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Das brandaktuelle politische Sachbuch zum Präsidentschaftswahlkampf in den USA – der mit den Vorwahlen im Februar 2024 beginnt.
US-Wahlkampf als Kulturkampf
Mit Spannung blickt die Welt auf den Ausgang der amerikanischen Präsidentschaftswahlen im Herbst 2024. Schaffen es die Demokraten in der Tradition von Bill Clinton, Barack Obama und Joe Biden ein weiteres Mal, ihre Ideen von Freiheit und Verantwortung gegen den Populismus der Republikaner à la Donald Trump zu verteidigen?
Der USA-Experte und langjährige ARD-Hörfunk-Korrespondent in Washington Arthur Landwehr spürt den Stimmungen und Erwartungen der US-Wähler zu Beginn der Vorwahlen nach. Er beschreibt den Wahlkampf als Kulturkampf, der die USA zu zerreißen droht. Im Mittelpunkt: die Abstiegsangst der Weißen und das zunehmende Selbstbewusstsein von Schwarzen und Hispanics, der Mythos vom Cowboy und der Einfluss der woken Intellektuellen (Stichwort Cancel Culture), das ausgrenzende Stammesverhalten und das "America first" im Landesinnern und die Verheißungen kultureller Offenheit in den liberalen Küstenstaaten. Und über allem die Frage: Was hat das mit uns Deutschen und mit den transatlantischen Beziehungen zu tun?
Arthur Landwehr gewährt Einblicke aus erster Hand
Innenpolitik, Außenpolitik und vor allem die politische Kultur der USA stehen im Fokus dieses Sachbuches. Es lebt von den Erfahrungen und Einsichten des Journalisten Arthur Landwehr – er arbeitete jahrelang als Hörfunk-Korrespondent in Washington – in den Alltag der USA und ihren Bürgern. "Die zerrissenen Staaten von Amerika" ist eine unverzichtbare Lektüre für alle, die aus erster Hand erfahren möchten, wie es um die USA und deren politische Zukunft bestellt ist.
Politischer Kulturkampf und der Angriff auf die offene Gesellschaft
Sonntagmorgen in der First Baptist Church von DeFuniak Springs im sogenannten Florida Panhandle, direkt an der Grenze zu Alabama. Große Militärbasen, Tourismus entlang der Küste des Golfs von Mexiko und Landwirtschaft prägen diesen Landstrich des amerikanischen Südens. Das 6000 Einwohner zählende Städtchen gehört zum »Bible Belt«, die meisten hier sind fromme und regelmäßige Kirchgänger, die Religion gibt den Takt für das tägliche Leben vor. Zehn Gemeinden der konservativen »Southern Baptists« konkurrieren um die Seelen der Bürger, Katholiken und andere protestantische Konfessionen kommen zusammen gerade einmal auf die Hälfte. 84 Prozent der Bevölkerung im Landkreis sind Weiß, man wählte schon immer konservativ, und für Donald Trump stimmten 2020 im Landkreis 75 Prozent der Wähler. Als er nach der Zwischenwahl seine Kandidatur für 2024 bekannt gibt, löst das Freude aus. Denn man traut hier niemandem zu, Trumps Politik fortzusetzen. Das gilt auch für dessen Gegenkandidaten im Rennen um die Präsidentschaft Ron DeSantis, den man zwar für einen guten Gouverneur hält, der aber Trump als ihren Helden nicht ersetzen kann.
Die Türen des roten Backsteinbaus mit spitzem weißem Kirchturm und mit Säulen verziertem Treppenaufgang öffnen sich früh am Morgen. In der First Baptist Church gibt es nämlich Kaffee und Kuchen für diejenigen, die schon eine Stunde vor dem Gottesdienst zur sonntäglichen Bibelschule kommen. Donny Richardson ist der größte Erdnussfarmer der Gegend, seine riesigen Felder erstrecken sich über 30000 Hektar und reichen weit nach Alabama hinein. Die Sonntagsschule ist sein Dienst für die Gemeinde. Sein Job ist es, jeden Sonntag einen Bibelvers zu interpretieren und auf das reale Leben zu übertragen. An diesem Sonntag ringt er mit dem Buch Josua, um den Konflikt im Nahen Osten zu erklären.
»Wir haben die Globalisierung verehrt wie eine Religion«, sagt er anschließend im Gespräch. »Schau, was das aus Amerika gemacht hat. Wir haben unsere moralische Basis verloren, und nur wenn wir zur Moral zurückfinden, überwinden wir die Spaltung unserer Gesellschaft.« Die Gesellschaft müsse endlich anerkennen, dass die amerikanische Nation ihre Wurzeln in der Religion habe, dass sie auf Religion gebaut sei. Liberalismus habe jede Sicherheit und Werteordnung zerstört.
Wenn er und die anderen Gemeindemitglieder hier »Liberalismus« sagen, meinen sie damit mehrere Dinge gleichzeitig. Zunächst sind alle Linken »Liberals«, dazu zählen die meisten Demokraten, insbesondere der Flügel, der für mehr Staat, mehr Sozialleistungen, mehr Klimaschutz, mehr Gesetze gegen Waffen, mehr Regeln eintritt. Sie meinen aber auch, dass Liberalismus als philosophische Basis für Freiheit pervertiert worden sei. Aus der Freiheit und Unabhängigkeit des Einzelnen sei eine Beliebigkeit geworden, die jede Werteordnung zerstört. Alles müsse dafür getan werden, das Land wieder auf den Weg zurückzubringen, für den es gegründet wurde.
Die Regierung Biden gehe in die entgegengesetzte Richtung, habe sich von den Linken in der Partei in Geiselhaft nehmen lassen, sagt Donny, schütze nicht mehr die Grundlagen der Gesellschaft, schütze nicht mehr die Familie, das ungeborene Leben, die von Gott gegebene Ordnung. Außerdem kümmere sie sich nicht um das, was sie als Bürger verdienten, bringe keine Jobs zurück, die durch Globalisierung exportiert worden seien. Donald Trump habe Amerika wieder den Vorrang eingeräumt und dem internationalen Wirtschaftsliberalismus klare Kante gezeigt. China Grenzen zu setzen, statt um des lieben Friedens willen zu buckeln, das sei dessen Verdienst. Dass er dabei Farmern wie ihm mit Subventionen den Verlust ausgeglichen habe, zeige, wofür sein Herz schlägt.
Vor allem schützten die linken Demokraten das Land nicht davor, sich selbst zu verlieren. Die so glorreiche amerikanische Geschichte sei unter Beschuss, man wolle den Mut und die Entbehrungen ihrer Vorfahren entwerten. »1776« stehe nicht nur für die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten von einem unterdrückerischen kolonialen Herrscher in England, sondern vor allem für individuelle Freiheit. Dass jeder alles werden könne, dafür stehe die Nation, dafür, dass der Einzelne wichtiger sei als der Staat. Das alles solle künftig nichts mehr gelten, weil die amerikanische Geschichte nur noch als eine von Sklaverei, Diskriminierung und Unterdrückung verstanden werde, die 1619 mit dem Verkauf der ersten Sklaven begonnen habe. Ohne Frage, amerikanische Geschichte habe auch ihre dunklen Seiten, Sklaverei und Rassendiskriminierung seien schlimm gewesen, und daran müsse erinnert werden. Aber er wolle, dass in der Schule die Geschichte Amerikas von 1776 gelehrt werde, nicht die von 1619.
Rebecca, eine Mittvierzigerin mit modischer Brille und bescheidenem Kirchgangschic, kommt dazu. »Die nennen es liberal«, sagt sie und nimmt Donny Richardsons Begriff auf, »meinen aber nur, dass alles egal ist und jeder tun kann, was er will.« Die Verfassung sei doch die entscheidende Leitplanke, die die Gründer der Nation gegeben hätten, und die setze Gottes Willen an die Spitze. Ihr Mann hakt ein und empört sich, dass die Linke versuche, die Verfassung neu zu interpretieren, er nennt es »manipulieren«. Die Verfassung gelte so, wie die Autoren sie geschrieben hätten, und man müsse ergründen, was diese für Amerika gewollt hätten. Freiheit brauche Ordnung und klare Gesetze, derzeit aber drohe das Land ins Chaos zu stürzen.
Sherill stimmt dem zu, unterstreicht, dass Amerika doch auf bürgerliche und persönliche Freiheit (Liberty and Freedom) aufbaue, die in der Revolution erkämpft worden seien. Die dürfe man den Menschen nicht nehmen, ihnen nicht den Mund verbieten, sie als Rassisten und Unterdrücker abstempeln, nur weil sie für ein authentisches Amerika eintreten. Auch sie kommt auf Liberalismus zu sprechen. Was unter diesem Deckmantel daherkomme, sei in Wahrheit purer Egoismus, habe nur das Ziel, die traditionellen und richtigen Werte zu zerstören. Abtreibung, kein Respekt mehr vor der Familie aus Mann und Frau, für sich selbst verantwortlich zu sein und denen zu helfen, die Hilfe benötigen - das alles sei bedroht, und zudem wolle sich der Staat überall einmischen. »Die in den großen Städten an der Küste mögen ja so denken, wir tun das nicht. In den Nachrichten sagen sie immer, wir seien eine kleine Minderheit, aber wir sind die Mehrheit in Amerika!«
Ihre Freundin Mary wird deutlich: »Wir leben doch den amerikanischen Traum, niemand kann dich daran hindern, dass du erfolgreich im Leben bist. Die andern wollen, dass der Staat für sie sorgt, wir wollen das nicht.« Die andere Partei, und damit meint sie die Demokraten, insbesondere den linken Flügel mit den großen Sozialprogrammen, die auch Biden verspricht, handele nach dem Motto »Wir nehmen es von dir und geben es den anderen«. Jeder könne hier leben, aber wer das wolle, müsse arbeiten wie sie auch. Trump habe das verstanden und zur Politik gemacht, Bidens Liberalismus zerstöre alles, bringe Millionen illegale Einwanderer ins Land, lege die hart arbeitenden Amerikaner in immer neue Fesseln.
Dies sind einzelne Stimmen aus dem konservativen Kernland der USA, die aber typisch für das Denken dieser überwiegend Weißen Mittelschicht sind, die sich nach einer Rückkehr des Trumpismus 2024 sehnt. »Liberalismus« ist dabei zunehmend zum Kernbegriff und einem Schimpfwort geworden, zur Ursache für den empfundenen Zerfall der Gesellschaft. Das macht populistisch auftretende Autokraten attraktiv, sieht sie als Retter ihrer Welt. »Die aktuellen Bedrohungen für die Demokratie und der Aufstieg autoritärer Stimmungen, die viele Wähler zumindest hinnehmen, haben mehrere Ursachen«, schreibt Pulitzer-Preisträger David Leonhardt in der New York Times.2 »Sie spiegeln die Frustration darüber, dass der Lebensstandard der amerikanischen Arbeiterklasse und Mittelschicht fast ein halbes Jahrhundert kaum gewachsen ist. Sie spiegeln auch die kulturellen Ängste, dass die USA in ein anderes Land verändert werden könnten. Ökonomische Frustration und kulturelle Ängste haben zusammen einen tiefen Graben durch das amerikanische politische Leben gezogen. Er verläuft zwischen wohlhabenden, diversen und führenden Metropolregionen auf der einen und eher traditionellen, religiös und ökonomisch ums Überleben kämpfenden kleinen Städten und ländlichen Gebieten auf der anderen. Die erste Gruppe wird immer liberaler und neigt den Demokraten zu, die andere wird konservativer und tendiert zu den Republikanern.«
Das überträgt sich unmittelbar auf das politische System, von dem zumindest der Mythos sagt, dass es früher besser in der Lage war, die Aufgaben zu lösen. Nach den Wahlen seien in der Vergangenheit Vernunft und Pragmatismus zurückgekehrt, jetzt gehe es einzig darum, das politische Gegenüber zu blockieren. Alle stehen gegeneinander, nicht nur Demokraten und Republikaner. Die Regierung habe mit dem Kongress nur noch einen unerbittlichen Gegner, nicht mehr einen Konkurrenten im kreativen politischen Wettstreit. Die Bundesstaaten positionieren sich gegen die Bundesregierung, und selbst der Supreme Court, der Oberste Gerichtshof, urteile auf der Basis politischer Interessen. Politik wird vor allem von der arbeitenden Mittelschicht zunehmend als unfähig betrachtet, die anstehenden Probleme zu lösen, während sie gleichzeitig die individuellen Freiheiten einschränkt.
»Die...
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