Schweitzer Fachinformationen
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Ein sonniger, klirrend kalter Montag. Am Samstag waren wir mit Theo, Anton und acht Geburtstagsgästen im Paintballclub Planeta im Hydropark. Die prall mit Farbe gefüllten Plastikkugeln gefroren und platzten in den Pistolenläufen, doch die Jungen führten mit kurzen Unterbrechungen fast zwei Stunden lang ihren »Eliminationskrieg«.
Am Sonntag brachten Lisa und ich fünf Kilo Buchweizenbrei auf dem Majdan vorbei. Anschließend bereiteten wir uns auf die »Erwachsenenfeier« zu Theos Geburtstag vor. Allerdings erfuhren wir dann, dass Natascha Kolomojzewa zu Hause schlecht geworden war - Herzprobleme -, sie den Notarzt gerufen hatte und ins Krankenhaus gekommen war. Kurz darauf rief Ira Chasyna an und meinte, dass sie vermutlich nicht kommen könnten, sie habe eine furchtbare Bronchitis. So feierten wir schließlich mit drei statt mit sechs Gästen. Das Rindfleisch mit Rosmarin war ausgezeichnet. Tee und Torte wurden am offenen Kamin gereicht. Die Feier löste sich zeitig auf, gegen 20.30 Uhr. War aber sehr herzlich.
Heute Vormittag um elf war ich bei der Stiftung Wydrodzhennja (»Wiedergeburt«), dort fand die konstituierende Versammlung einer humanitären Initiative statt, die Verletzten medizinische Hilfe ermöglichen soll. Drei Schriftsteller sind Mitglieder des Aufsichtsrats: Serhij Zhadan, Oksana Sabuschko und ich. Viertes Mitglied des Aufsichtsrats ist nun der frühere Gesundheitsminister Wassyl Knjasewytsch. Sabuschko war nur virtuell anwesend - über eine krachende Telefonverbindung. Sie erklärte, das, was derzeit passiere, markiere den Anfang des Dritten Weltkriegs, die Zeit des Postmodernismus sei vorbei usw. Der Direktor der Stiftung Wiedergeburt, Jewhen Bystryzkyj, gab uns einen seltsamen, sehr aggressiv gehaltenen Aufruf des Majdan-Aktivisten Ihor Luzenko zu lesen: »diejenigen, die Blut vergossen haben« (hier meinte er wahrscheinlich den Rechten Sektor), »haben auch das Recht, das Land zu regieren«, »alle in den Kampf bis zum vollständigen Sieg!«, und in diesem martialischen Geist ging es fort. Kurzum, der Krieg geht weiter. Die Brüder Kapranow wurden beinahe nicht auf die Tribüne des Kiewer Majdan gelassen, wo sie den Beschluss des Forums der Euromajdane verkünden wollten. Sie zeigten sich fassungslos und betrübt. Die Revolution braucht allmählich ihre Revolutionäre nicht mehr. Irgendwelche Leute, die kein Mensch kennt, entscheiden jetzt, wer auf der Tribüne reden darf und wer nicht.
Olexandr Danyljuk, Chef der Bewegung Spilna sprawa (»Gemeinsame Sache«), der vor ein paar Tagen verschwunden war, ist plötzlich in England wieder aufgetaucht. Er ist abgehauen und hat an einem unbekannten Ort die Grenze übertreten. Und Janukowytsch hat erklärt, er werde nach Sotschi zur Olympiade fahren, zu Putin. Vermutlich möchte er ein bisschen alleine sein.
Draußen ist es merklich wärmer geworden - minus zehn Grad. Zuerst ging ich zur Hauptpost, um ein paar Einschreiben aufzugeben. Direkt vor dem Eingang zum Saal, in dem die Pakete abgefertigt werden, haben rund 15 dick eingemummelte Majdaner ein neues Zelt aufgestellt. Ein Dunstschleier hängt über dem Majdan, wie morgens über dem Dschungel in Sri Lanka. Die Sonne, noch nicht im Zenit angekommen, blendet hell. Es sind kaum Leute da.
Die Nachbarn unter uns gerieten gestern Abend in Panik. Klingelten dreimal bei mir - unten stehe schon den dritten Tag ein hochgewachsener, rund 1,90 Meter großer Mann, der irgendwem aufzulauern, jemanden auszuspähen scheine. Ein Fremder. Ich habe ihn auch gesehen, als ich das Haus betrat, doch zu dem Zeitpunkt, kurz nach sechs, stand er draußen vor dem Eingang. Vermutlich war ihm dann kalt geworden und er kehrte ins Haus zurück. Als ich am Abend wegen eines Treffens mit Makarow in der Buchhandlung »E« das Haus verließ, war niemand da. Und heute früh unterhielt ich mich im Hof mit dem Notar aus dem Erdgeschoss. Er sagte, vorher habe dort immer ein anderer, kleinerer Mann gestanden, offenbar »im Dienst«. Wohl wegen eines Büros in der ersten Etage, in dem Jehor Sobolew, einer der Anführer des Majdan, immer wieder aufgekreuzt war. In aller Ruhe besprach ich mit dem Notar die Situation. Einen Ausweg sehen wir momentan beide nicht. Wir wünschten einander einen guten Tag und gingen unserer Wege.
Im Bacchus traf ich einen Freund, den ehemaligen Bankier Sascha Sawtschenko. Er schlug vor, einmal im Monat in seinem Restaurant die künstlerische Intelligenz zu Gesprächen über den Stand der Dinge zu versammeln - dazu guten Wein und kleine Häppchen.
Auf dem Heimweg, auf der Treppe an der Franko-Straße, holte ich Anton und Tanja ein. Anton bekniete mich, ich solle ihm erlauben, heute nicht zur Musikschule zu gehen. Nach einem kurzen Gespräch willigte ich ein. Er war wahnsinnig glücklich und versprach mir, statt Musik zu Hause Ukrainisch zu machen.
Das Krim-Parlament hat unterdessen eine Abspaltung der Halbinsel von der Ukraine zur Sprache gebracht und vorgeschlagen, die Krim solle als Autonome Republik zu Russland gehören. Wadym Tituschko, der Namensgeber der Tituschki, hat plötzlich erklärt, er unterstütze den Majdan, und wenn er nicht unter Hausarrest stünde, würde er nach Kiew fahren, um für die Kanonenöfen auf dem Majdan Holz zu hacken. Tymoschenko hat vom Krankenhaus aus verkündet, sie sei gegen eine Rückkehr zur Verfassung von 2004. Was auch verständlich ist, sie will schließlich Präsidentin mit allen Vollmachten werden.
Minus zwei Grad - es ist wärmer geworden. Die Managerin von Folio, meinem Verlag, ist »aufgewacht« und hat die Lesetour an die Universitäten der Westukraine für den 12. und 13. Februar bestätigt - Riwne, Ostroh, Chmelnyzkyj.
Heute früh saß ich im Auto, wärmte den Motor vor und hörte die Nachrichten von »Radio Era«. Es schien, als würde ein Teil der Nachrichten in einer Datei gespeichert und täglich wiederholt: »Anja, wie sieht's denn aus auf dem Majdan?« »Auf dem Majdan ist alles ruhig, es ist kaum jemand da. Die Leute sind schon wach und haben die ukrainische Hymne angestimmt. Die Priester haben die Morgenandacht für die Ukraine gehalten. Allmählich kommen mehr Menschen dazu. Die Protestierenden haben begonnen, den Majdan aufzuräumen.« Es gibt einige Themen, die seit der Orangen Revolution immer wieder auftauchen, wodurch die ganze Situation Ähnlichkeit mit einer traditionellen Schacheröffnung bekommt: Statt E2-E4 gerät Kiew in Aufruhr und der Osten kündigt entweder an, den bewaffneten Widerstand zu organisieren, oder, eine eigenständige Republik gründen zu wollen, während die Krim Russland bittet, Truppen einmarschieren zu lassen und sich die Halbinsel einzuverleiben. Dann fangen die regierungstreuen Beamten und Politiker an, ihre Landsleute »anzufauchen«, um deren Aktion gewordene Dummheit so schnell wie möglich zu bändigen.
Gestern rief das Parlament einen Tag der offenen Tribüne aus. Jeder, der wollte, erhielt das Wort, also hörte niemand mehr irgendwem zu. Janukowytsch hält sich wieder versteckt und schweigt, er wartet darauf, dass das Boarding für seine Regierungsmaschine beginnt und er abermals zu einem olympischen Treffen mit Putin nach Sotschi fliegen kann. Hanna Herman erklärt, Janukowytsch werde vor dem Treffen mit Putin keinerlei Entscheidungen zur Beilegung der Krise treffen. Klar, was kann er hier schon selbst, ohne Putin, entscheiden? Es gibt ja auch niemanden hier, mit dem er sich beraten könnte. Es gibt einfach niemanden in der Ukraine, der es in punkto strategisches Denken mit Janukowytsch aufnehmen kann.
Ein leicht unangenehmer Nachgeschmack bleibt indes auch, wenn ich mir die Anführer der Proteste ansehe. Einer von ihnen, Olexandr Danyljuk, hat illegal die Grenze übertreten und ist in London wieder aufgetaucht. Ich wusste gar nicht, dass wir irgendwo auch ein Stück gemeinsame Grenze mit Großbritannien haben. Außerdem teilte er mit, er sei zu Fuß, bei furchtbarem Frost und Schneetreiben, über ein Feld gelaufen. Felder gibt es bei uns an der Grenze zu Russland. Dorthin wird er wohl kaum gegangen sein. Dmytro Bulatow wurde offiziell nach Litauen gebracht. Wie es aussieht, glauben aber längst nicht alle daran, dass er von »russischen Spezialeinheiten« oder anderen brutalen Kräften entführt wurde. Ihor Luzenko sah nach einer ähnlichen Entführung furchtbar zugerichtet und niedergeschlagen aus, obwohl er nur einen Tag misshandelt wurde. Jurij Werbyzkyj, der zusammen mit Ihor Luzenko entführt worden war, wurde nachts an einem Waldrand aus dem Auto geworfen und tot aufgefunden. Tanja Tschornowol, die im Bezirk Boryspil zusammengeschlagen wurde, lag zwei Wochen lang mit geschwollenem Körper und bis zur Unkenntlichkeit entstelltem Gesicht darnieder. Bulatow wurde acht Tage lang festgehalten. Wäre er jeden dieser acht Tage verprügelt worden, er hätte nicht überlebt. Wenn er jeden zweiten Tag verprügelt wurde, dann ging es bei der Entführung vor allem um die Verunsicherung der Öffentlichkeit, die damit erzeugt werden kann.
Gestern ein kurzes Treffen mit dem norwegischen Fotografen Tom Kristensen im Hotel Dnipro. Der Haupteingang zum Hotel ist verschlossen und abgedunkelt, als ob das Hotel zu wäre. Doch es ist nicht zu, man kommt jetzt über das Pub London herein und geht dann nach links. Dort steht ein Glaskasten, in dem der Wärter sitzt, ein Schwarzer, und daneben, auf einem Stuhl, ein Mann von der Sicherheit. Das Hotelfoyer ist geteilt, der linke Teil ist abriegelt. Die Bar ist geöffnet. Tom Kristensen war in Berdytschiw und anderen Städten. Er wollte mit mir über mein Interview in einer norwegischen Zeitung sprechen, in dem ich gesagt...
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