Schweitzer Fachinformationen
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Nach einem Autounfall hat Susanne vorübergehend ihr Gedächtnis verloren. In ihrer Manteltasche findet sie eine Einladung in die Bretagne, adressiert an eine Anne-Marie LeBars. In der Annahme, sie sei jene Anne-Marie, reist Susanne in die Bretagne. Ihr Ziel ist ein malerischer Ort oberhalb steiler Felsklippen, der nur aus einigen Fischerhäuschen und einem Leuchtturm besteht. Im Haus des Leuchtturmwärters trifft Susanne auf eine warmherzige, alte Dame, die glaubt, nun endlich ihrer Enkelin Anne-Marie gegenüberzustehen ...
Mozart. Türkischer Marsch. Düdeldüdeldütt, Düdeldüdeldütt . Wolfgang Amadeus. Immer wieder von vorn. Türkischer Marsch. Düdeldüdeldütt .
Sie fingerte nach dem Handy, ohne die Augen zu öffnen. Fand es unter dem Kopfkissen und blinzelte auf das Display. Bevor sie etwas erkennen konnte, rutschte ihr das Teil aus der Hand, schlug gegen den Nachttisch und glitt unter das Bett.
Düdeldüdeldütt .
Verdammt! Stöhnend robbte sie zur Bettkante und angelte den Störenfried unter dem Bett hervor. Auch das noch. Es war Mama.
»Hallo?«
Ihre Stimme klang heiser, sie räusperte sich und wusste sofort, was Mama jetzt fragen würde.
»Du liebe Güte, Kind! Bist du krank? Du hörst dich ja furchtbar an.«
»Nein, nein . Nur ein wenig . belegt. Alles in Ordnung, Mama .«
Sie ließ sich zurück in die Kissen fallen und schloss die Augen. Sie fühlte sich tatsächlich krank. Irgendwie ausgehöhlt. Zittrig.
»Na, Gott sei Dank. Du kannst dir jetzt auf keinen Fall leisten, krank zu werden, das weißt du ja. Nimm am besten gleich prophylaktisch Grippostad ein, bei diesem kalten Herbstwetter hat man sich schnell eine Erkältung eingehandelt .«
»Ja, Mama .«
Durch die Jalousie fiel mattes Tageslicht - wie viel Uhr war es eigentlich? Ach du Schreck - schon zehn nach neun. Das Seminar bei Professor Grossier konnte sie vergessen. Wieso hatte Paul sie nicht geweckt, als er zur Arbeit ging?
»Ich bin auf dem Sprung zur Monet-Ausstellung im Grand Palais. Weißt du, sie haben ein paar Werke aus privatem Besitz ergattert, die man sonst nicht zu sehen bekommt. Ich werde Josephine und ein paar Freunde treffen .«
Susanne schaltete das Handy auf Lautsprecher und legte es auf die Bettdecke. O Gott - sie hatte das Seminar verpasst, schon zum zweiten Mal. Sie musste sich eine glaubhafte Ausrede einfallen lassen und natürlich nacharbeiten. Es war einfach nicht zu schaffen. Sie war rettungslos im Rückstand, und dabei hatte sie bis gegen sechs Uhr morgens am Schreibtisch gesessen. Dann hatte sich ihr Kopf geweigert, weitere Informationen aufzunehmen, und sie war ins Bett gefallen . Ach, es war Paul, der alles durcheinanderbrachte. Ihr Studium, ihre Wohnung, ihren Hormonspiegel, ihre Gefühlswelt . ihr ganzes Dasein. Paul, die Liebe ihres Lebens.
». auf einen kleinen Kaffee . In zehn Minuten kann ich bei dir sein .«
Sie hatte den Berichten ihrer Mutter nur mit halbem Ohr zugehört, und jetzt fuhr sie erschrocken zusammen. O Gott - Mama war in Paris!
»Hier bei mir? Ach . das geht schlecht, Mama .«
Ihre Mutter durfte auf keinen Fall Pauls Sachen sehen, die überall herumlagen. Susanne hatte Paul nur einmal ganz am Rande erwähnt; dass er inzwischen bei ihr wohnte, durften ihre Eltern nicht wissen.
»Wieso? Hast du etwa . Besuch?«
»Ich? Besuch? Aber nein. Anne-Marie, meine Putzhilfe kommt gleich, um hier alles auf den Kopf zu stellen .«
Das war eine glatte Lüge. Eine Notlüge, ebenso verwerflich wie notwendig.
»Ach, wie schade. Dann vielleicht heute Nachmittag? Ich hätte Zeit zwischen .«
»Oh, das tut mir wirklich leid, Mama, aber da bin ich an der Uni.«
»Natürlich. Wie dumm von mir .«
Susanne war im vorletzten Semester, bereitete sich auf den Master vor. Ein deutsch-französischer Studiengang im Bereich »Management International«, aufgeteilt zwischen den Universitäten Paris und Berlin. Sie hatte ihre Schulzeit in einem Schweizer Internat verbracht und sprach Französisch so flüssig wie ihre Muttersprache. Wenn sie das Studium mit dem »Master of Arts« abgeschlossen hatte, standen ihr alle Türen offen.
»Lass uns im >Chez Kelly< einen netten kleinen Kaffee trinken, Mama. In einer halben Stunde?«
Mama schien nicht gerade begeistert, doch sie akzeptierte. Wo das sei? Ach so, im Quartier. Rue de la Harpe? Nein? Nun, sie würde sich ein Taxi nehmen.
Susanne schaltete das Gespräch aus und tat einen tiefen Seufzer. Damit waren ihre Pläne endgültig dahin. Eigentlich hatte sie zu Grossier gehen wollen, dann noch ein wenig schlafen, danach mit Paul den Nachmittag verbringen und in der Nacht für das Studium arbeiten. Nachdem Punkt eins, die Veranstaltung an der Uni, schon einmal ausgefallen war, würde sie jetzt also mit Mama Kaffee trinken. Danach - das wusste sie aus Erfahrung - würde sie nicht schlafen können. Höchstens mit einem Beruhigungsmittel, aber sie mochte das Zeug nicht, es machte sie schwindelig, und ihr Kopf fühlte sich an wie mit Watte ausgestopft. Sie brauchte aber ein wenig Schlaf, sonst würde sie in der Nacht nicht arbeiten können . Panik ergriff sie. Was, wenn sie durch das Examen fiel? Susanne Meyer-Schildt, die bisher alle Prüfungen mit Auszeichnung bestanden hatte, verpasste den Master. Das konnte sie ihrer Familie nicht antun .
Als sie unter der Dusche stand, fühlte sie sich etwas besser. Was regte sie sich auf? Sie hatte noch nie Probleme mit dem Studium gehabt, es würde schon klappen. Vielleicht nicht gerade mit Auszeichnung, wie die Eltern es erwarteten. Aber sie würde durchkommen. Seitdem sie Paul kannte, fand sie es längst nicht mehr so wichtig, immer und überall die Beste zu sein. Die steile Karriere, die ihre Eltern für sie geplant hatten, machte ihr jetzt eher Angst. Sie föhnte das nasse Haar und betrachtete sich dabei im Spiegel. Blass war sie, übernächtigt, waren das Falten in den Augenwinkeln? Alles in allem hatte sie schon besser ausgesehen. Gesünder vor allem. Dabei war sie eigentlich sehr glücklich, seitdem sie mit Paul zusammen war. Er stellte ihr Leben auf den Kopf, und das war wundervoll.
Sie steckte einen Finger zwischen zwei Lamellen der Jalousie und schaute durch den Spalt nach draußen. Bedeckter Himmel, Wind zerrte an Mänteln und Jacken der Passanten, Nieselregen. So richtig ekliges Herbstwetter, passend zu ihrer Stimmung. Sie zog Jeans und Pulli an, den Sommermantel darüber, das Haar war noch nicht ganz trocken - egal. Es wurde im Regen sowieso wieder feucht. Hunger hatte sie jetzt auch, hoffentlich hatten sie bei »Chez Kelly« noch Croissants. Die Pasteten mochte sie nicht, sie waren ihr zu trocken.
Sie hastete die Treppen hinunter und wäre unten im Hausflur beinahe mit dem Briefträger zusammengestoßen.
»Bonjour, Monsieur!«
Er war nicht böse. Riet ihr nur, langsam zu machen, sonst würde sie sich noch die Beine brechen. Vermutlich hätte es ihm sogar gefallen, wenn sie in seinen Armen gelandet wäre. Paul hatte neulich behauptet, sie würde alle Männer über vierzig becircen. Eine Frechheit, aber er sagte es mit einem so spitzbübischen Grinsen, dass man ihm einfach nichts übelnehmen konnte.
Mama saß bereits im Bistro, hatte sogar einen Tisch am Fenster mit Blick auf die Straße erobert und eine Tasse Café au Lait vor sich stehen. Mit ihrem eleganten Kostüm und dem frisch ondulierten Haar wirkte sie wie ein Fremdkörper zwischen den nachlässig gekleideten Studenten. Mamas Haar war schulterlang und hellblond gefärbt, angeblich in ihrer ehemaligen Naturfarbe. Das waldgrüne Kostüm hatte sie in München in einem Trachtengeschäft erworben, auch das Hütchen stammte von dort. Ihre Eltern liebten Trachtenmode, sie hatte etwas von Landadel und Gutsherrentradition an sich. Insgeheim hatte Mama immer gehofft, dass wenigstens eines ihrer drei Kinder einmal in adelige Kreise einheiraten würde. Julia und Christopher hatten sie in dieser Hinsicht leider enttäuscht - nun blieb nur noch die Jüngste. Susanne spürte den prüfenden Blick aus mütterlichen Augen und wappnete sich.
»Wie schön, dich zu sehen, mein Schatz! Blass bist du! Bekommst du zu wenig Schlaf? Die Wohnung ist doch ruhig gelegen, oder?«
»Ja, sehr ruhig . Ich habe viel Arbeit, Mama. Die Veranstaltungen an der Uni. Und gleichzeitig muss ich ja schon die Masterarbeit vorbereiten .«
»Du weißt ja, dass du dich jederzeit an Papa wenden kannst - falls es Fragen gibt, meine ich.«
»Das weiß ich, Mama.«
Jean-Pierre kam zu ihrem Tisch und nahm die Bestellung auf. Susanne fürchtete einen Moment, er könnte eine Bemerkung machen wie: »Heute mal ohne Paul?«, aber er sagte nur »Salut« und grinste nicht einmal. Möglich, dass Mamas Anblick ihn einschüchterte. Drüben unter der Reproduktion von Chagalls Liebespaar mit Hahn hatten sich jetzt zwei weitere Kommilitonen niedergelassen, Ben und Solange. Sie grüßte hinüber und wandte sich dann demonstrativ ihrer Mutter zu. Die beiden verstanden und ließen sie in Ruhe.
»Freunde von dir?«
»Man kennt sich . Wie geht es Julia? Hat Henriette die Masern gut überstanden?«
Mama konnte unglaublich kommunikativ sein, wenn sie wollte. Es hätte gerade noch gefehlt, dass sie Ben und Solange an ihren Tisch bat und ein Gespräch zu viert begann. Aber zum Glück ging sie auf Susannes Fragen ein. Ja, die Nichte sei wieder gesund, nur leider habe sie die kleine Schwester angesteckt. Und alles nur, weil Julia die Mädchen nicht gegen die Masern impfen ließ, sie sei da leider unbelehrbar. Die Firma laufe weiterhin hervorragend, vor allem drüben in den neuen Bundesländern habe Julia viel zu tun .
»Wie schön!«
Die ältere Schwester war immer Susannes großes Vorbild gewesen. Julia hatte alles im Leben geschafft, was sie sich vorgenommen hatte. Mit achtzehn Abitur, mit dreiundzwanzig den Master an einem privaten Wirtschaftsinstitut, eine...
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