Schweitzer Fachinformationen
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Die Kompetenzerwartungen:
Die Leserinnen und Leser erkennen, dass der »neue Weg« (Apg 9,2), den Jesus von Nazareth und seine frühesten Nachfolgerinnen und Nachfolger eingeschlagen haben, in der wissenschaftlichen Forschung vom Kontext der verschiedenen Strömungen des Judentums aus der Zeit des Zweiten Tempels (vor dem Jahr 70 n. Chr.) her gedeutet wird. Sie erläutern, weshalb das patristische Christentum und das rabbinische Judentum das Erbe des biblischen Israel für sich in Anspruch genommen und ihr jeweiliges religiöses Profil im Diskurs miteinander geschärft haben. Die Leserinnen und Leser benennen Gründungstraditionen für einflussreiche Kirchen des Ostens wie des Westens und verbinden diese prosopographisch mit Persönlichkeiten aus dem frühen Christentum. Sie leiten die Methoden der frühchristlichen Mission her und sind sich der Problematik von seriösen Schätzungen über deren zahlenmäßige Verbreitung bewusst. Sie sind in der Lage, die interreligiös-diskursive Dimension der Rezeption von biblischen Narrativen exemplarisch zu beurteilen.
Fachliche Inhalte nach der LPO I: »Zentrale Themen unter besonderer Berücksichtigung der strukturellen Entwicklung der Kirche; Sozial- und Frömmigkeitsgeschichte, bedeutende Personen.«
In den letzten Jahrzehnten werden die Verwurzelung Jesu im biblischen Israel seiner Zeit, d. h. der Epoche des so genannten »Zweiten Tempels« (vor 70 n. Chr.), wieder stärker hervorgehoben. Die Gemeindetradition, die sich im Lukasevangelium (um 90 n. Chr.) widerspiegelt,1 überliefert, dass Jesus - dessen aramäischer Name Je(ho)schu?a sich vermutlich aus der Kurzform für den Gottesnamen YHWH und dem hebräischen Verbum für »helfen, retten« zusammensetzt - in eine jüdische Familie hineingeboren worden sei. So wird einerseits hervorgehoben, dass Maria, die Jungfrau (griech. parthenos), mit Josef verlobt gewesen sei, der »aus dem Haus David stammte« (Lk 1,27). Andererseits wird Elisabet, die Mutter von Johannes dem Täufer, als Verwandte (griech. syngenes) der Maria bezeichnet (Lk 1,36), die »aus dem Geschlecht Aarons« war (Lk 1,5). Insofern stellt das Lukasevangelium für Jesus über seine Familie eine Traditionslinie zum Priestertum des Aaron wie auch zum Königtum des David her.
Abb. 2.1: Ortsangaben in den Evangelien
Zwei heute noch in verschiedenen Traditionen des Christentums gefeierte Festtage erinnern an diese Herkunft Jesu: Auf der einen Seite das »Fest der Beschneidung des Herrn« (Circumcisio Domini), das östliche Traditionen des Christentums, die Syro-Malabarische Katholische Kirche oder die Anglican Community am 1. Januar eines jeden Jahres begehen - also acht Tage nach dessen Geburt am 25. Dezember. Die Liturgie dieses Tages erinnert an die Überlieferung des Lukasevangeliums, dass das neu geborene Kind am achten Tag beschnitten worden sei (Lk 2,21), wie es dem Gesetz des Bundes entsprochen habe (vgl. Gen 17,12), den Gott mit Abraham geschlossen habe (Gen 17,7-14). Auf der anderen Seite das Fest der Begegnung oder Darstellung des Herrn (lat. Praesentatio Jesu in Templo, griech. Hypapante tou Kyriou), das am 40. Tag nach der Geburt des Herrn zumeist am 2. Februar eines Jahres begangen wird. Es memoriert die Darstellung aus demselben Lukasevangelium, nach der die Eltern Jesus in den Tempel nach Jerusalem gebracht hätten, wo dieser dem Gott Israels geweiht (Lk 2,22-23) und das vorgeschriebene Opfer von einem Paar Turteltauben oder zwei jungen Tauben zur kultischen Reinigung der Mutter nach der Geburt dargebracht worden sei (Lk 2,24). Der Autor dieses Evangeliums beschreibt die Familie Jesu also als eine, welche diese Gebräuche des biblischen Israel beachtet habe.
Mit dieser Sozialisierung seiner Familie decken sich weitere Überlieferungen über das Leben Jesu: So hat dieser nach dem Markus- und dem Matthäusevangelium sein öffentliches Auftreten in der Synagoge von Kafarnaum begonnen, in der er die Schrift ausgelegt und die Zuhörenden betroffen gemacht hat (Mk 1,21-28/Mt 4,13-17). Das Lukasevangelium verlegt (wahrscheinlich unhistorisch) Jesu ersten Auftritt in den Tempel zu Jerusalem, in dem der 12-jährige Jesus mit den Schriftgelehrten diskutiert haben soll (Lk 2,41-50). Nach dem Johannesevangelium schließlich tut sich Jesus auf einer jüdischen Hochzeit in Kana in Galiläa hervor, auf der er Wasser in Wein verwandelt und sich dadurch als Herr über die Schöpfung zu erkennen gegeben hat (Joh 2,1-12) - ein Ereignis, an das der römische Ritus deshalb heute als eine der drei Stationen der göttlichen »Theophanie« erinnert, des öffentlichen Sichtbarwerdens von Jesus als Gott (griech. Theos), neben der Anbetung der Weisen aus dem Osten (Mt 2,1-12) und der Taufe Jesu im Jordan (Mt 3,13-17).
Darüber hinaus erwähnt das Lukasevangelium, dass Jesus in der Synagoge von Nazareth, dem Ort, an dem »er aufgewachsen war,« aus der Schrift vorgelesen habe (Lk 4,16). Nach der Überlieferung des Johannesevangeliums (Joh 2,13; 6,4; 11,55) hat er mindestens drei Mal das Pessachfest in Jerusalem gefeiert; und der Autor des Matthäusevangeliums legt dem »Nazarener« (Mk 1,24) die Worte in den Mund: »Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben, sondern um zu erfüllen« (Mt 5,17).
Die Erneuerungsbewegung, die Jesus initiiert hat, wird angesichts dieser Sozialisation Jesu vom Kontext anderer jüdischer Reformbestrebungen seiner Zeit her gedeutet.2 Es scheint, als hätten sich diese als Opposition zu der führenden und auf Ausgleich mit den römischen Autoritäten bedachten Gruppe der Sadduzäer am Tempel verstanden. So haben beispielsweise die in den neutestamentlichen Schriften häufig erwähnten Pharisäer offenbar eine Reform des Bundesvolkes durch eine Rückbesinnung auf die Überlieferung der Tora, der fünf Bücher des Mose, angestrebt. Die Essener dagegen suchten ihr Heil durch einen Rückzug in zurückgezogene Gemeinschaften in der Wüste, wie sie vielleicht in der Gemeinschaft von Qumran sichtbar werden. Die so genannten Zeloten wollten den politischen Umsturz gewaltsam herbeiführen; und Johannes der Täufer rief das Bundesvolk zur Umkehr durch eine Taufe mit Wasser zur Buße auf (Mk 1,4).
Gerade mit der Bewegung des Letzteren scheint Jesus in einem engeren Kontakt gestanden zu haben: Die synoptischen Evangelien erzählen davon, dass Jesus selbst von Johannes getauft worden sei (Mk 1,9-11). Diese Angabe ergänzt das Johannesevangelium dahingehend, dass beide, Johannes wie Jesus, zur gleichen Zeit getauft hätten (Joh 3,22-35). Wenn diese Angabe zutrifft, dann scheint Jesus vom Täufer zunächst das Konzept eines standortgebundenen Umkehrpredigers übernommen zu haben. Nach den Berichten der synoptischen Evangelien ist er in einem zweiten Abschnitt jedoch dazu übergegangen, als Wanderprediger umherzuziehen und dem ganzen Volk im Sinne einer eschatologischen Erneuerung das Reich Gottes, die basileia tou theou, zu verkünden (Mk 1,14). Das Lukasevangelium fasst diesen Abschnitt im Leben Jesu so zusammen: »In der folgenden Zeit wanderte er [sc. Jesus] von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf und verkündete das Evangelium vom Reich Gottes« (Lk 8,1).
Bei dieser auf das Bundesvolk konzentrierten Erneuerungsbotschaft ist Jesus jedoch nicht alleine geblieben. Die synoptischen Evangelien überliefern, dass er rasch Frauen und Männer um sich geschart habe, deren »neue« Aufgabe als »Menschenfischer« (halieis anthropon) der Verfasser des Markusevangeliums bei seiner Schilderung der Berufung des Simon und des Andreas am See von Galiläa in einen profilierten Gegensatz zu deren tatsächlichen Alltagsberufen als »Fischer« (halieis) setzt. Derselbe Autor überliefert weiter, wie Jesus diejenigen, die er um sich gesammelt habe, auf einen Berg gerufen und zwölf von ihnen auserwählt habe, die er dann »aussenden wollte, damit sie predigten und mit seiner Vollmacht Dämonen austrieben« (Mk 3,13-14). Es wird angenommen, dass die spätere Gemeindetradition in der Angleichung der Anzahl von zwölf Auserwählten an die zwölf Stämme Israels (z.?B. Num 1,1-16) den Anspruch auf eine eschatologische Erneuerung des gesamten Bundesvolkes zum Ausdruck bringen wollte. Für diese Vermutung spricht auch, dass Jesus nach der Version der so genannten »Aussendungsreden« (Mk 6,6-14 par.) des Matthäusevangeliums die Zwölf angewiesen habe: »Geht nicht zu den Heiden und betretet keine Stadt der Samariter, sondern geht zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel! Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe« (Mt 10,5-7).
Vor diesem Hintergrund erscheint es wahrscheinlich, dass unter den Christusgläubigen eine Öffnung zu einer Missionierung der Völker erst aus dem Rückblick auf Jesu Tod und Auferstehung erfolgt sei, als sie das...
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