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Aber dreifach fühlt ich ihn und mich, wenn wir, wie Manen aus vergangner Zeit, mit Stolz und Freude, mit Zürnen und Trauern an den Athos hinauf und von da hinüberschifften in den Hellespont und dann hinab an die Ufer von Rhodus und die Bergschlünde von Tänarum, durch die stillen Inseln alle, wenn da die Sehnsucht über die Küsten hinein uns trieb, ins düstre Herz des alten Peloponnes, an die einsamen Gestade des Eurotas, ach! die ausgestorbnen Tale von Elis und Nemea und Olympia, wenn wir da, an eine Tempelsäule des vergessnen Jupiters gelehnt, umfangen von Lorbeerrosen und Immergrün, ins wilde Flussbett sahn, und das Leben des Frühlings und die ewig jugendliche Sonne uns mahnte, dass auch der Mensch einst da war, und nun dahin ist, dass des Menschen herrliche Natur jetzt kaum noch da ist, wie das Bruchstück eines Tempels oder im Gedächtnis, wie ein Totenbild - da saß ich traurig spielend neben ihm, und pflückte das Moos von eines Halbgotts Piedestal, grub eine marmorne Heldenschulter aus dem Schutt, und schnitt den Dornbusch und das Heidekraut von den halbbegrabnen Architraven, indes mein Adamas die Landschaft zeichnete, wie sie freundlich tröstend den Ruin umgab, den Weizenhügel, die Oliven, die Ziegenherde, die am Felsen des Gebirgs hing, den Ulmenwald, der von den Gipfeln in das Tal sich stürzte; und die Lazerte spielte zu unsern Füßen, und die Fliegen umsummten uns in der Stille des Mittags. (Hyperion)
»Es dehnte sich vor seinem inneren Aug ein Bild weiter und freier Gefilde, mit wogendem Meer und rauschenden Strömen, mit Wäldern, Hainen und Grotten am Meer, mit Lorbeerbäumen und Pomeranzen und blühendem Mastix, dazwischen alt und hehr und still die griechischen Trümmer. Fern und doch auch wieder unendlich nah seinem Innern ruhte dies Land. Groß und schön, heiter und hell, von klarem Licht überströmt und umspielt vom Zauber geistiger Wehmut« - so beschreibt Walther Rehm die Hyperion-Landschaft.
Hyperion findet Diotima und verlebt mit ihr eine kurze glückliche Zeit innigster Geistes- und Seelengemeinschaft. »In Diotima tun sich Hyperion [Hölderlin] die Schächte ferner goldener Vergangenheiten auf, Erinnerungen werden lebendig an frühere Gemeinsamkeiten, Hoffnungen auf Zukunftsvollendungen blühen daraus empor.«52 »In ihr vollendete sich restlos die seelische Vergegenwärtigung des einst durchwanderten Hellas« (Emil Bock).53
Dann verlässt er sie, vermeintlich vorübergehend, um höherer Zwecke willen. Er beteiligt sich am Freiheitskampf der Griechen gegen die osmanischtürkische Besatzungsmacht, von dem er sich jedoch bald wieder aus Enttäuschung über das »bübische Geschlecht« der Freiheitskämpfer zurückzieht, er verliert seinen besten Freund, und Diotima stirbt.
Da hat Hölderlin vorausahnend das Schicksal des Doppelwesens Susette Gontard und Hölderlin geschildert: Er verlässt (nach einem vom Hausherrn verursachten Eklat) Frankfurt und somit sie. Susette stirbt wenige, von verzehrender Sehnsucht erfüllte Jahre später (sie war nicht damit einverstanden, dass er im Roman Diotima sterben lässt - sie ahnte .), und sein engster Freund der letzten Jahre in Freiheit, Isaac von Sinclair, lässt ihn gegen seinen Willen von Homburg in die Tübinger Nervenklinik bringen, wo man ihm mit ungeeigneten Mitteln »den Rest gibt«.
Im Hyperion heißt es: »So sollte auch unsre eigne Seligkeit dahingehn, und wir sahen's voraus.« Es ist vielleicht etwas überspitzt zu sagen: »Die eigentliche Biografie Hölderlins verläuft nicht im Irdischen. [.] Die Biografie Hölderlins verläuft im Geistigen« (Barbara Nordmeyer),54 doch kann nicht genug betont werden, dass das einzigartige Phänomen Hölderlin in seiner ganzen Tiefe und Weite nicht erfasst werden kann durch die isolierte Betrachtung seiner irdischen Biografie einerseits und die (durchaus wertvolle Ergebnisse zeitigende) Analyse seines Werkes mit dem herkömmlichen Instrumentarium der Literaturwissenschaft andererseits. Bei kaum jemandem ist es angebrachter als bei ihm, die dichterische Aussage jenseits von Philologie und Gelehrsamkeit als unmittelbare, bedingungslose, nicht selten im Über-Irdischen gründende authentische Wesensäußerung ernst zu nehmen. In ganz besonderem Maße gilt dies für alle Aussagen über Diotima und sein Verhältnis zu ihr. Hatte er schon bald nach seiner Bekanntschaft mit Susette Gontard in einem Brief an Neuffer55 aus tiefster Einsicht um diese elementare Schicksalsbegegnung bekannt: »Es gibt ein Wesen auf der Welt, woran mein Geist Jahrtausende verweilen kann und wird«, so bekräftigt er dies im Hyperion mit weiteren Aussagen, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lassen:
Eh es eines von uns beeden wusste, gehörten wir uns an.
Ach! da du einst [.] mir am Ende sagtest, es sei dir jetzt, als wär ich auch von jeher dagewesen - Gehörten wir da nicht längst uns an?
Ich hab es einmal gesehn, das Einzige, das meine Seele suchte, und die Vollendung, die wir über die Sterne hinauf entfernen, die wir hinausschieben bis ans Ende der Zeit, die hab ich gegenwärtig gefühlt. Es war da, das Höchste, in diesem Kreise der Menschennatur und der Dinge war es da! [.]
O Diotima, Diotima, himmlisches Wesen!
Ach! alles, was in goldnen Morgenstunden von höhern Regionen der Genius weissagt, es war alles in dieser einen stillen Seele erfüllt.
Wir waren eine Blume nur, und unsre Seelen lebten in einander, wie die Blume, wenn sie liebt, und ihre zarten Freuden im verschlossnen Kelche verbirgt.
Ich fühlt, es war ein heilig Geheimnis zwischen mir und Diotima.
Es ist unmöglich, und mein innerstes Leben empört sich, wenn ich denken will, als verlören wir uns. Ich würde Jahrtausende lang die Sterne durchwandern, in alle Formen mich kleiden, in alle Sprachen des Lebens, um dir Einmal wieder zu begegnen. Aber ich denke, was sich gleich ist, findet sich bald.
Und jedem Zweifel zuvorkommend:
Ich spreche Mysterien, aber sie sind.
Schon in jener Vorstufe des Hyperion, die in Schillers Zeitschrift Thalia erschienen war und die Susette Gontard gelesen hatte - ein Jahr vor Hölderlins Ankunft in Frankfurt (worin der Biograf Häussermann »mehr als einen >Zufall<« erblickte) -, äußerte Hölderlin als Hyperion die Zuversicht: »Ich werde sie wiederfinden, in irgendeiner Periode des ewigen Daseins.« Dazu wiederum stellt Häussermann nüchtern fest: »Ein Jahr später begegnete Hölderlin der Susette Gontard und erkannte in ihr Diotima.«
Dies bestätigt eine weitere Stimme: »Diotima ist für Hölderlin die Erfüllung einer längst gehegten Ahnung. In der Nacht seines inneren Todes war ihr Bild, unendliche Sehnsucht erregend, bereits erschienen, und in der Diotima-Gestalt des >Hyperion< hatte er (ursprünglich unter dem Namen >Melite<) schon vorweggenommen, was mit Susette leibhaft in sein Leben treten sollte« (Erich Hock).56 Wer dies alles nur als eine auf eine Kunstfigur bezogene literarische Fiktion gelten lassen will, dem ist von Göttern und Menschen nicht zu helfen.
Und auch, was die Wesenseinheit von Susette Gontard und Diotima betrifft, kann es keine krassere Missdeutung geben als jene Sinclairs, der, falls Bettina von Arnim ihn in ihrem Buch über Karoline von Günderrode richtig zitiert hat,57 reichlich salopp behauptete, Hölderlin habe »eine Frau geliebt [.], um den Hyperion zu schreiben«. Ein anderer Freund Hölderlins der letzten Jahre, Casimir Ulrich Boehlendorff, hatte dagegen die tiefere Einsicht mit seiner Bemerkung, Susette Gontard habe »tiefe unendliche Folgen auf sein Wesen gehabt«.58 Nein, es handelte sich bei ihnen um nichts weniger als eine »Sternenliebe.« Auch das hat Hölderlin, wohl unbewusst die hellenistische Vorstellung der Himmelsreise, des Aufstiegs der Seele zu den Sternensphären aufgreifend, ausgesprochen:
Es schien, als wäre die alte Welt gestorben und eine neue begönne mit uns, so geistig und kräftig und liebend und leicht war alles geworden, und wir und alle Wesen schwebten, selig vereint, wie ein Chor von tausend unzertrennlichen Tönen, durch den unendlichen Äther.
Da flogen wir, Diotima und ich, da wanderten wir, wie Schwalben, von einem Frühling der Welt zum andern, durch der Sonne weites Gebiet und drüber hinaus, zu den andern Inseln des Himmels, an des Sirius goldne Küsten, in die Geistertale des Arkturs.
Diesem Ausblick in kosmische Weiten, aus denen es einst auch wieder eine gemeinsame Rückkehr in das irdische Dasein »unter neuen Vorzeichen« geben wird, steht im Hyperion auch...
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