Schweitzer Fachinformationen
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Der Anfang war gemacht. Zufrieden blickte Melanie sich um. Die Möbel waren mit weißen Leinentüchern verhüllt, alle Lampen und elektrischen Geräte waren ausgesteckt und der Kühlschrank einen Spalt geöffnet. Im ganzen Raum roch es nach Putzmitteln und frischer Wäsche. Der Duft des Weichspülers kam von den Laken, Bettzeug und Handtücher hatte sie schon im Haupthaus verstaut.
Melanie drehte die Sicherungen heraus, schnappte sich den Eimer und öffnete die Tür. Fröstelnd stieg sie in die Gummistiefel, die sie davor ausgezogen hatte. Sie fühlten sich klamm und unbehaglich an, trotz ihrer dicken Strümpfe.
Das rote Holzhaus stand auf Pfählen, sodass man von der umlaufenden Veranda einen wundervollen Blick bis hin zur Ostsee hatte. Zugegeben, zurzeit war er nicht ganz so berauschend. Graue Wolken schwebten so tief über dem Meer, dass man das Gefühl hatte, sie wollten einen erdrücken.
Schnell ging Mel um das Haus herum und schloss die weißen Fensterläden. Haus Seestern war nun bereit für den Winterschlaf. Seufzend sah sie zu den anderen Häusern. Wie Muscheln lagen sie verstreut am Rand der Düne. Die Stelzenhäuser waren alle etwas unterschiedlich in ihrer Größe und Bauweise, aber alle zierte eine rote Holzfassade und weiße Fensterläden.
Sven und Melanie hatten beschlossen, nur drei der fünf Ferienwohnungen in den Winterschlaf zu versetzen. In den letzten Jahren waren sie immer wieder überrascht gewesen, dass Menschen auch im tiefsten Winter Urlaub an der Ostsee machen wollten. Melanie selbst konnte diesen grauen und düsteren Tagen durchaus etwas abgewinnen, aber damit stand sie in ihrer Familie allein da.
Auf dem Weg zum Gutshaus konzentrierte sie sich auf den Anbau daneben. Ellas kleiner Fiat stand noch davor, aber Mel konnte nicht erkennen, ob die junge Frau sich in ihrer Wohnung aufhielt. Sie war immer noch wie vor den Kopf geschlagen. Ella arbeitete jetzt seit einem Jahr bei ihnen. Sie war damals die Einzige gewesen, die auf ihre Stellenanzeige reagiert hatte. Und sie hatte sich vom ersten Tag an als Glücksgriff erwiesen, zupackend und immer gut gelaunt. Ella hatte ehrgeizige Pläne gehabt - drei Jahre arbeiten und sparen und dann studieren. Umso verblüffter war Melanie gewesen, heute Morgen ein Kündigungsschreiben von ihr in die Hand gedrückt zu bekommen.
»Ich will nicht darüber sprechen, ich muss nach Hause.« Mehr hatte sie ihr nicht entlocken können.
Kurz verharrte Melanie an der massiven Holztür, die in ihr Heim führte. Vielleicht sollte sie noch einmal mit ihr reden? Nein. Entschlossen drückte sie die schwere Tür auf und ging ins Haus. Ella hatte ihr eindeutig zu verstehen gegeben, dass sie keine weitere Einmischung wünschte. Daran würde Mel sich halten.
In der Küche blubberte die Bolognese vor sich hin. Der Duft von Rosmarin und Thymian lag in der Luft. Kim und Arne, ihre Kinder, liebten dieses Gericht. Sven hingegen fand es zu gewöhnlich. Seitdem er sein eigenes Maklerbüro eröffnet hatte, war er ziemlich anspruchsvoll geworden. Melanie rührte die Soße um und sah auf die Uhr. Mit den Nudeln konnte sie sich noch etwas Zeit lassen. Sie war versucht, auf den Stundenplan ihrer Tochter am Kühlschrank zu sehen, aber sie wusste, dass sie sich das schenken konnte. Kim war jetzt im letzten Jahr und steuerte auf ihr Abi zu, da gab es immer zusätzliche Kurse, oder sie traf sich mit ihren Freundinnen. So wie wir früher, ging es Mel durch den Kopf. Sie waren ein unschlagbares Quartett gewesen. Gerade als sie an die Mädels dachte, kündigte ihr Handy eine neue Nachricht an.
44ever
Sarah
Hilfe, ist es bei euch auch so scheußlich? Hier in London hat man das Gefühl, dass die Apokalypse begonnen hat.
Mel
Ich weiß, ich bin die Einzige, aber ich finde selbst dieses Wetter hat was. Heute sah die Ostsee aus, als ob jemand das Meer in einer düsteren Schwarz-Weiß-Fotografie eingefangen hätte. Bleigraue Wolken, wie eingefroren, und das Wasser hat mich an schillerndes Quecksilber erinnert.
Sie schickte die Nachricht ab. Plötzlich wurde die Haustür aufgerissen und Kim stürmte in den Raum. Ihre Tochter kam ihr immer wie ein Fohlen vor, schon groß, aber noch ziemlich ungelenk.
»Heute keine Extrastunden?«, begrüßte sie ihre Älteste.
»Nein, ich muss unbedingt fernsehen.«
»Jetzt?«, fragte Mel erstaunt. Normalerweise interessierte sich Kim nicht für so altmodische Sachen wie fernsehen. Ihr Leben fand komplett im Internet statt. Okay, als Achtzehnjährige würde sie selbst sich heutzutage sicher auch so verhalten. Ihr fünfzehnjähriger Sohn war genauso mit seinem Smartphone verwachsen wie Kim. Nicht, dass Mel die digitale Welt gänzlich fremd gewesen wäre, schließlich war der Chat mit ihren Freundinnen ihr Zufluchtsort und ihre fast einzige Verbindung zu ihnen - wenn man von den wenigen Telefonaten und den noch selteneren Treffen absah -, aber abgesehen davon bewegte sie sich lieber in der realen Welt.
»Warum willst du fernsehen?«, fragte sie.
»Heute zeigen sie einen Beitrag über die Drehtage von Lieber spät als nie, die hier stattgefunden haben. Du weißt schon, der Film, bei dessen Dreh ich dabei war.«
Izzy hatte es möglich gemacht, dass Mels Tochter eine Woche ein Praktikum bei einem Spielfilm machen durfte. Manchmal hatte es doch sein Gutes, wenn man mit einer der bekanntesten Schauspielerinnen des Landes zur Schule gegangen und noch immer befreundet war. Das Team hatte für einige Tage ganz in der Nähe gedreht. Es war ein großes Abenteuer für Kim gewesen, seitdem sprach sie nur noch davon, auch irgendwann mal zum Film zu gehen. Melanie hatte es leider nie ans Set geschafft, denn der Spätsommer war eine der geschäftigsten Zeiten auf dem ehemaligen Gutshof. Dabei hätte sie Izzy so gerne auch mal wiedergesehen.
Kim schmiss sich aufs Sofa und suchte nach der Fernbedienung.
»Kannst du gleich den Tisch decken?«, fragte Melanie und ging in die Küche. Sie rührte erneut die Soße um und schmeckte sie ab. Ihr Magen knurrte und ihr fiel auf, dass sie heute nicht gefrühstückt hatte. Die Kündigung von Ella hatte sie vollkommen aus dem Konzept gebracht. Würde sie heute mit ihnen essen, so wie sonst?
Anscheinend hatte Kim die Fernbedienung gefunden, denn es ertönte die bekannte Einführungsmelodie einer Klatschsendung. Melanie trat in den Wohnraum. Manchmal bedauerte sie ja die Promis, die hier durch den Kakao gezogen wurden. Es gab ein paar Berichte über amerikanische Stars und Sternchen, und dann kam Izzy. Natürlich wurde sie mit ihrem vollen Namen angekündigt, die Kurzform benutzten nur ihre Freundinnen. Wow, anscheinend befand sie sich gerade auf Hawaii. Tolle Bilder der atemberaubenden Landschaft waren dem Bericht vorangestellt. Schroff abfallende Klippen, Surfer, die auf glitzernden Wellen ritten, und hohe Vulkane mit unfassbar grünen Hängen. So muss es im Paradies aussehen, ging es Mel durch den Kopf. Angelehnt an einen gut aussehenden jungen Mann, der auch ihr Sohn hätte sein können, strahlte Izzy fröhlich in die Kameras. Die tropischen Palmen, das türkis leuchtende Meer mit den sagenhaften Wellen - Mel seufzte. Angesichts dieser Bilder kam ihr die Ostsee gleich doppelt so grau vor. Was hatte Izzy doch für ein herrliches Leben, während sie selbst in dieser Eintönigkeit hier festsaß. Sogar in diesem Fernsehbeitrag war Izzys Präsenz beeindruckend, Mel verstand sofort, warum sie es so weit nach oben geschafft hatte. Aber wie bekam Izzy es nur hin, so unglaublich dünn zu bleiben? Aß sie überhaupt noch etwas? Unwillkürlich fasste Mel sich an ihren eigenen Bauch.
Kim hatte anscheinend ganz andere Sorgen. Sie saß kerzengerade auf dem Sofa und starrte den Bildschirm an. »Das kann nicht sein, nein«, murmelte sie. »Diese blöde Kuh ist viel zu alt für ihn.«
»Moment«, stoppte Mel ihre Tochter.
Kim sah sie zornig an, aber Mel ließ sich nicht beirren.
»Sie spielen doch nur.« Sie wusste aus den Erzählungen ihrer Tochter, dass es eine Liebesgeschichte zwischen einem sehr jungen Mann und einer Vierzigjährigen war.
»Sieh dir doch an, wie sie sich an ihn schmiegt. Die haben gerade gesagt, dass da wahrscheinlich das neueste Traumpaar zu sehen ist. Dabei hat er mir geschworen, dass er mich liebt«, sprudelte es aus Kim heraus.
»Wie bitte? Er liebt dich? Wann hat er das denn gesagt?« Mel besah sich den Burschen auf dem Bildschirm genauer. Ein typischer Sonnyboy, gut gebaut, jung, mit einem offenen Lächeln.
»Na, als wir miteinander im Bett waren. Da hat er mir gesagt, dass er noch nie zuvor so viel für eine Frau empfunden hätte.«
»Als ihr was .?« Mel verschlug es die Sprache.
Kim platzte immer mit allem einfach heraus. Manchmal wünschte sich Mel, dass sie ihr nicht alles auf diese unverblümte Weise erzählen würde. Ihr Verhältnis war harmonisch, aber Kim war so ganz anders, als sie es in dem Alter gewesen war. Obwohl? Sie ließ sich neben ihre Tochter aufs Sofa sinken. Plötzlich kam ihr ein entsetzlicher Gedanke. »Aber du bist nicht schwanger?«
»Ich bin doch nicht so blöd wie Ella«, antwortete Kim ihr trocken, doch ihr Kinn zitterte unmerklich.
Die unglaubliche Erleichterung, die Mel bei dieser Antwort durchflutete, wurde schnell von einem neuen Gedanken abgelöst.
»Wieso schläfst du mit einem Typ, den du gar nicht kennst?«, fragte sie entrüstet, während es in ihrem Kopf arbeitete.
»Ich liebe ihn und er mich auch«, sagte Kim trotzig. »Schau dir das an, wie Isabella sich an ihn ranschmeißt. Ich fasse es nicht! Sie ist doch viel zu alt für ihn.« Wütend stand...
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