Medusa, Prometheus, Tityos und Marsyas gelten seit der Antike als Inbegriff mangelnden Respekts gegenüber den Göttern und darauf unerbittlich folgender Bestrafung. In allen vier Mythen geht es um ein explizites Machtgefälle und die gewaltsame Wiederherstellung verletzter Autorität, um grausame Körperstrafen, die auf die Zerstörung physischer, Identität stiftender Integrität des Körpers abzielen, und um menschliche Grenzerfahrungen zwischen physischem Schmerz und seelischer Pein.
Zwischen Ende des 16. und Mitte des 17. Jahrhunderts lässt sich - mit frappierender Parallelität - im Rahmen frühbarocker Antikenrezeption eine massive Wiederaufnahme und künstlerische Neugestaltung dieser vier mythologischen Sujets nachweisen. Die klassisch-humanistische Interpretation der mythologischen Bestrafungs- respektive Leidensmotive, die ihre Wurzeln in spätmittelalterlichen moralisierenden Allegoresen ebenso hat wie in den neoplatonischen Auslegungen des Renaissance-Humanismus, dominiert zu großen Teilen die Deutungen und Umsetzungen der Sujets des 16. wie auch des 17. Jahrhunderts. Parallel zu dieser traditionellen Ikonographie mehren sich jedoch die Bilder, in denen das motivübergreifende Thema der Körperstrafe nicht mehr als überindividuelles, instrumentalisiertes und philosophisch oder moralisch deutbares, sondern als einzigartiges, für das Subjekt zentrales und vor allem individuell erlebtes Ereignis in Szene gesetzt wird. Der sich aus zahlreichen Einzelstudien ergebende vergleichende Querschnitt durch die mythologischen Topoi analysiert den Bruch und die Aufspaltung der ikonographischen Tradition als eine Verschiebung der künstlerischen Beobachtungsperspektive im Kontext von Konstitution und Transformation historischer Semantik. Die Bezugnahme auf zentrale frühneuzeitliche Körperdiskurse überführt das kunstwissenschaftliche Thema darüber hinaus in eine kulturwissenschaftliche Dimension.
Sprache
Verlagsort
Ilmtal-Weinstraße
Deutschland
Dateigröße
ISBN-13
978-3-95899-370-9 (9783958993709)
DOI
Schweitzer Klassifikation
1 - Cover [Seite 1]
2 - Impressum [Seite 4]
3 - Inhalt [Seite 5]
4 - 1. Einleitung [Seite 8]
5 - 2. Diskursanalyse als kunsthistorische Herausforderung [Seite 12]
5.1 - 2.1. Ordnung der Beobachtung und Ordnung des Diskurses - Theoretische Überlegungen [Seite 12]
5.2 - 2.2. Von der ikonologischen Hermeneutik zur Diskursanalyse - Methodische Überlegungen [Seite 33]
6 - 3. Körperstrafe im Mythos -Bilder und Phantasmen [Seite 40]
6.1 - 3.1. Medusa. Prometheus. Marsyas. Zur Rezeptionsgeschichte der Motive im Barock [Seite 40]
6.2 - 3.2. Medusa - oder die Entstellung der Körpergrenze [Seite 52]
6.3 - 3.3. Prometheus oder die Durchdringung der Körpergrenze [Seite 120]
6.4 - 3.4. Marsyas - oder die Auflösung der Körpergrenze [Seite 162]
6.5 - 3.5. Das Antlitz der Agonie [Seite 238]
6.5.1 - 3.5.1. Bruch mit der Motivtradition [Seite 238]
6.5.2 - 3.5.2. Konstitution der ,empathologischen' Ikonographie [Seite 250]
6.5.3 - 3.5.3. Exkurs: Verwandte Bilder [Seite 255]
6.5.4 - 3.5.4. Schlussu¨berlegungen [Seite 265]
7 - 4. Die Form der Gewalt und die Diskurse u¨ber den Körper [Seite 266]
7.1 - 4.1. Ordnung und Form des Diskurses [Seite 266]
7.2 - 4.2. Die Diskurse des Diskurses [Seite 284]
7.2.1 - 4.2.1. Der Wunsch nach Transzendenz oder der christlich-religiöse Diskursu¨ber den Körper [Seite 286]
7.2.2 - 4.2.2. Die Suche nach Objektivierung oder der medizinisch-anatomische Diskursu¨ber den Körper [Seite 297]
7.2.3 - 4.2.3. Die Macht der Disziplinierung oder der juristisch-strafrechtliche Diskursu¨ber den Körper [Seite 313]
7.3 - 4.3. Zusammenfassung [Seite 328]
8 - 5. Schlussbetrachtung oder die andere Seite des Diskurses [Seite 332]
9 - Literatur [Seite 341]
10 - Abbildungsverzeichnis [Seite 363]
11 - Register [Seite 367]