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Am 24. Januar 2022 war es endlich so weit. Zur besten Sendezeit wurde in der ARD der Dokumentationsfilm "Wie Gott uns schuf" gezeigt. Ein Paukenschlag in der katholischen Landschaft und darüber hinaus. Damit haben wohl die wenigsten gerechnet, durchaus überraschend. Oder doch nicht?! Dieser Beitrag bildete den öffentlichen Auftakt zur Initiative queerer Menschen, die unter dem Titel #OutInChurch bekannt geworden ist.
In dieser Dokumentation sind Menschen sichtbar geworden und zu Wort gekommen, die in unterschiedlichen Diensten der katholischen Kirche stehen und nicht der heterosexuellen Normvorstellung entsprechen. Mehr als 120 Menschen haben diesen gemeinsamen Schritt in die Öffentlichkeit gewagt und von ihren Auseinandersetzungen und Kämpfen um ihre Identität in ihrer Kirche erzählt. In vielem ist diese einfühlsame Dokumentation unter die Haut gegangen, hat im Tiefsten berührt und bewegt, und auch so manche Träne ist geflossen. Das Thema Diskriminierung queerer Menschen in kirchlichen Kontexten fand öffentliche Aufmerksamkeit. Ein Schritt aus dem Zwang auf dem Weg der Freiheit.
Ein entscheidender Impulsgeber für die Initiative war ein Jahr zuvor die Aktion #ActOut, das Outing vieler Schauspielerinnen und Schauspieler in der Süddeutschen Zeitung und das Nein aus Rom zur Segnung homosexueller Lebensgemeinschaften. Ein weiterer wesentlicher Hintergrund ist die starke Diskrepanz zwischen der befreienden Wirkung der Botschaft Jesu und der Angst, in der viele in der Kirche leben. Sie sollte doch eigentlich ein Raum des Lebens und der Freiheit sein. Aber wird sie dem auch gerecht? Bei der Frage nach dem richtigen Zeitpunkt hat auch der Synodale Weg in Deutschland eine Rolle gespielt.
Die Frage stellte sich für mich: Wie wird dieser Dokumentationsfilm ankommen, was wird er bei den Menschen auslösen und bewirken? Vorfreude und Unsicherheit hielten sich gleichermaßen die Waage. Persönlich hatte ich mir diese Frage gestellt: Sollte ich dort mitmachen? Werde ich den Mut aufbringen zu sagen, wer ich bin, und die Kraft, mich vor die Kamera zu setzen und mich zu positionieren? Ich hatte mich dafür entschieden! Eine Entscheidung, die ich aus freien Stücken und nach manchen Meditationszeiten getroffen habe. Für mich war es ein geistlicher Prozess, ein großer Schritt - hinein in eine Freiheit. Ein Zurück gibt es nicht und sollte es auch nicht geben. Überrascht hat mich die Resonanz, die mich erreichte. Beeindruckend war für mich, wie viele Menschen sich nach der Dokumentation und meinem/unserem Outing gemeldet haben. Die Rückmeldungen waren überwiegend positiv. Dies trägt, ermutigt und stärkt mich in meinem Empfinden: Es war dran, es ist gut und bewegt hoffentlich was. Allerdings hat es auch Stimmen gegeben, die alles andere als hilfreich und freundlich gewesen sind. "Sie interessieren mich nicht!", "Wie können Sie Exerzitien begleiten oder Menschen, wenn Ihnen nicht klar ist, was die kirchliche Lehre ist - und Sie diese nicht vermitteln!" oder "Sie sind untragbar, Ihres Berufes nicht würdig und nicht geeignet!". Derartige Stimmen verletzten, sind menschenverachtend, reißen Gräben auf oder vergrößern diese. "Es darf nicht sein, was nicht sein soll" - solch eine Einstellung grenzt aus und ist entwürdigend. Es bringt nicht zueinander. Es diskriminiert mich und andere Menschen und versucht, konkreten Menschen wie mir die Würde zu nehmen. Eine solche Haltung hält Menschen klein und verletzt bis ins tiefste Innere. Dagegen jedoch steht die Botschaft des Evangeliums: Jede:r besitzt eine einzigartige Würde, die es zu entdecken und zu entfalten gilt.
Persönlich haben mich die einzelnen Beiträge der Dokumentation sehr angesprochen. Menschen wurden sichtbar und hörbar, sie haben eine Stimme und ein Gesicht bekommen. Darum geht es ganz entscheidend: sich nicht verstecken zu müssen. So sein zu können und zu dürfen, wie ich bin, wie Gott mich gedacht und gewollt hat. "Ich will, dass du bist", dieses Wort des hl. Augustinus, das sich in der Kirche der Augustiner in Würzburg findet, bringt es für mich treffend auf den Punkt. Es lohnt, dieses Wort täglich zu meditieren, zu verinnerlichen, um es zu leben. Ich werde mir bewusst, wer ich bin - vor Gott und für Gott. Und darüber hinaus: auch in einer menschlichen, tragfähigen Beziehung. Ich werde mir bewusst, wer ich bin: ein Mensch, der liebenswürdig und fähig ist zu lieben. Dieses Wort hat die Kraft, mich werden und sein zu lassen, wer ich in den Augen Gottes bin: gewollt und geliebt, einzigartig im Blick eines göttlichen Du. Wo ich es mir selbst immer wieder neu zuspreche, wachse ich - in meiner Würde und Größe, in meiner Freiheit, in meiner Liebesfähigkeit. Ich wachse in der Beziehung zum anderen Menschen hin.
Wenn ich mich hingegen verstecken muss, wo ich mich nicht zeigen kann, bin ich innerlich nicht wirklich frei, ich gebe mich anders, als ich bin. In gewisser Weise lebe ich in einer permanenten Verunsicherung und Angst, die gefangen hält. Das hält mich klein, lässt mich nicht frei und ungezwungen auftreten. Wie befreiend hingegen und Leben fördernd, sich offen zeigen zu können oder zu dürfen. Der Umgang mit meiner Unsicherheit verändert sich und Angst schwindet mit der Zeit. Wenngleich sich vielleicht auch weitere Fragen einstellen können. Als ich mich entschieden hatte, bei der Initiative #OutInChurch mitzumachen, stellten sich für mich viele Fragen: Wie wird meine Familie, wie werden meine Eltern, Geschwister und Neffen darauf reagieren, wenn sie hören: Ich bin schwul!? Bis dorthin hatte ich nämlich nichts von meinem Schwulsein erzählt. Oder meine Ordensgemeinschaft, der ich angehöre? Zu lange habe ich mit meiner Homosexualität hinter dem Berg gehalten, mich in gewisser Weise vor anderen "unsichtbar" gemacht - und meine Identität und Orientierung verschwiegen. "Es soll ja niemand mitbekommen." Dieses vermeintliche Alibi fördert das Versteckspiel. Die Unsicherheit und Angst, nicht gewollt, angenommen und geliebt zu sein, hat sich eingegraben. Im Letzten ließ es mich nicht wirklich frei und selbstbewusst auftreten oder aufrecht und aufrichtig leben. Dazu ist aber jede:r gerufen: als aufrechter und aufgerichteter Mensch zu leben und das Leben auszugestalten. Das steckt wohl in jeder und jedem.
Erinnern kann ich mich noch gut an die Zeit, als Papst Benedikt sehr deutlich formuliert hat, dass Homosexuelle nicht zu Priestern geweiht werden könnten. Sie können und dürfen nicht geweiht werden, weil sie nicht fähig sind, tragfähige und "richtige" Beziehungen aufzubauen. Eine solche Einstellung und Haltung halte ich schlichtweg für nicht dem Evangelium gemäß und menschenverachtend. Diese Aussage von Papst Benedikt war wie ein gewaltiger Schock für mich. Es machte mich wütend, aber wohin mit meiner Wut? Letztlich ließen mich diese monströsen und gewaltigen Unworte "in ein Schneckenhaus verkriechen". Ich fühlte mich allein. Mit wem kann oder sollte ich darüber sprechen, wie es mir innerlich geht, was mich bewegt? Diese schwierige Situation ließ in mir Fragen und Verletzungen aufkommen. Es hat mich heruntergezogen. Wer bin ich? Wie ist es bei mir? Ich bin doch geweiht worden! Bin ich gültig geweiht? Wie ist es mit meiner geistlichen Berufung? Sehr lange hat es gebraucht, bis ich annähernd verstanden habe: Ja, ich bin von Gott gewollt, auch mit meiner sexuellen Identität und Orientierung als schwuler Mann. Ja, ich kann meine Berufung als Franziskaner und meinen Dienst als Priester unter den Menschen leben.
Heute fühle ich mich immer noch suchend und weiter fragend auf dem Weg - mit Wegmarken der Hoffnung, die mich weiter antreiben. Vielleicht ist es die Erfahrung, immer noch im Mensch-Werden zu sein; die unbeugsame Sehnsucht und die Erfahrung, endlich "angekommen zu sein im Land der Verheißung". Dankbar kommen mir Menschen in Erinnerung, die mich auf diesem Weg begleitet und gestützt haben, die mich immer noch begleiten und stärken, auf einem guten Weg unterwegs zu sein. Ich möchte sie in meinem Leben nicht mehr missen, sie schreiben ein Stück meiner Lebens- und Glaubensgeschichte mit. Sie prägen mich in meinem Mensch-Werden. Weggefährt:innen an der Seite zu wissen, bringt vorwärts und ermutigt. Menschen, mit denen ich mein Innenleben teilen und über meine Gedanken und Gefühle sprechen kann. Das ist ein Lernprozess des Vertrauens.
Ein Klima des Vertrauens und der Ermutigung, ein angstfreier Ort ist für mich auch in unserer Gruppe #OutInChurch entstanden. Eine Gemeinschaft von suchenden und hoffenden, von liebenden und liebesfähigen Menschen, ganz unterschiedlich - bereichernd eben. Mir hat es gezeigt, wie wertvoll und hilfreich es ist, die Freuden und Sorgen, die Hoffnungen und Sehnsüchte, die Ängste und Unsicherheiten einander mitzuteilen und miteinander zu teilen -...
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