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In militärischer Hinsicht ist die Lage Deutschlands im Januar 1945 bereits hoffnungslos. Die Ardennenoffensive der deutschen Wehrmacht, bei der die Westalliierten zurückgedrängt werden sollten, ist gescheitert. Im Westen befinden sich seit Herbst 1944 britische und amerikanische Truppen auf deutschem Gebiet, im Osten beginnt die zahlenmäßig weit überlegene Rote Armee mit ihrem »Sturm auf das Reich«. Die Lufthoheit über Berlin liegt längst bei den Alliierten, die ihre Bombenangriffe auf die Reichshauptstadt weiter verschärfen. Eine deutsche Luftabwehr existiert so gut wie nicht mehr.
In einer Neujahrsansprache spricht Generaloberst Alfred Jodl nun nicht mehr von der »Festung Europa«, die gehalten werden müsse, sondern nur noch von der »Festung Deutschland«. Dennoch gibt Reichskanzler Adolf Hitler weiter Durchhalteparolen aus. »Der Führer: Wir werden den Sieg erzwingen - Das Jahr 1945 wird das Aeußerste an Mut und Tatkraft fordern und zur geschichtlichen Wende führen« heißt es auf der Titelseite der Deutschen Allgemeinen Zeitung vom 2. Januar.
Die Berliner Bevölkerung ist sich der Lage trotz aller Propaganda durchaus bewusst. Sie nimmt es mit ihrem üblichen trockenen, manchmal auch schwarzen Humor. Zu Weihnachten 1944 kursierte der Spruch: »Praktisch denken, Särge schenken!«
Auch die Versorgungslage lässt zu wünschen übrig. Zur Verteidigung des Reiches und der Hauptstadt werden alle verfügbaren Mittel herangeschafft. Anfang Januar erfolgt der Aufruf zur sogenannten Volksopfersammlung für die Wehrmacht und den Volkssturm. Die Bevölkerung soll bis Ende Januar Ausrüstungsgegenstände und Bekleidung spenden. Wie die Waren transportiert werden sollen, bleibt offen. Am 18. Januar wird der Schnell- und Eilzugverkehr im Deutschen Reich eingestellt. Wenige Tage später gibt es auch keinen ortsübergreifenden Briefverkehr der Deutschen Post mehr. Nur Postkarten sind noch auf weite Entfernungen zugelassen.
Mitte Januar wird das Führerhauptquartier, das sich seit Anfang Dezember 1944 im Taunus befunden hatte, unter strenger Geheimhaltung nach Berlin in den Führerbunker in der Neuen Reichskanzlei in der Voßstraße/Ecke Wilhelmstraße verlegt. Heinrich Himmler wird am 24. Januar zum Oberbefehlshaber einer Heeresgruppe ernannt, die den Vormarsch der sowjetischen Truppen auf Berlin stoppen soll. Ihm fehlen jedoch die erforderlichen Truppenverbände zur Verteidigung Berlins.
Ende Januar treffen erste Flüchtlingszüge aus dem Osten des Deutschen Reichs in Berlin ein. Insgesamt zwei bis drei Millionen Deutsche fliehen aus Ostpreußen vor der heranrückenden Sowjetarmee.
Noch einmal ruft Adolf Hitler am 30. Januar in einer Rundfunkansprache zum entschlossenen Widerstand gegen die Alliierten auf. Der »Endsieg« werde mithilfe der neuen »Wunderwaffen« gelingen. Ebenfalls am 30. Januar hat der Durchhaltefilm »Kolberg« mit Heinrich George in der Hauptrolle im Tauentzienpalast in Schöneberg und im U. T. am Alexanderplatz Premiere. Der Film handelt von der heldenhaften Verteidigung der Hafenstadt Kolberg in Pommern gegen französische Truppen im Jahr 1807. Was damals gelang, ist auch heute möglich - das war die Botschaft.
Im Gefängnis Plötzensee entledigt sich die nationalsozialistische Regierung im Laufe des Januars einiger ihrer Widersacher. Anfang Januar wird der Widerstandskämpfer, Journalist und SPD-Politiker Julius Leber, der Mitglied im sogenannten Kreisauer Kreis (Fahndungsname der Gestapo) war und von Oberst von Stauffenberg als Reichskanzler für die Zeit nach dem Sturz Hitlers favorisiert wurde, hingerichtet. Am 23. Januar ereilt das gleiche Schicksal den Kopf des Kreisauer Kreises, Helmuth James Graf von Moltke, sowie die Widerstandskämpfer Erwin Planck, Theodor Haubach und Hermann Kaiser.
Trotz täglicher Bombenangriffe auf die Stadt - oder vielleicht gerade deswegen - lechzt die Berliner Bevölkerung nach Ablenkung, Unterhaltung und Kultur. Vor den Kinos sieht man lange Schlangen. Frauen, deren Männer im Krieg sind, gehen heimliche Liebschaften mit Zwangsarbeitern ein, ungeachtet der Gefahr, dass sie dafür inhaftiert werden können. Die beiden Konzerte der Berliner Philharmoniker unter Leitung des Dirigenten Wilhelm Furtwängler, die am 22. und 23. Januar nachmittags im Admiralspalast in der Friedrichstraße stattfinden, sind ausverkauft. Einige Tage später gibt die Preußische Staatskapelle unter Leitung von Karl Böhm im Admiralspalast zwei Konzerte, zunächst ein »Konzert für die Einwohner Berlins«, zwei Tage später auch ein »Konzert für die Rüstung«.
Ende Januar sinken die Temperaturen in Berlin unter den Gefrierpunkt, es beginnt zu schneien.
Es ist Mitternacht, das neue Jahr beginnt. Doch bei den Gästen von Ursula von Kardorff, Feuilletonredakteurin der Deutschen Allgemeinen Zeitung, will keine rechte Stimmung aufkommen. Was wird dieses neue Jahr bringen? Weiteres Leid? Oder endlich Frieden?
Unter den Gästen ist eine merkwürdige Frau, die Ursula erst gar nicht einladen wollte, die sich ihr aber förmlich aufgedrängt hat. Angeblich eine Freundin eines Freundes. Immer wieder versucht diese Frau, das Gespräch auf das Attentat auf Hitler vom 20. Juli zu bringen. Was soll die Fragerei? Will sie ihr etwas anhängen? Ja, Ursula kennt Menschen aus dem Kreis der Attentäter. Aber sie und ihre Freunde lassen sich in dieser Silvesternacht nicht zu Äußerungen über dieses brisante Thema hinreißen. Über so heikle Dinge reden sie nur, wenn sie wirklich unter sich sind.[1]
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Hans-Georg von Studnitz, Mitarbeiter in der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes in Berlin, war zu Weihnachten in Reelkirchen in Nordrhein-Westfalen. Eine solche Reise ist inzwischen nicht mehr einfach. Die Züge in den Westen Deutschlands fahren nur noch bei Nacht. Jetzt auf dem Rückweg nach Berlin wird Studnitz von Dr. Tram von der Firma Dr. Otto in dessen DKW mitgenommen. Überall entlang der Autobahn sind Deckungslöcher ausgehoben, in denen man Schutz vor Fliegerangriffen suchen kann. In den Großstädten gibt es nicht genügend Bunker für die Bevölkerung, aber für den Schutz der wenigen Autofahrer, die auf den Autobahnen unterwegs sind, ist hervorragend gesorgt. Es gibt wohl kaum ein Regime, das seiner Führungselite so viele Privilegien einräumt.[2]
Seit Mitte September 1944 sind Maria Cicha, Barbara Beroud, Wanda Zatryb und rund 400 weitere junge Frauen aus dem Warschauer Ghetto im KZ Kleinmachnow untergebracht. In der Rüstungsfabrik Dreilingen Maschinenbau GmbH, die zum Bosch-Konzern gehört, müssen sie Einspritzpumpen und Flugmotoren für die deutsche Wehrmacht herstellen. Die große, von einem doppelten Stacheldrahtzaun umgebene Fabrikhalle liegt mitten im Wald; der innere Zaun der Anlage steht unter Strom. Im Keller der Fabrik leben die Frauen in Zellenstuben, je 30 Frauen in einer Zelle, bewacht von SS-Leuten und Aufseherinnen. Die Räume sind kalt, feucht und ohne Fenster. Insgesamt arbeiten hier etwa 5000 Menschen, die Hälfte davon sind Kriegsgefangene, KZ-Häftlinge oder zivile Zwangsarbeiter.
Maria ist erst 14 Jahre alt. Ihre Arbeit ist körperlich sehr anstrengend. Den ganzen Tag muss sie sechs bis sieben Kilogramm schwere Metallformen zu ihrem Arbeitsplatz schleppen und dort mit Folie auslegen. Pausen sind nicht erlaubt. Manchmal ist sie so erschöpft, dass sie bei der Arbeit einschläft. Dann weckt sie ihr Chef mit einem heftigen Hammerschlag gegen ihren Stuhl.[3]
Auch den Neujahrsabend verbringt Ursula von Kardorff mit Freunden. Bis vier Uhr morgens sitzen sie zusammen. Ursula hat, wie schon lange nicht mehr, so ein leichtes, schwebendes Gefühl, als ginge sie das da draußen alles nichts an.[4]
Der gelernte Schneider Erwin Groddeck muss aus einem einleuchtenden Grund nicht zur Wehrmacht: Er ist wie seine Frau Emma taub. Beide haben ihr Gehör durch eine Krankheit in der frühen Kindheit verloren. Von Hitler und seiner Partei halten sie gar nichts. Auch ihre beiden Kinder Flora und Werner wollen sie vor der Mitgliedschaft in der Hitlerjugend oder dem Bund deutscher Mädel bewahren.
Als 1943 die Bombenangriffe auf Berlin schlimmer wurden, stellte Erwin für die Kinder einen Antrag auf Kinderlandverschickung. Flora war damals elf Jahre alt und hatte bei Fliegeralarm immer sehr große Angst. Die Kinder wurden nach Eisenach geschickt.
Flora kam dort zu einem Bäckerehepaar, zu überzeugten Nationalsozialisten. Beim Auspacken ihres Koffers fragte die Bäckersfrau: »Hast du denn gar keine BDM-Uniform?« Nein, die hatte sie nicht und der Bäckersfrau gefiel das gar nicht. Sofort bat sie die zuständige Behörde um die Aufnahme von Flora in den BDM. Acht Tage später kam schon die Uniform für das Mädchen in Eisenach an: ein dunkelblauer Rock, eine weiße Bluse und ein schwarzes Halstuch mit Lederknoten. Auf dem Marktplatz von Eisenach wurde Flora schließlich vereidigt.
Seit Herbst 1944 sind die beiden Kinder nun wieder zu Hause, in der Invalidenstraße 145 in Mitte. Nun muss auch der Nachbar, der unter ihnen wohnt, die gehörlosen Groddecks bei Fliegeralarm nicht mehr warnen.[5]
Eigentlich...
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