Kritik der Abwaegung in der Grundrechtsdogmatik

Praxis und Dogmatik der Grundrechte werden von der Rechtsfigur der 'Abwaegung' bestimmt. Gegen - insbesondere - richterliche Abwaegung zur Bewaeltigung von 'Grundrechtskollisionen' ist in Grenzfaellen nichts einzuwenden. Bedenklich sind aber die Massstablosigkeit und die Generalisierung des 'multipolaren Ausgleichs' zwischen Verfassungsguetern aller Art. Dadurch emanzipiert sich der Staat von seiner Rolle als Antagonist der Grundrechte zu der ihres eigentlichen Protagonisten, der die Grundrechte erst konkretisieren und zur Ausuebung zuteilen muss. Diese Problematik steigert sich beim Grundrecht auf Eigentum, das geradezu als vom Staat geschaffen gilt: Jenseits eines faelschlich sogenannten Kernbereichs individueller Selbstgestaltung unterliegt es aufgrund des Vorbehalts der 'Ausgestaltung' der durch das 'Verhaeltnismaessigkeitsprinzip' kaum begrenzten Verfuegung des Staates. Die staatliche 'Grundrechtspolitik' basiert auf einer 'Anmassung von Wissen'. Demgegenueber formuliert Karl-Heinz Ladeur eine ausdifferenzierende Grundrechtsdogmatik, die jenseits der klassischen Dichotomie "man versus the state" das kollektive Moment der Grundrechte als Garantie gesellschaftlicher Selbstorganisation grundrechtlich geschuetzter Handlungsbereiche gegen den staatlichen Zugriff in Anschlag bringt.