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Franz Alt: Heiligkeit, lieber Freund. Vor fünfzehn Jahren haben Sie mir in einem Interview gesagt: »Das einundzwanzigste Jahrhundert könnte das glücklichste und friedlichste Jahrhundert in der Geschichte der Menschheit werden. Das hoffe ich für die Jugend.« Haben Sie diese Hoffnung auch heute noch?
Dalai Lama: Ich bin voll der Hoffnung, dass das einundzwanzigste Jahrhundert das wichtigste Jahrhundert der Menschheitsgeschichte werden könnte. Das zwanzigste Jahrhundert erlebte riesige Zerstörungen, menschliches Leid und noch nie da gewesene Umweltschäden. Wir stehen deshalb vor der Herausforderung, das einundzwanzigste Jahrhundert zu einem Jahrhundert des Dialogs und der Förderung des Bewusstseins für die Einheit der Menschheit zu machen. Als buddhistischer Mönch rufe ich alle Menschen zu Mitgefühl auf, der Quelle des Glücks. Unser Überleben hängt von der Hoffnung ab. Hoffnung bedeutet etwas Gutes. Ich glaube, glücklich zu sein ist der Sinn des Lebens.
Ich bin hinsichtlich der Zukunft optimistisch, weil die Menschheit zu reifen scheint; Wissenschaftler beachten mehr unsere inneren Werte, die Schulung des Geistes und der Emotionen. Es gibt einen ausgeprägten Wunsch nach Frieden und die Sorge um die Umwelt.
Der Klimagipfel in Paris Ende 2015 war der Anfang einer neuen Wirklichkeit. Die Welt hat sich vielleicht erstmals als Weltfamilie verstanden. Dabei haben sich alle Regierungen der Welt und die Europäische Union schriftlich verpflichtet, die Erderwärmung um nicht mehr als 1,5 Grad Celsius bzw. 2 Grad, gemessen am vorindustriellen Standard, steigen zu lassen. Doch global haben wir bereits einen Anstieg um mehr als ein Grad. Wenn wir so weitermachen, können es fünf bis sechs Grad Erwärmung werden. Noch in diesem Jahrhundert. Ich möchte dann nicht mein Enkel sein. Papier ist geduldig - die Regierungen handeln nicht. Bleiben Sie trotzdem optimistisch? Kann das Pariser Abkommen noch eingehalten werden?
Ich hoffe und bete dafür, dass das Pariser Abkommen von 2015 endlich spürbare Ergebnisse bringen wird. Denn: Es genügt nicht, nur Meinungen zu veröffentlichen und Konferenzen abzuhalten, wir müssen einen Zeitplan für den Wandel erstellen.
Egoismus, Nationalismus und Gewalt sind grundlegend falsch. Es ist sehr traurig, dass Amerika aus dem Pariser Abkommen ausgestiegen ist. Es ist wichtig, dass Wissenschaftler weiterhin über die Gefahren sprechen, denen wir ausgesetzt sind, und die Öffentlichkeit warnen. Und bei der Aufklärung der Menschen haben die Medien große Verantwortung. Die Kluft zwischen Arm und Reich ist beträchtlich, und wir müssen Maßnahmen ergreifen, sie zu schließen durch Hilfe für die Armen. Jede menschliche Aktivität sollte mit Verantwortungsgefühl, Engagement und Disziplin ausgeführt werden. Wenn unsere Aktivitäten aber kurzsichtig und für kurzfristigen Profit oder Machtzuwachs ausgeführt werden, dann werden daraus negative und destruktive Aktivitäten. Umweltschutz ist kein Luxus, den wir spaßeshalber wählen, sondern eine Überlebensfrage.
Ein leichter Temperaturanstieg in unserem Körper sorgt für viel Unbehagen. Aber ein Anstieg von fünf oder sechs Grad kann lebensgefährlich sein. Jahr für Jahr sind wir Zeugen der Erderwärmung aufgrund des Klimawandels. In jüngster Zeit haben Amerika und Europa extrem heiße Sommer und kalte Winter erlebt. Umweltfragen und Klimawandel sind ein globales Problem, betreffen nicht nur Europa, nicht nur die anderen Kontinente. Was sich auf diesem Planeten abspielt, geht uns alle an.
Schon 1992 haben Sie gesagt: »Die universelle Verantwortung ist der Schlüssel zum Überleben der Menschheit.« Was heißt das ganz konkret und praktisch?
Die sieben Milliarden Menschen sind soziale Wesen und müssen lernen zusammenzuleben. Die Zeiten sind vorbei, da man nur an »mein Land« oder »mein Volk«, an »wir oder die da« dachte. Wir leben in einer globalisierten Welt. Die Nationen denken an ihre eigenen nationalen Interessen und nicht an globale Interessen, und das muss sich ändern, weil die Umwelt ein globales Problem ist. Für globalen Umweltschutz müssen nationale Interessen zum Teil aufgegeben werden.
Aber Nationalismus prägt seit Jahrhunderten die Weltgeschichte. Lässt sich das wirklich überwinden?
Wohin ich auch gehe, erkläre ich, dass alle sieben Milliarden Menschen auf der Erde gleich sind, physisch, mental und emotional. Jeder möchte ein glückliches Leben führen, das frei von Problemen ist; sogar Insekten, Vögel und Säugetiere trachten danach.
Wenn wir eine friedlichere Welt und eine gesündere Umwelt fordern, zeigen wir oft auf andere und sagen, sie müssen dieses und jenes tun. Der Wandel muss jedoch mit uns selbst beginnen. Wenn ein Mensch mitfühlender wird, beeinflusst er andere, und auf diese Weise werden wir die Welt verändern. Wissenschaftler sagen, dass Mitgefühl grundlegend zu unserem Innersten gehört. Das stimmt mich hoffnungsvoll.
Angesichts solch globaler Probleme wie des durch CO2 verursachten Treibhauseffekts und des Schwindens der Ozonschicht sind einzelne Organisationen oder Nationen hilflos. Als mir 1989 in Oslo der Friedensnobelpreis verliehen wurde, rief ich die Welt zu universeller Verantwortung auf. Wir müssen lernen, dass wir alle Brüder und Schwestern sind und auf einer Erde und unter derselben Sonne leben. Wenn wir nicht alle zusammenarbeiten, kann keine Lösung gefunden werden. Deshalb ist es unsere große Aufgabe, uns zu den ethischen Prinzipien universeller Verantwortung zu verpflichten, jenseits von Profit und Religion, und das Wohlergehen aller fühlenden Lebewesen und künftiger Generationen über unseren Egoismus zu stellen. Der Klimawandel ist ein Thema, das die gesamte Menschheit betrifft. Wenn wir aber geleitet werden durch ein echtes Gefühl universeller Verantwortung, dann wird unser Verhältnis mit der Umwelt ausgewogen sein, wie auch das mit unseren Nachbarn. Mutter Erde erteilt uns eine Lektion in universeller Verantwortung.
Deshalb trägt jeder von uns Verantwortung dafür, die Welt zu einem sicheren Platz zu machen, für die nächsten Generationen, für unsere Enkelkinder und unsere Urenkel.
Ist die Klimaerhitzung allein ein politisches Problem, oder kann auch jeder Einzelne etwas dagegen tun?
Wissenschaftler sind sich einig darin, dass wir Menschen für Erderwärmung und veränderte Wetterbedingungen verantwortlich sind. Logischerweise bedeutet das, dass wir Menschen die Verantwortung dafür tragen, Probleme, die wir geschaffen haben, auch zu lösen.
Jeder Einzelne sollte seinen Lebensstil ändern, weniger Wasser und Strom verbrauchen, Bäume pflanzen und den Verbrauch von fossilen Brennstoffen, die in Millionen Jahren entstanden sind, einschränken. Fossiler Brennstoff kann nicht wiederverwendet werden; deshalb müssen wir erneuerbare Energie wie Sonne, Wind und Geothermie verwenden.
Als ich noch ein Junge war und Buddhismus studierte, wurde mir die Bedeutung einer liebevollen Einstellung zur Umwelt beigebracht. Unsere Ausübung von Gewaltfreiheit betrifft nicht nur Menschen, sondern alle fühlenden Wesen.
Was unterscheidet uns vom Tier? Es ist eine spezifische Eigenschaft des Menschen, über die Fähigkeit zu verfügen, langfristig zu denken. Tiere können nur von einem Tag auf den anderen leben. Wir haben ein besseres Gehirn, das auch zehn oder gar hundert Jahre vorausdenken kann. Tausend Jahre sind wahrscheinlich zu viel für uns. Wir können also die Zukunft vorbereiten und auf lange Sicht planen.
Was außer unserer Kurzsichtigkeit hindert uns daran, mit dem Planeten und der Natur vernünftig umzugehen?
Die Zerstörung der Natur und ihrer Ressourcen entsteht durch Kurzsichtigkeit, Ignoranz, Gier und mangelnden Respekt vor den Lebewesen der Erde. Heute haben wir Zugang zu mehr Informationen, und es ist absolut notwendig, dass wir ethisch neu überprüfen, was wir geerbt haben, wofür wir verantwortlich sind und was wir künftigen Generationen hinterlassen werden.
Denn die Lösung der Klimakrise ist nicht nur eine Frage der Moral, sondern vor allem eine, die unser eigenes Überleben betrifft. Unsere Umwelt ist nicht nur für die jetzt Lebenden essenziell, sondern auch für die zukünftigen Generationen. Wenn wir sie weiterhin auf so extreme Weise ausbeuten - und mögen wir daraus monetären oder anderen kurzfristigen Nutzen ziehen -, werden wir und unsere Nachfahren lange daran leiden. Wenn sich die Umwelt ändert, ändern sich auch die klimatischen Bedingungen. Wenn diese sich dramatisch ändern, wird das auch Einfluss auf die Wirtschaft und viele andere Bereiche haben. Sogar unsere physische...
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