Kapitel 1
1
Drei Monate vorher.
Als Julian aus dem Flugzeug stieg, war der Himmel blau und wolkenlos und er hatte noch immer das traurige Gesicht von Isabelle vor sich. Sie hatte es sich nicht nehmen lassen und ihn zum Flughafen gebracht. Er hasste solche Abschiedsszenen, denn selbst sein Versprechen, dass sie sich sehr bald wiedersehen werden, wirkte sich nicht unbedingt positiv auf ihren Gemütszustand aus. Selbst die Aussicht auf ein baldiges Wiedersehen änderte wenig an ihrem Gesichtsausdruck. Obwohl die gestrige Nacht alle nur erdenklichen Grenzen gesprengt hatte in sexueller Hinsicht. Oder vielleicht gerade auch deshalb.
Bevor er endgültig aus ihrem Blickfeld verschwand, steckte sie ihm noch ein Zettelchen in die rechte Sakkotasche und küsste ihn leidenschaftlich. Dann lief sie weg, ohne sich noch einmal umzudrehen. Wahrscheinlich weinte sie. Als er im Flieger sein Handgepäck verstaut hatte, zog er sich auch sein Sakko aus und fischte das zusammengefaltete Papier heraus.
"Mein Geliebter. Ich werde auf dich warten. Egal, wie lange es dauert. Die letzte Nacht hat es mir wieder bestätigt, du bist der Mann, von dem ich immer geträumt habe. In Liebe, deine Isabelle."
Julian faltete das Briefchen zusammen und verstaute es in der Innentasche. Der Platz neben ihm blieb frei, überhaupt war der Flieger nur halb voll.
Den Start bekam er gar nicht mit, er war sofort eingeschlafen. Erst nach der Landung weckte ihn eine der Stewardessen mit einem freundlichen Lächeln.
Seine gemischten Gefühle änderten sich auch nicht, als er auf seinen Koffer wartete. Warum auch? Er war vollkommen hin- und hergerissen. Einerseits freute er sich wirklich auf Laura, andererseits ging ihm Isabelle überhaupt nicht aus dem Kopf. Wird mein Leben andauernd nur von Frauen bestimmt? Warum kann bei mir nicht mal alles ganz easy laufen, ohne Komplikationen, einfach n o r m a l ?
"Weil du eben nicht normal bist, Julian. Und du wirst es auch nie sein." Der ältere Herr, der neben ihm stand und ihn etwas verwundert ansah - vermutlich hatte er sein Selbstgespräch mit angehört - wuchtete einen riesigen Koffer vom Förderband. Alle Achtung! Julian half noch einer jungen Dame, ihr beachtlich schweres Gepäckstück auf ihren Wagen zu heben, bevor seine beiden Schalenkoffer durch den Streifenvorhang zum Vorschein kamen.
Es war überraschend wenig Betrieb am Flughafen und er sah schon von Weitem Laura winken. Das Personal vom Zoll schenkte ihm keine Beachtung und Augenblicke später fiel ihm Laura in die Arme.
"Du siehst fantastisch aus, mein Schatz. Der Aufenthalt in der Reha-Klinik hat dir gut getan. Oder war es das ausnehmend hübsche Personal dort, das dich so aufblühen hat lassen?" Das sollte natürlich nur ein Scherz sein, aber Julian reagierte ungewohnt. Nicht so cool, wie er es sonst immer getan hatte. Natürlich fiel Laura diese Veränderung auf, unterließ es aber, das weiter zu kommentieren.
"Hab ich dir gefehlt?" Sie schmuste sich an ihn heran wie ein Kätzchen und rollte mit ihren Augen.
"Natürlich hast du mir gefehlt, Liebes." Wir haben uns doch erst vor einer Woche gesehen, dachte er.
"Möchtest du noch etwas trinken, oder fahren wir sofort?"
"Lass uns gleich fahren, Baby. Ich sehne mich nach einer Dusche und meiner Wohnung."
"Und mir hoffentlich?" Ihr Blick verriet natürlich, woran sie dachte.
"Aber sicher Schatz, aber das weißt du ja ohnehin."
Irgendwie weiß ich gar nichts mehr, dachte sie. Alles ist durcheinander, alles verworren. Was passierte nur mit ihr? Ihr Studium hatte sie abgeschlossen, ihre Bachelorarbeit war geschrieben, die Welt stand ihr offen.
Sie hatte fast jede Nacht bei Celine geschlafen. Und mit ihr. Tracy war fast durchgehend bei ihrer Freundin in Wien. Ihre Gefühle zueinander hatten ein Maß erreicht, dass sie nicht mehr unter Kontrolle hatten.
Und Celine hatte es gestern ganz direkt angesprochen. "Laura, ich kann und will nicht mehr ohne dich leben. Es ist etwas passiert, das ich selbst nicht mehr steuern kann und es hängt bei Gott nicht nur damit zusammen, dass wir fantastischen Sex haben. Ich liebe dich und ich möchte, dass du bei mir lebst. Zieh ganz bei mir ein. Du bist ja ohnehin fast jeden Tag bei mir und Tracy hat sich auch schon an mich gewöhnt."
Das stürzte Laura in einen noch größeren inneren Konflikt. Sie liebte Julian ja nach wie vor, aber . Ja, was aber? Ein "aber" dürfte es nicht geben. Ein "aber" im Zusammenhang mit "ich liebe dich" hörte sich nicht so toll an.
Musste sie sich tatsächlich entscheiden? Was hatte Celine nur gemacht mit ihr? Jetzt, wo sich ihr vormaliger Lebenstraum erfüllen könnte, endlich mit dem Mann ihrer Träume eine gemeinsame Zukunft aufzubauen, jetzt war alles doch anders? Und Celine hatte ihr schon letztes Wochenende, als sie nach Genf geflogen ist, eröffnet, dass sie nicht daran denken durfte. "Woran?", hatte Laura noch naiv gefragt. "Dass du mit Julian schläfst! Es ist jetzt anders als am Anfang. Ich glaube, ich kann so nicht weitermachen. Sie hatte es nicht ausgesprochen, aber es lief darauf hinaus, dass sie sich entscheiden musste. Entscheiden zwischen ihr und Julian. Shit! Wenn ihr das jemand vor ein paar Monaten gesagt hätte, hätte sie ihn ausgelacht. Trotzdem, sie hatte sich fest vorgenommen, mit Julian zu reden. Ihm einfach alles zu erzählen. Von Anfang an. Aber wollte sie Julian überhaupt aufgeben? Was war das nur für ein schrecklicher Wirrwarr in ihrem Kopf und ihrem Herzen? Aber tun musste sie etwas!
Vor ihrem geistigen Auge sah sie Celine mit Tracy spazieren gehen. Sie würde das ganze Wochenende leiden und sich in ihrer unerschöpflichen Fantasie vorstellen, was sie, Laura, nicht alles mit Julian anstellen würde. Vor allem aber auch, was Julian mit i h r alles tun würde. Und wenn sie so nachdachte, irgendwie hatte sie schon Lust auf ihn. Wahnsinnige Lust eigentlich. Wow! In ihren Gedanken fiel sie gerade über ihn her. Sie beobachtete ihn, als er die Koffer in ihrem Auto verstaute.
"Was?" Er sah sie überrascht an. "Warum siehst du mich so an?"
"Ich dachte nur eben . Ach, nichts ."
"Diesen Blick kenn ich aber!"
"Und was bedeutet er?" Sie musterte ihn jetzt wirklich provokant.
"Dass wir es nicht bis nach Hause schaffen werden, ohne dass wir ."
"Bin ich so leicht zu durchschauen?"
Natürlich sollte sie recht behalten. An der ersten Autobahnraststätte hielten sie und parkten etwas abseits vom Trubel. Er ließ seine Hosen runter und sie setzte sich auf ihn drauf und fickte ihn, bis sie beide kamen. Scheiße, es ist ganz anders, als mit Celine, aber er tut mir so unendlich gut, dachte Laura. Sie tranken im Restaurant auch noch einen Kaffee, bevor sie ihre Fahrt fortsetzten.
"Wo hast du eigentlich Tracy gelassen?", wollte er plötzlich wissen. Sie wusste nicht, ob er die Röte in ihrem Gesicht bemerkte, als sie nur kurz angebunden "die ist bei Celine" antwortete. "Aha", sagte er nur. Danach schwiegen sie.
2
Seine Wohnung war blitzsauber und komplett aufgeräumt. Laura hatte das mit Frau Paula, der guten Seele vom Jules Verne, organisiert und fand Julians Wohlwollen.
"Wow", sagte er, als er den riesigen Strauß Calla und die Willkommenskarte bemerkte.
"Du bist ein Wahnsinn, Liebling! Dankeschön!" Er küsste sie leidenschaftlich, nachdem er wieder etwas zu Atem gekommen war. Die nächste Wohnung muss auf alle Fälle einen Lift besitzen, wenn sie nicht ebenerdig ist, dachte er und stellte die beiden Riesenkoffer ab.
"Ich muss mal duschen, Schatz. Ich bin ja völlig durchgeschwitzt!" "Vom Koffertragen, oder .?"
"Wenn's nur das 'oder' wäre, würde ich sofort wieder über dich herfallen, kleine Lady!" Sie hasste diesen Ausdruck. "Ich bin nicht klein", bockte sie. "Sag geile Stute zu mir, oder was auch immer!"
"He, du bist heute so empfindlich, mein Schatz! Ist alles in Ordnung?"
Jetzt noch nicht, dachte sie. Ich muss auf den richtigen Zeitpunkt warten. Aber gab es für so ein Geständnis überhaupt einen richtigen Zeitpunkt? Wahrscheinlich nicht.
"Soll ich uns ein Bad einlassen?", fragte sie in einem äußerst versöhnlichen Ton.
"Das wäre super, Baby. Ich packe erst mal meine Koffer aus und spring dann zu dir in die Wanne."
"Ein sehr verlockendes Angebot." Laura lächelte ihn liebevoll an und begleitete ihn noch ins Schlafzimmer. Natürlich in voller Absicht und Berechnung zog sie sich vor ihm aus. Nur ihr sexy Höschen behielt sie an.
"Bis gleich, Liebling", flötete sie in seine Richtung und trippelte an ihm vorbei ins Badezimmer.
Es dauerte keine zwei Minuten, sie ließ gerade Wasser in die Wanne und verteilte gleichmäßig das wohlriechende Schaumbad, war er schon bei ihr.
"Das ist aber schnell gegangen. Wusste nicht, dann man so rasend schnell seine Koffer auspacken kann." Sie sah ihn belustigt an und stellte zufrieden fest, dass er völlig nackt war und sein Schwanz in die Höhe...