Schweitzer Fachinformationen
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ZWEITES KAPITEL
Lil Arosanders Auftritt war wirklich vom Feinsten, da waren wir uns alle einig, und niemand, dessen Augen auch nur halbwegs funktionierten, hätte leugnen können, dass auch sie selbst eine über die Maßen auffällige Erscheinung war.
Ob nun gefärbt oder nicht - ihr rotgoldenes Haar machte andere Frauen blass vor Neid. Es war mit einem schlichten Band zusammengebunden, und nur im Nacken hatten sich vereinzelte Strähnen daraus gelöst. Ihre Frisur erinnerte an Kameen aus dem frühen neunzehnten Jahrhundert; ihr elegantes Profil unterstrich diesen Eindruck. Ihre Haut schimmerte blass, und plötzlich kam mir meine Bräune, auf die ich gerade noch so stolz gewesen war, fürchterlich gewöhnlich und unweiblich vor. Sie hatte schön weit auseinanderstehende Augen, und als sie näher kam, sah ich auch, dass sie alles andere als nur grün waren; sie schillerten golden wie warm leuchtender Bernstein. Sie war normal groß und hatte eine umwerfende Figur.
Bei einer wirklich schönen Frau legt man sein Augenmerk erst auf den zweiten Blick auf die Kleidung - Lil jedoch trug etwas überaus Auffälliges, Schulterfreies, grün Gemustertes, das erkennbar nach einer der besten Boutiquen Stockholms aussah. Palmen wogten bei jedem ihrer Schritte sanft hin und her, und Äffchen kletterten munter über ihren Oberkörper. In den Händen trug sie einen riesigen, gefärbten Strohhut, der genauso gut als Strandtasche hätte durchgehen können.
Und doch waren es vermutlich nicht Lil und ihre Ausstrahlung, die Einar erstarren ließen, als er von meinem Streichholz aufgeblickt hatte. Nachdem ich meine sieben Sinne endlich wieder beisammen und einen Teil meiner Aufmerksamkeit auf Lils sorgsam inszeniertes Gefolge gerichtet hatte, sah ich es auch: den Schatten eines irritierten, verwirrten Rutger und einen verbissenen Carl Herman, die gemeinsam eine Unmenge Taschen wuchteten - wie lange gedachte diese Frau denn zu bleiben? -, und noch jemanden, an dem mein Blick haften blieb wie eine Fliege an Fliegenpapier. »Jojje« war wirklich sehenswert.
Er trug schier unglaubliche Shorts, auf denen muntere Fische in blauen Wogen herumtollten, und darüber ein noch verspielter gemustertes Hemd und stand auf unserer friedlichen Wiese wie ein junger Gott. Etwas Schöneres hatte ich noch nie zuvor gesehen.
Die Waden und Schenkel, Arme und der Hals - einfach alles, was man unter all den Fischen sah oder erahnen konnte - waren formvollendet und verwirrend schön. Seine Haut schimmerte braun wie matte Bronze, die Augen waren samtig blau und die Locken auf seinem betörend attraktiven Kopf sehr, sehr blond. Er war das Inbild körperlicher Vollkommenheit - und mir war zum Lachen zumute, während ich gleichzeitig albern weiche Knie hatte.
»Das ist Jojje«, flötete Lil und ließ sich auf einem Liegestuhl nieder. »Ich konnte mich einfach nicht von ihm trennen, also hab ich ihn mitgebracht.«
Jojje schenkte der Runde ein blendend weißes Lächeln und wurde dann von Rutger in Beschlag genommen. Die beiden brachten Lils Gepäck ins Gästehaus. Fasziniert starrte ich dem Sprungbrett und den badenden Wassernymphen auf seinem Hemdrücken nach.
Ann machte sich aus dem Staub, und Einar und ich blieben allein mit Lil zurück. Einar schien sich sichtlich zu amüsieren.
»Wo in aller Welt hast du den denn aufgegabelt? Als Siegfried auf einer Opernbühne wäre er eine echte Sensation - als starker, aufgewühlter Germanenjüngling in bestem Wagnerstil!«
»Er singt aber nicht«, entgegnete Lil ernst.
»Zum Glück für Svanholm.«
»Außerdem könnte er sich die Arien nie im Leben merken. Er hat tatsächlich nicht allzu viel im Kopf .« Dabei lächelte sie - ein kleines, verschmitztes Lächeln.
»Solche Zuchthengste haben selten was im Kopf. Aber was hast du denn nun mit ihm vor?«
»Er soll den neuen Liebhaber bei Lyxfilm spielen. Paps hat ihn noch nicht zu Gesicht bekommen, aber er wird begeistert sein. Jojje wird ihm Millionen einbringen.«
»Er heißt doch nicht wirklich Jojje?«
»Nein, nein. Er heißt George Malm, aber da fällt uns noch was Besseres ein.« Lil blies einen Rauchkringel in die Luft und sah ihm verträumt hinterher. »Er ist wirklich niedlich, findest du nicht? Ich bin total in ihn verschossen.«
Aus irgendeinem Grund sah Einar misstrauisch aus.
An diesem Punkt im Gespräch entschied sich Lil überraschenderweise, ihre Aufmerksamkeit meiner Wenigkeit zuzuwenden. Mit der Zigarette zeigte sie vage in meine Richtung, die Frage allerdings war nicht an mich gerichtet. »Und dieses hübsche, dunkeläugige Mädchen, das da sitzt und die Zähne nicht auseinanderkriegt, ist also deine neue Flamme? Freut mich, sie kennenzulernen.«
Ich war so verblüfft, dass ich noch nicht einmal rot wurde, was einer solchen Situation angemessen gewesen wäre. Selbst Einar war ausnahmsweise sprachlos.
Der Rest des Abends verlief nicht besonders glücklich. Von den sieben Personen, die draußen auf der Wiese Kaffee tranken und urlaubsbedingt eigentlich gute Stimmung hätten verbreiten sollen, wurden im Laufe der Zeit mindestens vier zusehends übellaunig.
Carl Herman unternahm nicht einmal den Versuch, seinen Missmut zu überspielen. Er wechselte mit dem armen Jojje nicht ein einziges Wort und antwortete selbst dann nur mit Widerwillen, wenn Ann-Sofi oder Einar ihn direkt ansprachen. Die Situation wurde auch nicht gerade besser dadurch, dass Lil - die erst eine halbe Stunde zuvor verlautbart hatte, wie verliebt sie in den schönen Filmjüngling sei - ihn nicht im Geringsten beachtete. Geschickt hatte sie sich selbst neben Rutger platziert und ihn und sich anschließend gut fünf Meter von der restlichen Gesellschaft wegmanövriert. Die grünen Palmen leuchteten vor dem Ziegelrot der Liegestühle, und die einschmeichelnde Stimme schien eine Menge amüsanter Dinge berichten zu können, denn Rutgers graue Augen und sein düsteres Gesicht strahlten regelrecht, wie ich es noch nie zuvor erlebt hatte. Ich hatte vermutet, dass der ruhige Rutger auch in seinem Verhältnis zum weiblichen Geschlecht eher träge und desinteressiert wäre, aber als ich ihn so beobachtete, wie er sich zu Lil hinüberbeugte, als könnte er auf diese Weise ihren goldschimmernden Blick besser einfangen und festhalten, begann ich zu bezweifeln, dass er tatsächlich so gleichgültig war - und so ungefährlich -, wie ich es mir ausgemalt hatte.
Carl Herman fuhr sich in einem fort mit den Fingern durchs Haar. Es war klar, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis ihm der Kragen platzte. Sein sonst so weiches Gesicht, das überdeutlich seine Gefühls- und Stimmungslage widerspiegelte, war jetzt verbittert und abweisend, und es tat mir in der Seele weh, ihn so zu sehen. Am liebsten hätte ich ihm über die Wange gestreichelt und zugeflüstert: Sie ist es nicht wert! Aber so etwas tat man nun mal nicht. Ich schluckte schwer und versuchte, mich stattdessen auf das Gespräch zu konzentrieren, das Einar und Ann-Sofi tapfer aufrechterhielten und das sich um die erhoffte Pilzausbeute in diesem Herbst drehte, während sie beide zweifellos an ganz andere Dinge dachten als an Pfifferlinge und Butterpilze. Anns ratloser Blick wanderte immer wieder zu Rutger, und ich hatte den Eindruck, als suchte sie irgendetwas Unerhörtes, Unbegreifliches zu verstehen. Ich für meinen Teil wäre an ihrer Stelle nie und nimmer einfach so dagesessen und hätte artig Konversation über die besten Pilzgründe gemacht.
Was ich allerdings nicht verstand, war, was in Einar vorging. Er paffte verbissen auf seiner Pfeife vor sich hin und wirkte ungewohnt nervös. Mich behandelte er wie Luft, was dazu führte, dass auch meine Laune zusehends schlecht wurde. Was ging hier eigentlich vor? Wie konnte ein einzelner Mensch eine solche Unbehaglichkeit und so viel Ärger verbreiten? Der Einzige, der sich erstaunlicherweise kein bisschen von Lils Gurren mit Rutger und von der übrigen eisigen Stimmung beeinträchtigen zu lassen schien, war der unglückselige Jojje. Er machte einen kleinen Spaziergang und erkundete die Umgebung, und als er wiederkam, setzte er sich zu meinen Füßen ins Gras. Sein Lächeln war fast schon schüchtern.
»Entschuldigen Sie, ich habe vorhin nicht mitbekommen, wie Sie heißen.«
»Wollen wir uns nicht auch duzen? Ich heiße Puck.«
»George. Sehr angenehm.«
Er hatte seinen Namen mit einem gewissen Nachdruck ausgesprochen; vermutlich war er dankbar dafür, zum Ausdruck bringen zu können, dass er seinen wenig männlichen Spitznamen nicht annähernd so gern mochte wie Lil.
Aus der Nähe betrachtet war Georges gutes Aussehen noch einschüchternder. Es hätte geradezu sämtlicher Superlative der Boulevardpresse bedurft, um diesen nordischen Adonis auch nur annähernd treffend zu beschreiben. Seine Wimpern - bestimmt zwei Zentimeter lang - rahmten stechend blaue Augen ein und ließen sie noch dunkler erscheinen, als sie in Wirklichkeit waren. Seine Zähne schimmerten weißer und ebenmäßiger als in jeder Zahnpastawerbung.
Er hatte ein männlich markantes, harmonisch geschnittenes Gesicht. Er war nichts weniger als die Inkarnation aller sowieso schon perfekten Sagengestalten und Filmhelden, und während ich dieses Wunderwerk der Schöpfung staunend betrachtete, wurde mir in meiner Unvollkommenheit klar, dass ich es nicht ertragen würde, diese Schönheit tagaus, tagein ansehen zu müssen. Es wäre einfach zu deprimierend und irgendwie auch viel zu unnatürlich.
Ich fragte mich, wie er seine einzigartige Situation selbst einschätzte. Eigentlich wirkte er nicht besonders selbstbewusst - obwohl mir...
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