Schweitzer Fachinformationen
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1 Einleitung
1.1 Hinführung zum Thema, Forschungsdiskussion, Quellen- und Literaturgrundlage
Heute leben etwa 180.000 Amische in den USA und Kanada. Etwa 85.000 davon sind Mitglieder1 der so genannten Old Order Amish, eine Gruppe, die sich im 19. Jahrhundert durch ein Schisma innerhalb der amischen Bewegung herausbildete. Gleichzeitig ist sie auch der konservativste Flügel der mennonitischen Glaubensbewegung, aus der sie hervorgegangen ist. Die Amischen leben über den Kontinent verstreut in kleinen Gemeinden, von denen nur wenige mehr als 1.000 Mitglieder haben. Aus historischen und politischen Gründen unterscheiden sich die Gemeinden leicht in ihren Sitten und Traditionen, doch alle gehören der gleichen Gemeinschaft an. Die ersten Gemeinden und der Ursprung der Amischen in Nordamerika befinden sich in Pennsylvania. Durch die anschließende Expansion auf der Suche nach Land bildeten sich amische Gemeinden in 26 Staaten der USA und in zwei Provinzen Kanadas. Inzwischen haben sich die Siedlungen bis über die Grenzen der Staaten hinaus erstreckt, so dass in den letzten Jahren weitere Gemeinden in Lateinamerika hinzukamen.2
Bekannt geworden sind die Amischen Alter Ordnung vor allem durch ihre anachronistisch wirkende materielle Kultur, wie ihre Kutschen oder Kleidung. Die Äußerlichkeiten dienen als Mittel, sich deutlich sichtbar von der Umwelt3 abzugrenzen und erinnern den Beobachter an längst vergangene Zeiten vor der Industrialisierung. Zudem erregen sie Aufmerksamkeit durch einen deutschen Dialekt, der als Pennsylvania Dutch4 bekannt und immer noch die Alltagssprache der Amischen ist, was auch das große Traditionsbewusstsein der Gemeinschaft zum Ausdruck bringt.
Durch die zurückgezogene Art ihres Lebens gerieten die Amischen gegen ihren eigenen Willen in den Mittelpunkt des Interesses von amerikanischen Touristen. Eines der größten zusammenhängenden Siedlungsgebiete in Lancaster County im US-Bundesstaat Pennsylvania wurde bereits in den 1990er Jahren jährlich von etwa 5 Millionen Touristen besucht.5
Weniger sind dabei die geschichtlichen Wurzeln der Amischen bekannt, die von der Gründung der Täufer zur Zeit der Reformation über eine bewegte Immigrations- und Siedlungsgeschichte, die sie von Europa wegführte, reicht. Doch gerade das so gewonnene Spannungsfeld zwischen ihrer Kultur und Tradition und der Umwelt brachte die Ausprägung ihres Selbstverständnisses, das sich auch in der Forschung an wachsendem Interesse erfreut, mit sich.
Arbeiten über die historische Entwicklung der Amischen sind spärlich. Eine umfassende Untersuchung der amischen Geschichte, die von ihrer Entstehung bis in die Gegenwart reicht, ist bisher einmalig von Nolt realisiert worden, dessen Überarbeitung von "A History of the Amish"6 dank einer neuen Auflage aus dem Jahr 2003 von hoher Aktualität für die Forschungsdiskussion ist. Daneben finden sich Werke zur Entstehung einzelner amischer Gemeinden, wie beispielsweise bei Stoltzfus7 oder regionale Untersuchungen wie die der beiden mennonitischen Forscher Horst Gerlach8 und Hermann Guth9. Dabei handelt es sich zumeist um Aufsätze, die in mennonitischen Jahrbüchern veröffentlicht wurden. Eine weitere Ausnahme in der sonst eher vernachlässigten Geschichte der Amischen bildet die Arbeit von Paton Yoder10 über die Old Order Amish im 19. Jahrhundert.
Neben dem geschichtlichen Ansatz, der eine deutliche Minderheit bildet, gibt es jedoch eine Vielzahl soziologischer Untersuchungen, unter denen insbesondere Kraybill11 und John A. Hostetier12 hervorzuheben sind. Beide stellen die neuesten sozio-kulturellen Entwicklungen der Amischen dar und zeigen die Einflüsse der Umwelt auf Glaubensgemeinschaft auf.
Zu den frühen Veröffentlichungen gehört ein allgemeineres Werk von Smith,13 das einen Überblick über die gesamte mennonitische Auswanderung bietet. Problematisch ist bei diesen älteren Beiträgen neben dem mehr deskriptiven als analytischen Charakter der Arbeiten auch die subjektive Haltung der Verfasser, von denen einerseits viele Mennoniten und manche auf der anderen Seite scharfe Kritiker der Amischen waren.
Erwähnenswertsindaußerdemreligionssoziologische Untersuchungen zu den Amischen, zu denen Kollmorgen14 und Bachman15 schon frühe Beiträge leisteten, die in jüngerer Zeit von Nagata16 und vor allem von Vossen17 im Bereich der Feldforschung vervollständigt wurden.
Da die Amischen sich selbst nie als Schriftsteller verstanden haben18 und es als hochmütig ansahen, der eigenen Person zu viel Aufmerksamkeit zu schenken, ist die Quellenlage zur frühen amischen Geschichte vergleichsweise dürftig. Neben Urkunden von amischen Ministertreffen, die z. B. Ordnungen oder Glaubensbekenntnisse enthalten, finden sich nur vereinzelte Briefe, die ein wenig Aufschluss über das amische Alltagsleben geben. Von besonderem Wert sind hierbei die Briefwechsel unter den amischen Führern wie Jakob und Uli Amman sowie Hans Reist, unter denen sich 1693 die Abspaltung der Amischen von den Mennoniten vollzog. Des weiteren finden sich vereinzelte Briefe anderer amischer Ältesten19 wie Hans Naffziger, die in späterer Zeit, als die Migration weiter vorgeschritten war, verfasst wurden um durch einen solchen Austausch den Kontakt zu einander zu bewahren.
Von staatlicher Seite sind die Amischen und Täufer während ihrer Zeit in Europa vor allem in den sogenannten "Täuferakten"20 erfasst und registriert, wobei hier auch einige Angaben, besonders über die Zahlen von Verhaftungen unwahrscheinlich erscheinen. Ähnlich verhält es sich mit dem Märtyrerspiegel, der von Seiten der Täufer eine Bestandsaufnahme über die Verfolgten und Getöteten führt.21
Auch das Leben der Amischen in Amerika im 19. und 20. Jahrhundert wurde kaum von Seiten des Staates dokumentiert, bedingt durch die in den USA übliche strikte Trennung zwischen Staat und Kirche. Jedoch nimmt auf Seiten der Amischen seit dem 19. Jahrhundert die Schriftlichkeit stark zu. Neben Zeitschriften wie dem Herold der Wahrheit, der schon früh publiziert wurde, gibt es heute noch weitere amische Journale wie The Diary oder The Budget, die sich aus Beiträgen der Amischen zum Alltagsleben zusammensetzen. Darüber hinaus sind aus den letzten beiden Jahrhunderten Dokumente einiger Ministertreffen erhalten, sowie Ordnungen der Gemeinden, die im Laufe der Zeit noch durch das Amish Directory oder den jährlich erscheinenden Almanac erweitert wurden. Darin finden sich Zählungen der amischen Bevölkerung, der Bezirke und der Gemeinden verzeichnet, ebenso wie Auflistungen der verschiedenen geistlichen Vorsteher oder der Berufe.
Ausnahmewert besitzen aber immer noch Selbstdarstellungen Amischer, wie Memoiren oder Interviews, die, wenn auch subjektiv gefärbt, dennoch Aufschluss über ihr Selbstverständnis. Hostetlers Werk "Amish Roots" enthält eine große Sammlung derartiger Dokumente.22
Eine Vielzahl an Quellen findet sich besonders in Bezug auf das amische Schulsystem, das inzwischen mit eigenen Lehrplänen, den so genannten "Guidelines", ausgestattet ist und daneben auch über eigene Schulbücher verfügt.
Während sich die Quellenlage im religiösen Bereich als eingeschränkt erweist, ist sie in Bezug auf soziale Aspekte besonders in den letzten Jahren immer vielfältiger geworden.
1.2 Fragestellung, Ansatz und Vorgehensweise
Im Zuge dieser historischen Untersuchung, die die Entwicklung einer religiösen Gemeinschaft von der frühen Neuzeit bis in die Gegenwart nachvollzieht, sollen insbesondere soziale und kulturelle Veränderungen verdeutlicht werden. Ein Blick auf das Kräftefeld der Gesellschaft, beugt dabei einer isolierten und verzerrenden Beobachtung vor.
Wichtig ist beispielsweise die Rolle der Amischen als landwirtschaftliche Innovatoren: Vor allem die frühe Geschichte der Amischen in Europa zeichnete die Glaubensgemeinschaft als fortschrittliche Landwirte aus, was neben ihrer Verfolgung zum bestimmenden Merkmal wurde. Als sie nach ihrer Auswanderung nach Amerika erstmals in völliger Religionsfreiheit leben konnten, schienen sie den progressiven Charakter innerhalb der letzten beiden Jahrhunderten allmählich zu verlieren. Im folgenden wird zu überprüfen sein, ob sich dieser, durch ihr äußeres Auftreten bedingte Eindruck, aufrecht erhalten lässt.
Gerade im 20. Jahrhundert stieg der Druck, den die Umwelt ausübte, stark an. So mussten die Amischen in den letzten Jahren viele Zugeständnisse an die industrielle Gesellschaft machen um auf ihren kleinen althergebrachten Familienfarmen überleben zu können.23 Neben steigenden Landpreisen entstanden weitere Bedrohungen durch poltisch-rechtliche Bestimmungen, wie z. B. den Schulgesetzen des 20. Jahrhunderts. Im Zuge solcher Auseinandersetzung mit der Außenwelt kam es immer wieder zu inneren Spannungen und manchmal zu Teilungen.
Daher stellt sich die zentrale Frage, wo und wie diese Veränderungen bewusst von Seiten der Amischen vorgenommen wurden und wie sie es schafften, trotz der...
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