Schweitzer Fachinformationen
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Es ist 18.00 Uhr und heute ist noch das wöchentliche Meeting in der Agentur. Ich laufe die Gumpendorfer Straße entlang, um nicht zu spät zu kommen. In dem Moment, in dem ich in den Hauseingang der Agentur einbiege, bilde ich mir ein, an der Ecke meinen »zukünftigen Ehemann« zu sehen. Als ich mich jedoch nochmals umdrehe, um zu schauen, ob er es wirklich ist, sehe ich ihn nicht mehr. Offensichtlich halluziniere ich.
Ich beeile mich und öffne mit meinem Code die Eingangstür zur Firma. Drinnen herrscht reges Treiben. Frauen unterschiedlichen Alters und verschiedenster Nationalitäten hasten durch die Gänge, telefonieren, diskutieren. Ich übergebe den USB-Stick mit den kopierten Daten und die Einsatzberichte aus der Software-Firma gestern Abend an Radica von der Internen Recherche und wende mich nach rechts, um zum Konferenzzimmer zu gelangen. Als ich eintrete, hat das Meeting gerade angefangen. Ioana sitzt auch schon da. Sie hat mir einen Platz neben sich frei gehalten. Ich quetsche mich durch und begrüße ein paar andere Kolleginnen, die ich gut kenne.
Die meisten sitzen um einen lang gestreckten ovalen Tisch, manche in zweiter Reihe. Wir sind um die 20 Frauen. Auf dem Tisch stehen frisch gebackene Kipferl, ein Gugelhupf und eine Kanne mit frischem Kaffee. Ich liebe Marmorgugelhupf. Das ist einer der Vorzüge der Agentur, man wird immer gut versorgt. An der Wand vorne hängt ein überdimensionaler Bildschirm mit einer Präsentation darauf. Davor steht Evelyn, unsere Chefin.
Evelyn ist eine beeindruckende Frau mit dem Aussehen einer Hexe. Sie hat lange weiße Haare und ihre Ohren sind riesig und stehen durch die Haare hindurch. Ihr Gesicht ist eher schmal und hager, und ihre Nase ist alles andere als ein Stupsnäschen. Alle ihre Gliedmaßen sind lang und schmal. Sie könnte gut als weiblicher Gandalf durchgehen. Ihr Alter ist unmöglich zu schätzen. Sie könnte 45 sein oder 80. Eigentlich will man es so genau gar nicht wissen. Es würde ihre Magie zerstören. Wahrscheinlich ist sie in Wirklichkeit 220 Jahre alt.
Evelyn ist Vorstand der PSA Austria, der Putzfrauen Spy Agency. Allein unsere Agency hat circa 500 offizielle Angestellte, die wiederrum in kleinen Teamstrukturen regional operieren. Im Grunde genommen kann man davon ausgehen, dass fast jede Putzfrau direkt oder indirekt für die Agency arbeitet. Die PSA International hat ihren Sitz in London, sie organisiert die internationale Kooperation. Es gibt so ziemlich in jedem Land weltweit eine eigene Länderorganisation, mit Ausnahme von Mikronesien. Dort putzen sie ihre Häuser selber.
Evelyns Stimme ist genauso speziell wie ihr Äußeres. Es kam vor, dass sie am Telefon für einen Mann gehalten wurde.
»Guten Abend, Ladies. Schön, euch zu sehen.« Sie blickt prüfend in die Runde. Man nimmt ihr sofort ab, dass sie jede Einzelne der über 500 Agentinnen der Agency mit all ihren Stärken und Verfehlungen kennt. Sie sieht mir in die Augen und ihre rechte Augenbraue wandert in die Höhe: »Millie? Agenturmeetings finden in Zivil statt.«
Ich schaue an mir hinunter und wundere mich. Meine Putzfrauenkleidung habe ich durch einen, wie ich finde, sehr schicken Rock von Zara ersetzt, passend zu einem schwarzen U-Boot-Ausschnitt-Pullover und Sandaletten. Alles sehr zivil, oder?
Ioana grinst mich an und zupft an ihren Augenbrauen. Oh mein Gott - natürlich, die vergesse ich immer. Ich schäle meine künstlichen Augenbrauenbuschen herunter und das kleine Damenbärtchen-Imitat. Verlegen grinse ich Evelyn zu, doch die ist mit ihrer Aufmerksamkeit bereits ganz woanders.
»Wir haben heute eine straffe Agenda. Unser neues Projekt nimmt Formen an und wir haben schon erste interessante Reports und Hintergrundinformationen unseres Forschungsauftrages.«
Forschungsauftrag ist interner Jargon für Spionageaktivitäten.
»Wir haben es unseres Wissens nach mit einer geheimen Vereinigung zu tun, die sich >The Executive Alliance<, kurz TEA, nennt. TEA arbeitet weltweit und ist bis dato sehr diskret vorgegangen. Wir wissen, dass es bereits in den 90er-Jahren einzelne Operationen von ihnen gab, aber bislang kennen wir weder ihre genaue Mission noch die Organisationsstruktur.«
Ioana flüstert mir zu: »Ich wollte schon immer mal ein Bond-Girl sein - jetzt ist es endlich so weit.«
Ich flüstere zurück: »Hoffentlich nicht die eine, die immer abkratzt.«
Ioana lacht. »Ja, das wär doof, aber wenn ich vorher Sean Connery vögeln darf, würde ich auch das in Kauf nehmen.«
Evelyns rechte Augenbraue bringt uns zum Schweigen.
Ich fühle ein Prickeln in mir, denn das Ganze klingt nach einem ziemlichen Kaliber von Auftrag. Ich habe zwar schon einige Einsätze hinter mir, doch das waren meist Operationen auf nationaler Ebene, und die österreichische Politik kommt mir ein bisschen wie eine Puppenstube vor, verglichen mit den Ereignissen meiner Vergangenheit.
»Seit Kurzem wissen wir, dass es um Nahrungsmittelmanipulation geht, in die vermutlich auch große Nahrungsmittelhersteller involviert sind«, erläutert Evelyn weiter.
»Das ist ja wohl ein alter Hut, dass die genmanipulierten Nahrungsmittelschund erzeugen und damit den Ackerbau der Entwicklungsländer in die Abhängigkeit treiben«, mosert Bojana, eine Kollegin aus der hinteren Ecke. Ein paar Agentinnen brummen zustimmend.
»Das mag sein«, antwortet Evelyn. »Aber diesmal ist es weitgreifender, denn es geht um Manipulation von Menschen durch gentechnisch veränderte Nahrungsmittel.«
Jetzt herrscht Totenstille. Ich glaube, wir fragen uns alle das Gleiche. Ist das wirklich möglich?
»Ihr fragt euch sicher, ist das wirklich möglich?«, fährt Evelyn fort und ich schlucke. Sie ist auf jeden Fall eine Hexe. »Eine unserer Agentinnen aus Washington hat sich gestern gemeldet. Rachel war bis vor ein paar Tagen Putzfrau der Präsidentenfamilie und hat in ihrem letzten Bericht angedeutet, dass Mister Duck ein Zielobjekt für Manipulation sei.«
Bei PSA werden nie die echten Namen von Personen genannt, sondern immer Synonyme. Die Suche nach dem skurrilsten Synonym ist ein interner Wettbewerb zwischen den Abteilungen. Mr. Duck war die gut gelaunte Kreation der Logistikabteilung. »Die Gatten« als Bezeichnung für meine »Putzkunden« hab ich mir übrigens selbst ausgesucht.
Als nächsten Slide sehen wir die Fratze von Mister Duck, dem 45. POTUS, President of the United States, von dem nie ein Mensch geglaubt hätte, dass er dieses Amt je bekleiden wird.
»Völlig klar, der Mann wurde mit Nahrungsmitteln manipuliert. Das Weizenfeld wächst ihm ja schon oben zum Kopf raus«, murmelt Ioana. Ich gackere vor Lachen und auch die anderen freuen sich über den Kommentar.
Sogar Evelyn schmunzelt: »Bevor wir jedoch Genaueres erfahren konnten, wurde Rachel nach Mexiko abgeschoben - obwohl sie eine Inuit ist. Bis dato haben wir keinen Kontakt mehr herstellen können.«
Das muss ich ein paar Sekunden verdauen. Dass Mister Duck eine Inuit nicht von einer Mexikanerin unterscheiden kann, war vorhersehbar. Aber »kein Kontakt mehr« ist kein gutes Zeichen. Heutzutage kann man fast von überall Lebenszeichen senden, sofern man denn noch am Leben ist. Umso mehr, als es auch in Mexiko ein gut organisiertes Putzfrauen-Netzwerk gibt.
Ich greife mir ein Brioche-Kipferl und löffle Marillenmarmelade drauf. Ahmmmh. Mein Gehirn schaltet um und widmet sich kurzfristig der Geschmacksanalyse. Sehr zart und flaumig und die Marillen beste Wachauer Sorte. Ein Gedicht. Essen hat mich schon immer getröstet. Glücklicherweise komme ich nie zum Einkaufen, sonst wäre ich wahrscheinlich eine Fettkugel. Ich schnuppere an meiner Kaffeetasse und tauche in eine wohlige Parallelwelt ab.
»Ich sagte Millie.« Alle Augen sind auf mich gerichtet.
»Hm? Ja bibbe?« Ich sehe wahrscheinlich aus wie ein Hamster, mit dem Brioche in beide Backentaschen gestopft, um zu sprechen.
Evelyns Augenbraue hat heute viel zu tun. »Millie, die Ergebnisse deiner Recherche bei .«, sie runzelt die Stirn und starrt auf den Bericht in ihrer Hand, » . bei >dem Karpfen< - wurden bereits durchgecheckt und waren ein Treffer. Offensichtlich sind wir hier auf Spuren einer TEA-Operation gestoßen. Allerdings fehlen einige relevante Informationen. Du sollst nach weiteren Detailinformationen zur Mission TEA-BAG suchen. Gute Arbeit.« Sie nickt mir zu.
Ich schaffe es, einen Teil des Kipferlbreis runterzuwürgen, und murmle: »Dampfke.« Ich freue mich, dass die Rechercheabteilung meinen Vorschlag »der Karpfen« als Synonym für den glupschäugigen Stefan übernommen hat.
»Ioana, ebenfalls guter Fortschritt.« Evelyn lächelt Ioana zu. Aus irgendeinem Grund wird Ioanas Zielperson, an der sie seit zwei Wochen recherchiert, nie genannt. In der gesamten Agentur scheinen nur Evelyn und sie zu wissen, wer es ist. Das gefällt mir nicht. Sie nennt ihn immer nur »das Punschkrapferl«. Ich glaube, sie findet ihn süß.
Das Meeting ist mehr oder weniger zu Ende. Es werden noch diese und jene Aufgaben verteilt und ein Folgemeeting für übermorgen vereinbart. Immer, wenn wir in diese Phase eines Projekts gelangen, werden die Meetings wesentlich dichter angesetzt, damit der Informationsaustausch gewährleistet ist.
Ich bekomme davon nicht so viel mit, weil ich mich mittlerweile dem Gugelhupf zugewandt habe, der abartig gut ist, weil er nämlich am Boden sitzen geblieben ist und deswegen nach Schokoteig schmeckt.
Am Abend bekommt Slobo Extrastreicheleinheiten und er nimmt sie huldvoll hin, brummt, grunzt und...
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