2.
Die drückende Schwüle in der vergangenen Nacht hat mich kaum schlafen lassen. Auch Erik hat sich neben mir ständig hin und her geworfen. Er ist schon vor dem Weckalarm aufgestanden und duscht jetzt. Wehmütig erinnere ich mich daran, dass wir früher oft zusammen geduscht und uns jedes Mal unter dem Wasserstrahl geliebt haben. Eriks gut gebauter Körper, das Muskelspiel unter der gebräunten Haut, der flache Bauch und sein Glied zu fühlen, war wunderbar. Mit seinen langen, schmalen Fingern hat er mich eingeseift und damit in Ekstase versetzt. Manchmal habe ich ihm auch nur beim Duschen zugesehen, bis wir so scharf aufeinander waren, dass wir jedes Mal danach im Bett gelandet sind. Auch diese Momente sind uns verloren gegangen.
Ich döse, während er das Bad verlässt und ins Ankleidezimmer geht. Ich höre Türen klappen, Stoff rascheln und gedämpfte Schritte, und schon schlafe ich wieder ein. Als er sich zu mir herabbeugt und zum Abschied einen Kuss auf die Schläfe haucht, blinzele ich.
»Bis später«, flüstert er. Ich strecke meinen Arm aus, um ihn an mich zu ziehen. Zu spät, er ist längst fort.
Gegen Abend wird er nach Hause kommen, wir werden zusammen zu Abend essen. Während er joggen geht, erledige ich vielleicht noch das eine oder andere im Haushalt oder sehe fern, bis wir irgendwann nebeneinander einschlafen. Der ewige Kreislauf des Alltags. Das kann doch nicht alles sein!
Deshalb beschließe ich, dass sich etwas ändern muss. Ich werde Erik in der Mittagspause zum Lunch bei unserem Lieblingsitaliener abholen und ihn danach im Auto verführen. So wie ich es früher getan habe. Ich male mir alles in den schönsten Farben aus. Das hebt meine Stimmung. Eigentlich habe ich heute gar nicht frei. Egal. Ich angele mein Handy vom Nachttisch und wähle die Nummer meiner Vertretung im Nachbarbüro. Die zuverlässige Caro, die nur fehlt, wenn eines ihrer Kinder erkrankt ist.
»Hey, Caro, ich bin`s, Nicki«, melde ich mich. »Ich hab heute schreckliche Kopfschmerzen und muss zu Hause bleiben.« Mitleidsbekundungen und Genesungswünsche von Caro folgen, bevor wir den Termin- und Arbeitsplan besprechen. Zufrieden lege ich auf. Der erste Schritt meines Plans ist umgesetzt.
Es ist Mittag, als ich meinen Mini in die Straße steuere, in der sich Eriks Büro befindet. Auch heute ist wieder ein heißer Sommertag. Deshalb habe ich mich nach dem Duschen für ein leichtes Baumwollkleid entschieden und auf jegliche Unterwäsche verzichtet. Nicht nur, dass es praktisch ist, nichts darunter zu tragen, ich will Eriks Fantasie anregen. Hoffentlich klappt`s.
Als ich mich nähere, sehe ich die Baustelle vor dem Gebäude, die ich völlig vergessen habe. Die Baustelle zwingt mich, meinen Mini weiter entfernt zu parken. Ich rolle mit den Augen, denn bei der Hitze bereue ich meine Entscheidung für High Heels, auch wenn sie noch so sexy aussehen. Nachdem ich den Bürokomplex mehrfach erfolglos auf Parkplatzsuche umkreist habe, quetsche mich in eine winzige Parklücke. Die Sonne brennt auf meinen bloßen Schultern. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass seine Pause gleich beginnt. Ich muss mich sputen, wenn ich ihn nicht noch verpassen will. Ein flaues Gefühl breitet sich in meinem Magen aus. Ob er sich freuen wird, mich zu sehen? Hoffentlich hat er nicht bereits eine anderweitige Verabredung. Mein Herz klopft vor Aufregung. Ich fühle mich wie in der Zeit unseres Kennenlernens. Es kribbelt in meiner Scham. Ich komme mit den hohen Absätzen nur langsam voran. Der Bürgersteig ist an verschiedenen Stellen uneben, sodass ich ständig umknicke. Ich muss acht geben, dass ich mir nicht einen Absatz abbreche. Die Schuhe haben mich nämlich ein Vermögen gekostet. Genervt folge ich dem rot-weißen Absperrband, an dessen Ende der Eingang zur Börse liegt. Für eine Sekunde überlege ich, auf die andere Straßenseite zu wechseln, aber das würde mich nur unnötig Zeit kosten. Also stöckele ich am Rand von aufgeschütteten Kies- und Sandbergen entlang. Nach wenigen Schritten sehe ich bereits den Eingang. Vor Vorfreude achte ich weniger auf die Schritte und trete prompt in ein Gitterloch. Fluchend versuche ich, den Absatz herauszuziehen, der sich zu meinem Ärger verhakt hat. Kostbare Sekunden vergehen. Wenn ich nicht bald loskomme, verpasse ich Erik noch. Ich bücke mich tiefer, um mir das genauer anzusehen. Ein Gitterdraht hat sich in meinen Absatz gebohrt. Na, wunderbar, den Schuh kann ich wahrscheinlich wegschmeißen. Ich bin wütend und noch wütender, als Gelächter hinter mir ertönt. Über mir auf dem Gerüst stehen ein paar Handwerker mit gelben Bauhelmen und beobachten mich. Sie amüsieren sich köstlich über mein Missgeschick. Die haben gut lachen. »Schadenfreude ist doch die beste Freude, nicht wahr?«, rufe ich wütend zu ihnen hinauf, bevor ich mich wieder meinem Absatz widme. Die Sonne brennt mir auf Rücken und Hintern. Unwillkürlich tasten meine Hände nach dem Rocksaum, der knapp unterhalb meines nackten Hinterns endet. Verdammt, eigentlich müsste ich mich noch ein Stück tiefer bücken, um das Metall aus dem Absatz zu ziehen. Doch dann würde mein Rock noch höher rutschen und allen meine Blöße preisgeben. Ich gehe tiefer in die Knie. Im gleichen Augenblick trifft mich ein Schlag auf meine Kehrseite. Ein flammender Pfeil schießt von meinem Hinterteil zwischen meine Schenkel und löst ein heftiges Prickeln in meinem Unterleib aus. Wie damals bei Roland. Als mir bewusst wird, dass mir ein Fremder den Hieb verpasst hat, wirbele ich empört herum. Durch die Drehung löst sich mein Absatz. Egal, ich bin stinksauer. »Hey, das ist sexuelle Belästigung und eine Anzeige wert!«, brülle ich dem blonden Hünen hinterher, der mich frech angrinst. Seine Kumpane über mir brechen erneut in Gelächter aus. Wenn ich es nicht so eilig hätte, würde ich jetzt direkt zur Polizei gehen und den dreisten Kerl anzeigen. »Meinetwegen. Geh` doch zu den Bullen, Babydoll.« Lachend winkt er ab und mustert mich lüstern. Wie viel hat er gesehen, frage ich mich in diesem Moment, und kämpfe gegen die aufsteigende Erregung an. »Wir sprechen uns noch«, gifte ich zurück, während mir bereits klar ist, dass es nichts bringt, wegen dieser Bagatelle zur Polizei zu gehen. Die Kerle werden sowieso zusammenhalten und gemeinschaftlich behaupten, ich hätte das provoziert. Ich eile an dem Hünen vorbei und ramme ihm im Vorbeigehen mit Genugtuung meinen Ellbogen in den Magen. Wieder Gelächter der anderen. Ich ignoriere es, als ich von weitem Erik erkenne, der das Börsengebäude verlässt.
Ich liebe meinen gut aussehenden Mann im anthrazitfarbenen Nadelstreifenanzug. Eriks gestählter Körper zeichnet sich deutlich unter dem teuren Zwirn ab. Die Kraft seiner Muskeln steht im Kontrast zu seiner Sanftheit. Dabei kann er durchaus zupacken, wie ich von unserem Umzug weiß. Wie sehr wünsche ich mir, er würde es einmal bei mir tun.
Er hat mich noch nicht bemerkt, hält sein Handy ans Ohr. Ich eile den schmalen Seitenweg auf ihn zu. Ich kann es kaum erwarten, ihn zu überraschen. Er registriert mich erst, als ich ihm den Weg versperre. Ein Lächeln huscht über sein Gesicht, bevor er das Handy in die Brusttasche steckt. Mit einem Jauchzen werfe ich mich in seine Arme und presse meinen Mund auf seinen. Ich habe das Gefühl, als wären wir eine Ewigkeit getrennt gewesen. Er fühlt sich fantastisch an. Das Brennen auf meinem Hintern ist schwächer geworden, aber mein Körper steht in Flammen. Ich bin so heiß, dass ich auf der Stelle mit Erik Sex haben könnte, gleichgültig, ob uns alle dabei zuschauen.
Sanft beendet er den Kuss. »Was machst du hier, Nicki?«
»Ich wollte dich zum Lunch entführen. Komm«, erkläre ich und fasse nach seiner Hand.
»Da hast du aber Glück, dass Carl eben abgesagt hat.« Er tippt gegen das Handy in der Brusttasche.
Es macht mich glücklich, dass er sich offenbar über meinen Einfall freut. Die Hoffnung, dass alles wieder so wird zwischen uns, wie es mal war, erhält neue Nahrung. Hand in Hand gehen wir die Straße entlang.
»Wo willst du hin?«, fragt er und drückt meine Hand liebevoll.
»Zu Giacomo.« Er zieht mich kurz an sich und küsst mich auf die Nasenspitze. »Du weißt immer, worauf ich Appetit habe.« Wenn du das auch immer von mir wüsstest, wäre das toll. Aber ich verkneife es mir.
Eriks BMW-Cabrio parkt direkt hinter der nächsten Straßenecke.
»Als wenn ich es geahnt hätte.« Er zieht die Beifahrertür auf, damit ich einsteigen kann.
Wenige Minuten später sitzen wir in der hintersten Ecke von Giacomos Restaurant, an unserem Lieblingstisch, an dem Erik mich damals gebeten hat, seine Frau zu werden. Wir kommen her, so oft es uns möglich ist. Eine halbhohe Mauer trennt uns von den anderen Gästen. Wir sitzen wie immer nebeneinander und genießen Pasta mit Meeresfrüchten und Lambrusco. Während des köstlichen Essens finden sich immer wieder unsere Hände. Jede Berührung ist vertraut und zugleich aufregend. Ich bin ganz kribbelig vor Erregung und sehne den Augenblick herbei, in dem wir uns endlich im Wagen lieben. Eriks Blicke werden tiefer, und an seinem beschleunigten Atem erkenne ich, dass auch er daran denkt. Er hat es eilig mit dem Bezahlen, dann verlassen wir das Restaurant. Erik legt den Arm um meine Schultern und dirigiert mich zum Wagen. Gleich werde ich seine Hände auf meinem Körper spüren, seinen heißen Atem an meinem Hals und seinen harten Schaft, der sich in mich bohrt.
Erik zieht die Fernbedienung des Wagens aus der Tasche. Per Knopfdruck schließt er das Verdeck, zum Erstaunen einiger vorübergehender Passanten, die sicher nicht verstehen können, dass ein Cabriofahrer bei diesem fantastischen Wetter darauf verzichtet. Ich lasse mich auf den Beifahrersitz sinken. Das Pulsieren in meiner Scham ist wieder da. Erik...