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5. Oktober 1851
Alverton House, Mayfair
Ich muss gehen. Lord Devlin Cader, Siebter Earl of Alverton, ruhte ermattet im Bett seiner Frau, und die Befriedigung lag wie eine warme, von den Nachwirkungen der Sinnesfreuden gesättigte Decke schwer über seinen Gliedern.
Er wollte sich nicht rühren, weder jetzt noch sonst irgendwann. Aber .
Seine Instinkte ließen sich von dem warmen Körper seiner Frau einlullen, die neben ihm ausgestreckt schlief, und insgeheim war er - ganz egoistisch - davon überzeugt, dass nichts dagegensprach, dort zu bleiben, wo er war, und die Dinge einfach ihren Lauf nehmen zu lassen.
Doch obwohl er schlaff und unbeweglich dalag, war sein Verstand bereits zum Leben erwacht, angetrieben von der Erkenntnis, dass es aufgrund seiner gestrigen unklugen und impulsiven Worte durchaus geboten war, die nächsten Schritte zu planen. Rational zu denken, war jedoch so gut wie unmöglich, wenn er neben Therese lag und der Duft ihres Parfüms, der von ihrem Haar und ihrer warmen Haut aufstieg, seine Sinne umhüllte.
Außerdem wäre sie überrascht, wenn sie erwachte und ihn bei Sonnenaufgang immer noch neben sich vorfand. Sie würde ihm Fragen stellen, auf die er keine rechte Antwort wusste.
Wie hätte er sagen oder erklären sollen, dass er in den letzten fünf Jahren an ihr und allen anderen etwas praktiziert hatte, was man als ultimative Täuschung bezeichnen könnte? Dabei hatte er nicht etwa vorgetäuscht, sie zu lieben, sondern vielmehr alle - sie eingeschlossen - glauben machen, dass er sie nicht liebte, obwohl er es tat.
Diese Herausforderung und die Erkenntnis, dass er nicht wusste, wie er darauf reagieren sollte, brachten ihn dazu, von ihr wegzurücken. Zum Glück schlief sie tief und fest.
Er drehte sich auf den Rücken und starrte zu dem dunklen Baldachin des Himmelbetts hinauf, ohne etwas zu sehen. Die Worte, die sie und er gestern Nachmittag beim Hochzeitsbrunch ihres ältesten Bruders gewechselt hatten, klangen noch deutlich in seinen Ohren nach.
»Ich fühle so sehr mit dem lieben Christopher. Ich hatte schon fast die Hoffnung aufgegeben, dass er jemals so vernünftig sein würde, eine Lady wie Ellen zu seiner Braut zu erwählen. Dass er die Möglichkeiten, die Aussichten nicht erkennen würde, selbst wenn sie vor ihm stünden und sich ihm aufdrängten, so wie es nun, wie ich vermute, tatsächlich geschehen ist.«
Es waren weniger die Worte als vielmehr ihr selbstgefälliger Tonfall und die tiefe Genugtuung in ihrem darauffolgenden Seufzer, die ihn unerwartet hart getroffen und zu einer unklugen Erwiderung veranlasst hatten: »Vielleicht hat dein lieber Christopher endlich die Augen aufgemacht und ist meinem Beispiel gefolgt.«
Er hatte sich sofort auf die lose Zunge gebissen, aber da war es natürlich schon zu spät.
Sie war verstimmt gewesen und hatte ihn zurechtweisen wollen, indem sie ihn daran erinnerte, dass sie ihn, wie jedermann wusste, zum Altar hatte zerren müssen. Jedenfalls glaubte sie das immer noch.
Er hätte sie beschwichtigen können, indem er ihr lächelnd zustimmte und seinen Fauxpas auf ein unzureichendes Erinnerungsvermögen zurückführte. Das hätte sie erwartet und einen solchen Rückzug nur mit einem hochmütigen Schnauben quittiert. Aber er hatte hinter dem fast spiegelnden Silberblau ihrer bemerkenswerten Augen eine Art von Schmerz erkannt und es sich nicht verkneifen können, darauf zu reagieren.
»Hoppla.«
Es war ein so kleines, unbedeutendes, ja sogar unsinniges Wort. Doch im Kontext seines leicht spöttischen Tonfalls und ihres Charakters war es einer Herausforderung gleichgekommen. Sie würde nachfragen und hartnäckig nachforschen, was er meinte, bis sie alles aufgedeckt und sich davon überzeugt hatte, dass sie ihn wirklich verstand. Ihn und ihre Ehe.
Er war zuversichtlich, dass dieser Köder ihr Interesse unbeirrbar auf ihn lenken und es ihm erlauben würde, sie Schritt für Schritt und mit Bedacht weiter zu führen, bis sie all das aufdeckte, was er verborgen gehalten hatte. Sie würde eher dem vertrauen, was sie selbst herausfand, als ihm, wenn er versuchte, sie davon zu überzeugen.
Jedenfalls hatte er sich das alles so zurechtgelegt, wenn auch erst im Nachhinein.
Als er die gestrigen Ereignisse noch einmal Revue passieren ließ, wurde ihm klar, dass ihre Bemerkung, Christopher habe den Verstand und den Mut aufgebracht, sich zur Liebe zu bekennen, als er sie gefunden hatte, nur der letzte Anstoß gewesen war, der ihn, Devlin, über die Kante des Abgrunds stieß, an dem er bereits wankte. Therese war die Erste ihrer Generation von Cynsters gewesen, die heiratete, und folglich hatten sie beide in den darauffolgenden Jahren eine ganze Reihe von Cynster-Hochzeiten überall im Land besucht. Therese und er gehörten nun zu einer Gruppe von Paaren, die sich regelmäßig bei Familienfeiern wie der Hochzeit von Christopher und Ellen trafen. Als er mit seiner Scharade begann, hatte er nicht geahnt, welche Auswirkungen es auf ihn haben würde, von Paaren umgeben zu sein, die in einer auf offen eingestandener Liebe basierenden Ehe vereint waren, geschweige denn, dass es seine Vorstellung davon ändern würde, was er sich von seiner Ehe mit Therese wünschte.
Mehr als alles andere hatte ihm die Betrachtung der aktuellen Cynster-Ehen im Vergleich mit denen der älteren Generation vor Augen geführt, dass er mit Therese auf dieselbe Weise alt werden wollte - in einer offen bekundeten Liebesbeziehung. In einer Ehe, die auch offiziell auf gegenseitiger Liebe beruhte.
Obwohl sich sein Sinneswandel schon vor dem gestrigen Tag vollzogen hatte, hatte er noch nicht endgültig entschieden, wie er Thereses Einschätzung ihrer Ehe korrigieren wollte. Monatelang war er unschlüssig gewesen, doch gestern Nachmittag schließlich hatte sein rücksichtsloses inneres Ich, das immer ungeduldiger wurde, die Gelegenheit ergriffen und seine Zunge geführt. Auf diese Weise war es zu seiner impulsiven Pseudooffenbarung gekommen, die so gar nicht typisch für ihn war.
Tief im Inneren wusste er, dass er ohne triftigen Grund gezögert und so seinem rücksichtslosen Ich die Gelegenheit gegeben hatte, zu seinem eigenen Besten zu handeln. Im Laufe der Jahre war dies in geschäftlichen Angelegenheiten zweimal vorgekommen, und in beiden Fällen hatte sein Gefühl recht behalten. Seine Untätigkeit war auf jeden Fall eine Art von Schwäche. Er wusste, dass er handeln sollte, schob es aber dennoch auf.
Er drehte den Kopf auf dem Kissen, um Therese zu betrachten, ließ seinen Blick auf ihren Zügen ruhen, die sich im Schlaf entspannt hatten.
Er hatte genug angedeutet, um ihre legendäre Wissbegierde zu wecken, sich dann aber auf die Umstände berufen und so ihre Bemühungen vereitelt, auf der Stelle mehr zu erfahren. Sie hatten ihre Kinder dabeigehabt, deshalb hatte sie verkündet, nicht - auch nicht über Nacht - in ihrem Elternhaus, Walkhurst Manor in Kent, bleiben zu wollen. Das Brautpaar hatte beabsichtigt, sich dorthin zurückzuziehen, und das Herrenhaus war nicht sehr groß. Ebenso wie die meisten der anwesenden Cynster-Paare waren sie mit den Kindern in die Stadt zurückgefahren. Wegen der Kinder waren sie auch unter den Ersten gewesen, die aufbrachen. Sie hatten ihre Fahrt unterbrochen, um in Sevenoaks zu speisen, waren später nach London weitergefahren und kurz vor Mitternacht in Alverton House eingetroffen.
Dank der Kinder und des allgegenwärtigen Personals war Therese nicht dazu gekommen, ihn zu seinen - ihrer Meinung nach unerklärlichen - Äußerungen zu befragen, und nachdem sie die Kinder ins Bett gebracht hatten, hatten sie beide sich in ihre jeweiligen Zimmer zurückgezogen. Später hatte er sich zwar, wie er es gewöhnlich tat, zu ihr ins Bett gelegt. Allerdings hatte er dabei mit Nachdruck dafür gesorgt, dass sie von dem Moment an, als er durch die Tür trat, so abgelenkt war, dass sie keine Fragen stellen konnte und später keine Energie und keine Lust mehr dazu hatte.
Er konnte ihre leisen Atemzüge hören, ruhig und stetig, wie es ihrem Charakter entsprach. Kompetent, zuverlässig, unerschütterlich, loyal - all das war sie . und noch viel mehr.
Als er sie auf der ihm gegenüberliegenden Seite des Ballsaals von Lady Hendricks zum ersten Mal gesehen hatte, war ihm sofort aufgegangen, dass sie alles verkörperte, was er sich von einer Ehefrau wünschte, und dieser Eindruck hatte sich bestätigt. Seit er zum ersten Mal in ihre silberblauen Augen geschaut hatte, bestand für ihn kein Zweifel mehr daran, dass sich sein Leben in diesem Moment unwiderruflich und unausweichlich verändert hatte. Er hatte sich ebenso umfassend und rückhaltlos in sie verliebt, wie sie sich, allen Heiligen sei Dank, auch in ihn verliebt hatte.
Er blinzelte in die Dunkelheit. War es vielleicht überheblich von ihm, sich dessen so sicher zu sein? Weil er so erpicht darauf gewesen war, dasselbe Gefühl im Gegenzug nicht ebenfalls eingestehen zu müssen, hatte er sie nie dazu ermutigt, diese Worte auszusprechen, aber .
Auch wenn er nicht mit absoluter Sicherheit wissen konnte, was sie gegenwärtig für ihn empfand, kannte er die Frauen gut genug. Er wusste, dass die Wonnen, die sie für gewöhnlich in diesem Bett teilten, ein Ausdruck des Gefühls waren, das in ihnen beiden lebte. Und diesen Grad der Glückseligkeit hatte er trotz seiner zahlreichen früheren Erfahrungen bisher nur mit ihr erreicht - auch wenn er sie hinters Licht führte und sie nichts davon ahnte.
Jetzt hatte er die Tür zu seinem tiefsten Geheimnis aufgestoßen und sie eingeladen, es zu...
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