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Die Reise nach Strömstadt
Das Kindermädchen
Auf Mårbacka gab es einmal ein Kindermädchen, das Back-Kajsa hieß. Back-Kajsa war sicherlich drei Ellen lang und sie hatte ein großes, grob geschnittenes Gesicht mit strengen, finsteren Zügen; ihre Hände waren hart und voller Risse, in denen beim Kämmen die Haare der Kinder hängen blieben, und sie war düster und trübsinnig.
Ein solches Menschenkind schien nicht gerade zum Kindermädchen geschaffen zu sein, und Frau Lagerlöf hatte sich auch sehr lange besonnen, ehe sie sie dingte. Back-Kajsa hatte noch nie zuvor gedient, ihre Herkunft machte sie auch nicht anziehender und von guten Manieren hatte sie keine Ahnung, denn sie war in der armseligen Kate Backarna weit droben auf der Waldhöhe oberhalb Mårbacka aufgewachsen, wo kein Mensch ringsum wohnte.
Aber es war offenbar kein anderes Mädchen zu finden gewesen, und so hatte man Back-Kajsa schließlich doch genommen. Dass sie kein Bett machen konnte, kein Feuer im Ofen zustande brachte und kein Bad zuzurichten verstand, darauf war Frau Lagerlöf ja vorbereitet, und es war auch nicht schwer, dem Mädchen dies beizubringen. Back-Kajsa war auch durchaus willig, das Kinderzimmer zu scheuern, Staub zu wischen und die Kleider der Kinder zu waschen. Aber was Frau Lagerlöf ihr nicht beizubringen vermochte, das war mit Kindern umzugehen. Sie wollte nicht mit ihnen spielen, sagte ihnen niemals ein freundliches Wort und kannte kein Märchen und kein Lied. Sicherlich wollte sie nicht hässlich gegen die Kinder sein, aber Lärm und Ausgelassenheit waren ihr nun einmal zuwider. Es wäre ihr am allerliebsten gewesen, wenn jedes der Kinder ruhig und still auf seinem Stühlchen gesessen hätte, ohne etwas zu sprechen und ohne sich zu rühren.
Immerhin war Frau Lagerlöf soweit ganz zufrieden mit Back-Kajsa. Wenn sie auch keine Geschichten erzählen konnte, so hatten die Kinder auf Mårbacka dafür ja noch ihre Großmutter. Jeden Vormittag, gleich nach dem Ankleiden, kam diese und setzte sich auf das Ecksofa im Schlafzimmer; sofort war dann auch schon die ganze Kinderschar um sie versammelt, und sie sang mit ihnen und erzählte ihnen Geschichten bis zum Mittagessen. Außerdem hatten die Kinder auch noch einen herrlichen Spielkameraden an ihrem Vater, dem Leutnant Lagerlöf, der in jeder freien Stunde mit ihnen herumtollte.
Back-Kajsa war kräftig und geduldig und pflichtgetreu, und man konnte sich unbedingt auf sie verlassen. Wenn die Herrschaft nach auswärts eingeladen war, so konnte man ganz sicher sein, dass das Mädchen nicht wegging und die Kinder allein im Kinderzimmer ließ. Back-Kajsa wäre wirklich ganz vortrefflich gewesen, hätte sie nur eine etwas leichtere Hand gehabt. Aber es war kein zarter Griff, mit dem sie die kleinen Ärmchen in die Kleiderärmel hineinschob; wenn sie die Kinder wusch, kam ihnen beständig der Seifenschaum in die Augen, und beim Kämmen hatten sie stets das Gefühl, als würden ihnen die Haare ausgerissen.
Das Kinderzimmer auf Mårbacka war eine helle, warme und geräumige Stube, die beste im ganzen Hause; aber sie hatte allerdings den Fehler, ein Giebelzimmer zu sein; um dahin zu gelangen, musste man erst in den unteren Flur hinunter, die Treppe wieder hinauf und dann noch über einen Bodenraum. Die Bodentreppe aber war steil und für kleine Füße recht beschwerlich; so war es stets hochwillkommen gewesen, wenn das vorige Kindermädchen eines der Kleinen auf den Arm genommen und die Treppe hinaufgetragen hatte; Back-Kajsa aber fiel es nicht im Schlafe ein, das zu tun. Überdies war dieser Bodenraum ein schrecklich unheimlicher Ort, besonders des Abends nach Einbruch der Dunkelheit; da wäre es für kleine Hände eine Hilfe gewesen, sich in eine große hineinschmiegen zu können.
Aber Back-Kajsa, die den großen, wilden Wald gewöhnt war, hielt den Bodenraum auf Mårbacka wohl für einen traulichen und sicheren Ort. Sie ging stramm geradeaus ihres Wegs und streckte keinem der Kinder eine Hand hin. Jedes konnte froh sein, wenn es ihm gelang, auch nur einen Zipfel ihres Rocks zu erhaschen.
Die Betten, in denen die drei Kinder schliefen, waren von dem prächtigen alten Schreiner in Askersby angefertigt worden, und sie waren wunderschön geschmückt mit einer Reihe gedrehter Stäbchen rings um das Kopfende. Aber es waren sogenannte Schlafkommoden; denn so groß auch die Kinderstube war, die drei Betten nahmen doch sehr viel Platz weg, und so war es recht zweckmäßig, dass man sie tagsüber ineinanderschieben konnte. Das war an und für sich kein Fehler; aber wie viel Mühe der prächtige alte Schreiner sich auch mit den Betten gegeben haben mochte, sie hatten nun einmal das Bestreben, sich mitten in der Nacht ganz auseinanderzuschieben.
Wenn einem das widerfuhr, wurde man natürlich in hellem Schrecken aus dem süßesten Schlummer gerissen, und fand man das Bett mitten auseinandergefallen, dann versuchte man auf dem oberen Teil in sich zusammenzukriechen, in der Hoffnung, wieder einzuschlafen. Aber das gelang nicht, und nach einer Weile streckte man die Beine aus und ließ sie hinunterhängen. So lag man und wartete auf den Schlaf, bis man so hellwach war wie am lichten Tage, und dann entschloss man sich endlich, aufzustehen und zu versuchen, das Bett wieder zusammenzuschieben. Und meinte man, damit zu Rande gekommen zu sein und waren die Betttücher wieder schön zurechtgelegt, kroch man so vorsichtig wie möglich ins Bett und dehnte und streckte sich mit Wohlbehagen. Alles ging vortrefflich, der Schlaf kam herbeigeschlichen. Aber dann machte man eine unvorsichtige Bewegung und schon fuhr das ganze Bett mit Gepolter wieder auseinander, und mit allen Hoffnungen auf Schlaf war es für diese Nacht aus und vorbei.
Back-Kajsa aber verschlief das alles, und keinem der Kinder kam es in den Sinn, man könne sie wecken und um Hilfe bitten. Das vorige Kindermädchen war sofort aufgewacht, wenn eines der Betten auseinanderfiel, und hatte es flink wieder zusammengeschoben, ohne dass man sie darum zu bitten brauchte. Gerade über dem Kinderzimmer befand sich noch ein enger kleiner Bodenraum, der mit alten zerbrochenen Webstühlen und Spinnrocken vollgestellt war, und zwischen diesem Gerümpel hauste eine Eule. Dieses Tier hatte eine ganz merkwürdige Fähigkeit, einen unglaublichen Spektakel zu vollführen. Bei Nacht klang es in den Ohren der Kinder, als ob jemand schwere, dicke Klötze über ihren Köpfen hin und her schöbe. Aber wenn ihnen bei dem Lärm bange geworden war, hatte das vorige Kindermädchen nur gelacht und gesagt, das sei nichts zum Fürchten, es sei nur die Eule.
Back-Kajsa jedoch, die aus dem Walde kam, fürchtete sich vor allen Tieren. Für sie waren es böse Geister, und wenn sie nachts durch die Eule geweckt wurde, holte sie ihr Gesangbuch und fing an zu beten. Das trug indes ganz gewiss nicht dazu bei, die Angst der Kleinen zu vermindern, im Gegenteil, es vermehrte nur noch ihre Furcht, und in ihrer Phantasie wuchs sich die arme Eule zu einem großen Ungeheuer mit einem Katzenkopf und Adlerflügeln aus. Es ist nicht zu schildern, wie sehr die Kleinen bis ins innerste Herz erschraken bei dem Gedanken, dass ein so unheimliches Wesen über ihnen wohnte. Wie, wenn es mit seinen gewaltigen Klauen einmal die Decke aufrisse und zu ihnen herabkäme!
Niemand kann behaupten, Back-Kajsa habe die Kinder vernachlässigt oder geschlagen. Das sah ihr gar nicht gleich. So darauf bedacht, die Kinder sauber und unversehrt zu erhalten, wie Back-Kajsa, war zwar das vorige Kindermädchen nicht gewesen, dafür aber gegen die Kleinen überaus zutunlich und freundlich.
Was die Kinder damals als ihren höchsten Schatz betrachteten, das waren drei kleine Holzstühlchen. Sie waren ein Geschenk des prächtigen alten Schreiners in Askersby. Es war den Kindern nicht ganz klar, ob diese Stühlchen eine Entschuldigung sein sollten für die missratenen Betten; aber sie glaubten es fast. Die Stühlchen waren jedenfalls nicht missraten, sie waren fest und dauerhaft. Man konnte sie als Tisch und als Schlitten verwenden; die Kinder konnten damit in der ganzen Stube herumreiten, sie konnten hinaufsteigen und wieder hinunterspringen, oder sie konnten sie hinlegen und Hof und Stall daraus bauen, kurz, es gab überhaupt nichts, wozu diese Stühlchen nicht zu gebrauchen gewesen wären.
Aber warum die Kinder einen so ungeheuern Wert auf sie legten, das verstand man erst, wenn man sie umdrehte. Da sah man, dass auf der Unterseite eines jeden Stühlchens eines der Kinder gemalt war. Auf dem einen sah man Johann, einen blaugekleideten Jungen mit einer ungeheuern Peitsche in der Hand; auf dem andern konnte man Anna sehen, ein süßes kleines Mädchen im roten Kleidchen und gelben Schäferhut, das an einem Blumenstrauß roch, und auf dem dritten erblickte man Selma, ein kleines Wackelpeterchen mit blauem Kleidchen und gestreiftem Schürzchen, mit nichts auf dem Kopf und nichts in der Hand.
Diese Bilder waren da hingemalt worden, um anzuzeigen, wem jedes Stühlchen gehörte, und deshalb nahmen die Kinder sie auch viel nachdrücklicher für ihr Eigentum als ihre Kleider und anderes, was sie von ihren Eltern bekommen hatten. Die Kleider, ach, die wanderten von einem zum andern, das erfuhren sie ja selbst alle Tage, und ihre feinen Spielsachen wurden entweder eingeschlossen oder auf die Eckbrettchen in der guten Stube gestellt; sie aber der Stühlchen zu berauben, die durch ihre Bilder bezeichnet waren, nein, das würde nie und nimmer irgendjemand einfallen.
Daher war es auch wirklich abscheulich von Back-Kajsa, dass sie zuweilen alle drei Stühlchen auf die hohe Kommode aus Birkenholz stellte, denn da konnten die Kinder sie nicht erreichen. Allerdings...
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