Schweitzer Fachinformationen
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Es waren vier Tage vergangen, seit sich Splinter Vane und seine Gruppe von Ausgestoßenen in einer Schenke versammelt hatten. Es waren drei Tage vergangen, seit sie sich falsche Identitäten übergestülpt und sich mit Verbrechen gerühmt hatten, an denen sie nie beteiligt gewesen waren. Es waren zwei Tage vergangen, seit man sie dafür ins Verlies gesperrt hatte. Es war ein Tag vergangen, seit sie dafür zum Tode verurteilt worden waren. Und die ganze Zeit über hatte Splinter sein Grinsen unterdrücken müssen. Denn alles lief nach Plan.
Er hätte ewig so weitermachen können. Fünfzig Tage seit der ersten Geschichte im Ohr eines Prinzlings. Dreihundertvierundzwanzig Tage, seit er Anwar gefunden hatte. Siebenhundertdreißig Tage seit dem Eisbad. Wie viele Tage, seit er angefangen hatte, an diesem Plan zu arbeiten? Zu viele Tage, seit seine Familie ermordet und ihm der Thron gestohlen worden war.
»Was, wenn sie nicht kommen?«
Splinter schaute auf. Hellblaue Augen starrten ihn an. »Sie werden kommen. Es lä.«
Sora machte eine wegwerfende Handbewegung und schüttelte den Kopf. Ihre blonden Haare wirkten stumpf, Schatten lagen unter ihren Augen. War sie müde oder waren das die Blüten, die an ihr nagten? »Lass gut sein. Es läuft alles nach Plan. Ich weiß schon«, sagte sie und legte sich auf die mit Stroh bedeckte Stelle auf den Steinboden. Die Kette, mit der sie an die Wand gefesselt war, klirrte bei der Bewegung.
»Aber es hat keine Glocke geläutet.« Ruans Stimme war so tief, dass sich die Haare auf Splinters Armen aufstellten. Splinter schaute zu ihm. Er war an der gleichen Wand wie Sora festgekettet. Seine schwarze Haut hatte einen grauen Schimmer angenommen. Er braucht Wasser.
»Sora hat recht. Was, wenn sie nicht kommen?«, fuhr Ruan fort, ohne seinen Blick von Sora abzuwenden. Eigentlich ließ er sie nicht mehr aus den Augen, seit sie in der Schenke zu ihnen an den Tisch getreten war, während sie jeden seiner Blicke mied. Natürlich pflichtet er ihr jetzt bei. »Dein Plan ist unser Todesurteil, wenn du falschgelegen haben solltest.« Jetzt richtete er seinen Blick doch auf Splinter.
Für einen Moment war Splinter zurück in der Schenke. Da waren die Geräusche von aufeinanderprallenden Fäusten, von Gegröle und Geschrei, der Gestank von Bier und Wein und Pisse. Und da waren drei Bändiger und ein Nemas, die nach diesem Treffen ein Bündnis eingegangen waren. Vorher hatte Splinter ihnen alles erzählt. Von seinem Plan und seinem Großvater, von der Kronensplitterjagd, dem Eid, der Hexe und dem, was die drei bekommen würden, wenn sie ihm halfen. Sora hatte die meisten Bedenken geäußert. Was, wenn sie nicht kommen? Was, wenn wir im Morgengrauen des fünften Tages hingerichtet werden? Was, wenn du etwas nicht bedacht hast? Splinter verstand, dass sie Angst hatte, doch das musste sie nicht. Von Araxaraj wusste er, wie sie alle zu Jägern werden konnten und wann der König im Sterben lag. Es konnte nichts schiefgehen. Der Plan war perfekt.
»Die Glocke verkündet den Tod des Königs, aber gleichzeitig auch die Krönung des neuen. Sie läutet nie vorher. Immer erst danach«, erwiderte Splinter.
Ruan zuckte mit den Schultern. »Vielleicht ist es diesmal anders.«
»Nein«, sagte Splinter und bemühte sich darum, seine Stimme ruhig klingen zu lassen.
»Woher willst du das so genau wissen?«, fragte Ruan.
Knochen brachen, Blut spritzte, Schreie gellten. Bilder aus der Vergangenheit fluteten Splinters Gedanken, färbten alles schwarz. Der Preis hierfür war bezahlt worden. Daher wusste er es, doch das konnte er ihnen nicht sagen, denn es tat nichts zur Sache, änderte nichts. »Ich habe mein halbes Leben an diesem Plan gearbeitet, Ruan. Ich werde nicht schon scheitern, bevor die Jagd überhaupt begonnen hat«, sagte Splinter.
Ein Rascheln blieb die einzige Antwort, als Ruan sich ebenfalls auf seinen Haufen Stroh legte.
Einen Moment betrachtete Splinter die Schuppen an Ruans Hals, dann drehte er sich zu seiner linken Seite. »Geht es mit deinen Kopfschmerzen?«
»Es geht schon .«, sagte Anwar. Ihre Stimme war ganz leise, wie ein Eichhörnchen, das über den Boden hopste. Sie hob die Hände, um sich ihre Schläfen zu massieren, lächelte Splinter dabei mit zusammengepressten Lippen an.
»Das ist die Luft«, sagte Splinter und erwiderte das kleine Lächeln. »Versuch zu schlafen. Wir können alle Kraft gebrauchen, wenn die Jagd beginnt.«
Sie nickte und legte sich dann ebenfalls auf das Stroh. Für einen Moment verweilte sein Blick auch auf ihrem braunen Haar und der braunen Haut. Wenn Anwar da war, fühlte es sich an wie ein Sonnenstrahl im Gesicht, nachdem es tagelang geregnet hatte. Sie schlug sich besser, als er erwartet hatte. Ruhig, besonnen. Vertrauensvoll. Obwohl sie sonst nur ihren Büchern vertraute.
Die Kälte der Steinmauer kroch über seinen Nacken, als Splinter sich dagegenlehnte. Durch das Kerkerfenster wehte eine Brise herein, die nach Salz schmeckte. Gleichmäßige Atemgeräusche krochen in Splinters Ohren und lullten ihn ein. Sein Kopf sackte zur Seite, zuckte hoch, sackte wieder zur Seite.
Irgendwann ließ ihn etwas aufschrecken. Er hob seinen Kopf, zog die Augenbrauen zusammen. Das Geräusch von Absätzen auf Stein. Der Mondschein war von Ruans Kopf auf die Gitterstäbe gewandert. Wie lange hatte er geschlafen? Ehe er eine Antwort finden konnte, schoben sich Stiefel in sein Blickfeld. Sie glänzten, so sauber waren sie. Ein Schatten zeichnete sich vor dem Eingang ab. Groß. In einen Umhang gehüllt. Ein Zweiter trat neben ihn.
Drei Goldmünzen hatte ihn der Schakal gekostet, der dem Prinzling einen hübschen Floh über eine magiebegabte Verbrecherbande ins Ohr gesetzt hatte, die es gar nicht gab. Der dem Prinzesschen die Namen von vier Menschen zugeraunt hatte, die bereit wären, alles für Gold zu tun. Anwar Al Hakim, Ruan Naridara, Sora Ovie und Splinter Vane. Jede Münze war dieser Schakal wert gewesen.
Splinter stand auf, schaute abwechselnd zwischen den beiden schattenhaften Gestalten hin und her. »Was hat das zu bedeuten?«, fragte er, als würde er nicht genau wissen, wer dort stand.
Gleichzeitig schoben sich Dorokan und Inkar Erz die Kapuzen von ihren Köpfen.
Als würden die Sonne und der Mond miteinander kollidieren und sein Herz auseinanderreißen. Nach all der Zeit war es endlich so weit. Splinter drückte alle Regungen aus seinem Gesicht und schaute auf Dorokan. »Mein Prinz«, sagte er und verneigte sich. Dann schaute er auf Inkar und verneigte sich erneut. »Meine Prinzessin.«
Sie werden kommen.
Und hier waren sie.
Das Haar von Inkar Erz war rot wie das des Königs. Ihre Haut schwarz wie die der neuen Königin. Dorokans Haar war schwarz wie das der toten alten Königin. Seine Haut olivfarben wie die der alten Königin. Obgleich er als der Sohn des Königs ausgegeben wurde, sah er aus wie sein älterer Bruder Daerean. Splinter unterdrückte ein Schmunzeln.
Dorokan machte einen Schritt auf die Gitterstreben zu, wodurch sein Gesicht vom Mondlicht erhellt wurde. Seine Nase war lang, schmal. Die Wangenknochen hoch, markant. Er trug einen Bart auf der Oberlippe und dem Kinn. Splinters Augen verweilten auf Dorokans Lippen. »Ein Vögelchen zwitscherte mir, dass ihr morgen sterben werdet .?«
Splinter nickte. »Das stimmt.«
Ehe Dorokan etwas erwidern konnte, schob sich Inkar neben ihren Bruder. »Sag deinen Freunden, sie können aufhören, so zu tun, als würden sie schlafen.«
Ketten klirrten, Stroh raschelte. Als hätten sie es einstudiert, wurden im Dunkeln drei Köpfe angehoben.
»Wir kommen«, sagte Dorokan und richtete seine Augen wieder auf Splinter, »um eurem Schicksal eine zweite Chance zu...
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