deshalb treten die moralisierenden Aspekte der Geschichte heute deutlich zutage. Sie sind mir unangenehm, aber ich verleugne auch sie nicht. Das Werk muss damit stehen oder fallen, wie viel es noch von der Sehnsucht enthält, die all der konkreten Empörung zugrunde liegt; und damit, inwieweit es ihm, Zorn und Verzweiflung zum Trotz, gelingt, sich nach Gerechtigkeit, Geist, Gnade und Freiheit zu strecken.
Vor ein paar Jahren, nicht lange nach der Erstveröffentlichung von Das Wort für Welt ist Wald, hatte ich das große Vergnügen, Dr. Charles Tart kennenzulernen, einen Psychologen, der für seine Erkenntnisse über veränderte Bewusstseinszustände bekannt ist und diese in Altered States of Consciousness beschrieben hat. Er fragte mich, ob ich mir für die Athscheaner in meinem Buch das Volk der Senoi in Malaysia zum Vorbild genommen hätte. Wen?, fragte ich, und daraufhin erzählte er mir von ihnen. Die Senoi sind oder waren ein Volk mit einer Kultur, in der das Träumen und der Umgang mit Träumen so sehr zum Leben gehören, dass es eigens eine Ausbildung dafür gibt. Dr. Tarts Buch enthält einen kurzen, von Kilton Stewart verfassten Artikel über diese Menschen.[1]
In einem Haus der Senoi geht es beim Frühstück zu wie in einer Traumklinik; der Vater und die älteren Brüder hören sich die Träume der Kinder an und analysieren sie .
Wenn ein Kind der Senoi von einem Falltraum berichtet, reagiert der Erwachsene mit Freude: »Das ist ein wunderbarer Traum, einer der besten, die ein Mensch haben kann. Wohin bist du gefallen, und was hast du entdeckt?«
Bei den Senoi tragen Träume Bedeutung, sie sind aktiv und schöpferisch. Erwachsene treten willentlich in Träume ein, um zwischenmenschliche und interkulturelle Konflikte zu lösen. Sie bringen aus ihren Träumen ein neues Lied oder Werkzeug, einen neuen Tanz oder eine neue Idee mit. Wach- und Traumzustand sind gleichwertig und wirken...
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