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1 Sexualisierte Gewalt
Was ist sexualisierte Gewalt?
Wann handelt es sich um sexualisierte Gewalt? Welche Formen gibt es? Und in welchen Kontexten wird sexualisierte Gewalt ausgeübt?
Wo beginnt sexualisierte Gewalt? Und wer entscheidet, ob etwas gewaltvoll ist? Die Grundregel ist: Du als Betroffene:r entscheidest, ob sich etwas als grenzüberschreitend und gewaltvoll anfühlt. Gewalt beginnt nicht erst da, wo es für andere von aussen «erkennbar» scheint. Gleichzeitig ist es möglich, dass es den Blick und das Wissen anderer braucht, um selbst etwas als Gewalt einzuordnen und anzuerkennen. Denn nicht immer ist es uns möglich, Grenzüberschreitungen und gewaltvolle Handlungen als solche zu sehen und auch zu spüren: Sei es, weil wir es nicht wahrhaben wollen. Oder auch, weil wir uns daran gewöhnt haben.
Breite Definition von sexualisierter Gewalt
Wir definieren sexualisierte Gewalt als alle unerwünschten Handlungen, die ein Eingriff in deine sexuelle Selbstbestimmung sind und deine sexuelle Integrität (Unversehrtheit) verletzen. Es handelt sich um unerwünschte sexuelle Handlungen und Handlungen, die einen Bezug zu deiner Sexualität haben.
Wir arbeiten mit dieser breiten Definition von sexualisierter Gewalt, um möglichst alle unterschiedlichen Erfahrungen abzudecken. Nicht alle dieser Handlungen sind durch das Strafgesetz abgedeckt, denn das Recht ist immer einen Schritt hinter der gesellschaftlichen Realität zurück. Diese Definition entspricht auch nicht dem juristischen Begriff von sexueller Gewalt, der nur bestimmte Formen von sexualisierter Gewalt (wie Vergewaltigung, sexueller Übergriff und Nötigung) abdeckt und diese von anderen Formen wie Belästigung abgrenzt. Wir machen diese Unterscheidung nicht, sondern benennen alle Formen von sexualisierten Grenzüberschreitungen als Gewalt (Genaueres zur aktuellen juristischen Regelung siehe Kapitel 8, «Strafverfolgung», Seite 175).
Wann ist eine Handlung sexualisiert?
Der sexuelle Bezug kann sich daraus ergeben, dass
Es ist möglich, dass eine Handlung von der ausübenden Person nicht als sexualisierte Handlung eingestuft wird - es sich für die betroffene Person jedoch sexualisiert gewaltvoll anfühlt. Zum Beispiel bei medizinischen Handlungen an bestimmten Körperteilen: So kann es sein, dass medizinische Untersuchungen und Eingriffe als gewaltvoll erfahren werden. Sei es, weil die betroffene Person nicht vollumfänglich über die medizinischen Handlungen informiert wurde, ihr Einverständnis nicht eingeholt wurde oder aufgrund der Art und Weise der Durchführung.
Zusätzlich kann sexualisierte Gewalt Feindlichkeiten aufgrund von spezifischen Persönlichkeitsmerkmalen umfassen, so kann sie beispielsweise Aspekte von Dicken-, Bi+-, Schwulen- oder Lesbenfeindlichkeit, Rassismus oder Behindertenfeindlichkeit aufweisen. Nehmen wir das Beispiel einer trans Person, die sexualisierte Gewalt erfahren hat: Bei dieser Gewalterfahrung kann die Transfeindlichkeit die sexualisierte Komponente überwiegen (sexualisierte Transfeindlichkeit). Es ist aber auch möglich, dass dieselbe Tat sich in erster Linie als sexualisierte Gewalt anfühlt (transfeindliche sexualisierte Gewalt). Dieses Überwiegen der einen oder anderen Komponente kann sich verändern und ist nicht für jede Person und für jede Erfahrung gleich.
Sexualisierte Gewalt kann von Einzelpersonen oder von mehreren Personen gemeinsam ausgeübt werden. Bei mehreren Personen können die Einzelnen unterschiedliche Rollen einnehmen und beispielsweise selbst nicht aktiv tätlich werden, jedoch als Anstiftende oder Bystander (Zuschauende) eine Rolle einnehmen, die Gewalt ermöglicht. Auch das kann strafbar sein.
Formen von sexualisierter Gewalt
Wir zeigen verschiedene Formen von sexualisierter Gewalt auf. Dabei orientieren wir uns nicht einzig am Strafrecht, denn nicht jede dieser Formen wird zurzeit explizit als Straftat erfasst. Zudem kann es sein, dass die fachlichen und juristischen Begriffe nicht dieselben sind (zum Strafrecht siehe Seite 180). Es ist uns auch wichtig, anzumerken, dass wir die verschiedenen Formen von sexualisierter Gewalt grundsätzlich nicht hierarchisieren. Wie schlimm oder folgenschwer eine Gewalterfahrung für eine Person ist, kann nur die Person selbst sagen.
Sexualisierte Belästigung - ein Sammelbegriff
Sexualisierte Belästigung ist ein Begriff, der unterschiedliche Handlungen beschreibt. Belästigungen können mit körperlichen Berührungen, Worten, Blicken, Gesten oder Geräuschen ausgeübt werden oder aus Bild, Ton oder Text bestehen. Sie können überall ausgeübt werden, in der Öffentlichkeit, am Arbeitsplatz, in der Ausbildung, im Privaten, in der Freizeit, im digitalen Raum. Dies ist eine nicht abschliessende Liste möglicher Formen von sexualisierter Belästigung:
Sexuelle Übergriffe und Nötigung - ein Sammelbegriff
Sexueller Übergriff und sexuelle Nötigung sind ebenfalls als juristische Sammelbegriffe zu verstehen, unter denen unterschiedliche Formen sexualisierter Gewalt zusammengefasst werden. Grundsätzlich handelt es sich um erzwungene oder aufgezwungene sexualisierte Handlungen, die als intensiver und schwerwiegender eingestuft werden als sexualisierte Belästigungen, aber kein Eindringen in eine Körperöffnung beinhalten (das wäre dann Vergewaltigung). Die Grenzen zwischen sexualisierter Belästigung, sexueller Nötigung und sexuellem Übergriff sind nicht immer eindeutig zu ziehen. Beispiel: Während das nicht einvernehmliche und ganz kurze sexualisierte Berühren über der Kleidung in der Regel juristisch als sexuelle Belästigung eingeordnet wird, ist das kurze nicht einvernehmliche sexualisierte Berühren unter der Kleidung sexuelle Nötigung. Gleichzeitig kann eine absichtliche und längere Berührung über der Kleidung wiederum auch schon sexuelle Nötigung sein.
Vergewaltigung
Unter einer Vergewaltigung wird grundsätzlich das Eindringen in Körperöffnungen (Genital, Anus und Mund) durch Genital, Finger oder Gegenstand oder das Umschliessen eines Genitals (durch Fellatio oder Circlusion) verstanden. Die juristische Definition war in der Schweiz bei den Fällen bis zum 31. Juni 2024 noch auf ein Penis-in-Vagina-Eindringen beschränkt (zum Strafrecht siehe Seite 180).
Spiking
Beim sogenannten Spiking wird Menschen ohne ihr Wissen eine Substanz verabreicht. Dies kann ein Betäubungs- oder Beruhigungsmittel sein. Ziel ist es, die Person bewusstlos oder reaktionsunfähig zu machen und beispielsweise sexualisierte Gewalt auszuüben. Beim Needle Spiking geschieht dies mittels einer Spritze, während beim Drink Spiking das Pulver oder die Flüssigkeit einem Getränk beigemischt wird (siehe auch K.O.-Tropfen, Seite 116).
Stealthing
In der Schweiz wird Stealthing bisher so definiert: Eine Person verwendet gegen den Willen der anderen Person kein Kondom. In anderen Ländern wird auch das Nichtverwenden von Dental Dams und anderen Barrieren entgegen dem Willen der anderen Person als Stealthing verstanden.
Revenge Porn & Deep Fakes
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