Schweitzer Fachinformationen
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Struktureller Rassismus über Jahrhunderte: Eine Alternativ-Weltgeschichte
Anna ist 20 Jahre alt und studiert Geschichtswissenschaft. Sie ist die Erste ihrer Familie, die es geschafft hat, eine Zulassung an der Hochschule zu erhalten. Denn für Weiße ist es eher ungewöhnlich, einen Studienplatz zu bekommen. Um nicht aufzufallen und diesem Privileg gerecht zu werden, verhält sich die junge Frau möglichst unauffällig. Bis ihr Bruder Alexander plötzlich brutal aus ihrem Leben gerissen wird und sie sich die Frage stellen muss, ob sie wirklich weiter mit geducktem Kopf leben und die Diskriminierung der Gesellschaft akzeptieren kann.
Die Welt auf den Kopf gestellt, um aufzurütteln: Ein Buch gegen Rassismus
Jasmina Kuhnke hält mit ihrem Buch der weißen Gesellschaft einen erschreckenden Spiegel vor. Eine Geschichte voller Alltagsrassismus und Ausgrenzung aufgrund der Hautfarbe - nur dass es diesmal die Weißen trifft. Annas Weg zur "White Lives Matter"-Bewegung ist geprägt von traumatischen Erlebnissen und dem neu erworbenen Wissen aus ihrem Studium. Ihr Ausbruch aus der Zurückhaltung in den Kampf für grundlegende Rechte ist beispielhaft für politischen Aktivismus.
Hier trifft Gänsehaut-Spannung auf Gesellschaftskritik und verbindet sich zu einem packenden Roman über das Thema Rassismus und Diskriminierung!
Erschöpft lag die kleine Magda in ihren Armen. Ihre Tochter, deren spröde, blau schimmernden Lippen sich von der geröteten und mit Brandblasen übersäten Haut abhoben. Ihre Tochter, die trotz der brühend heißen Sonne, die unbarmherzig auf ihre ausgemergelten Körper schien und ihnen das Fleisch von den Knochen zu brennen drohte, vor Kälte zitterte. Kälte eines so hohen Fiebers, dass sie selbst das Blut eines gestandenen Mannes gefrieren ließ.
Gedämpft drang eine sorgenvolle Stimme in ihr Bewusstsein. Eva wollte antworten, aber selbst wenn sie gewusst hätte, woher diese Stimme kam, hätte sie sich ihr nicht zuwenden können. Sie konnte ihren Blick nicht von Magda wenden, als würde jeder Moment, der ihre Aufmerksamkeit von dem Kind lenkte, ein Todesurteil besiegeln. Eva durfte sich nicht mal einer erlösenden Ohnmacht hingeben. Sie musste mit allen Mitteln wachsam bleiben.
Magda, ihre wunderschöne, kleine, zarte Magda war erst zwei Jahre alt. Sie sollte zu Hause sein, sich am knisternden Feuer des Steinofens wärmen, während draußen der sanfte Regen auf den Waldboden prasselte. Zu Hause hätte Eva einen Tee aus Weidenrinde gekocht und in Kräutersud getränkte Leinentücher um Magdas Waden gewickelt, um das schreckliche Fieber zu senken. Stattdessen war sie dieser trockenen Einöde ausgeliefert. Eingesperrt hinter Zäunen, inmitten von Staub und Dreck. Hier gab es nichts, um Magda die Qualen zu erleichtern.
Und bei dem Gedanken, ja, dem Wunsch danach, dass ihre Kleine sterben durfte, um von all dem hier verschont zu bleiben, erschauderte Eva so sehr, dass sie einen erschöpften Atemzug lang sogar die unerträgliche Hitze vergaß. Vergaß, wo, aber vor allem, wer sie war. Sie hatten sie nicht nur ihrer Herkunft, sondern auch ihres Lebenswillens beraubt.
Damals wurde sie aus ihrem Dorf entführt, auf ein Schiff gebracht, wo sie einen Monat lang wie Vieh auf engstem Raum eingepfercht worden war, und auf diesen Kontinent verschleppt, wo alles fremd war und die Menschen so anders aussahen als Eva, Magda und all die anderen Übriggebliebenen. Diejenigen, die die unmenschliche Überfahrt zwar überstanden hatten, aber keinen Lebensfunken mehr in sich trugen. Deren Lebenswille unter der Kälte dieser schwarzen Augen erloschen war.
Seitdem hatte Eva nicht mehr aufgehört zu schwitzen. Erst aus Furcht vor dem, was diese Fremden ihrer kleinen Tochter und ihr selbst antun könnten. Und nun wegen der Hitze, die sie Tag und Nacht quälte.
Doch sie ertrug es. Sie überlebte, anders als jene von ihnen, die sich bereits dem erlösenden Tod hingegeben hatten. Sie war hier, um ihr Kind nicht alleine sterben zu lassen. Eva durfte noch nicht dem Leben entrissen werden. Noch nicht. Sie hatte Magda auf diese Welt gebracht, und sie würde diese Welt gemeinsam mit ihr verlassen. Ihr war sie es schuldig, durchzuhalten. So lange, bis ihre Zweijährige den letzten Atemzug getan hatte und all das nicht mehr ertragen musste, sondern in den Armen ihrer Mutter endlich sterben durfte.
Das Zittern ihrer Tochter wurde heftiger und ging in ein stoßartiges Zucken über. Eva brachte ihre restliche Kraft auf, um ihr Kind zu halten. Sie flehte Magda an, dass sie noch nicht aufgeben solle, nicht, während sich andere an ihrem Leid ergötzten.
Eva schreckte aus ihrer Lethargie, als ihr bewusst wurde, dass Magda ihre Worte vielleicht nicht mehr wahrzunehmen vermochte, und die Angst, Magda könne vor den Augen dieser Fremden sterben, nahm sie ein.
So weit durfte es nicht kommen. Nicht in diesem eingezäunten Gehege, das man in ihrer Heimat für Tiere benutzte. Und auch wenn sich dieses Mal nur etwa zwanzig Personen zum Gaffen versammelt hatten, fühlte sich Eva hilflos bei dem Gedanken, dass diese Fremden ihrer Tochter beim Sterben zusehen würden.
»Halte noch ein bisschen durch«, flüsterte sie ihrer vor Schmerzen wimmernden Tochter ins Ohr. Sie wusste, sie verlangte zu viel von ihrem Kind. Sie wusste, Magda hatte keine Kraft mehr. Dennoch wollte sie es nicht zulassen, dass die Männer, Frauen und sogar Kinder ihrem Kind amüsiert beim Sterben zusahen. Das Weiß ihrer Augen stach so deutlich hervor, dass Eva sie alle für Teufel hielt. Sie starrten und starrten. Stießen einander begeistert an und zeigten mit den Fingern auf Eva und die anderen Gefangenen.
Behutsam wischte Eva weißen Schaum aus Magdas Mundwinkeln und flüsterte ihr noch einmal eindringlich zu, dass sie noch warten solle. Warten, bis diese Augen sie nicht mehr sahen, sich nicht mehr an ihrem Leid und Tod weiden konnten. Eva wollte nicht mehr viel. Sie wollte nur, dass Magda wenigstens das erspart und ein letzter Rest ihrer Würde bewahrt bliebe.
Die Zuschauer*innen sahen aus, als hätten sie sich für den Tod ihres Kindes zurechtgemacht: Sie trugen lange Gewänder in leuchtenden Farben, glänzenden Goldschmuck und große Sonnenhüte. Und als wäre es nicht schmerzlich genug, dass Eva keine edlen, kühlenden Stoffe tragen durfte wie die anderen Menschen, sondern sackartige Überwürfe aus grober Jute, kratzten diese auch noch auf der Haut ihres geschundenen Körpers. Am liebsten hätte sie die Kleider abgeworfen, aber so demütigend und ausweglos diese Situation auch für sie war, sie wollte den Zuschauenden den Anblick auf ihren nackten Körper nicht vergönnen.
Die ausgemergelte Frau neben ihr, Minna, die mit den nässenden Wunden an den Handgelenken, wo zuvor die Fesseln gewesen waren, zuckte plötzlich zusammen. Ihre Augen verdrehten sich, bevor sie in sich zusammensank und zu Boden kippte. Sofort hob Eva in Erwartung auf den nächsten Schlag schützend eine Hand über sich und Magda. Denn bereits als sie in Ketten vom Schiff auf die Straße des Hafens geführt worden waren, und in der prallen Sonne des Marktplatzes hatten stehen müssen, hatte Eva gelernt, dass Ohnmacht eine große Gefahr barg. Wer nicht mehr stand, wurde von den Peinigern wieder aus der Bewusstlosigkeit geprügelt. Jeder Schlag holte sie ein Stück zurück in die schmerzhafte, unerträgliche Realität.
Eva würde es sich niemals verzeihen, dass sie sich an jenem Tag einen kurzen Moment dieser Schwäche hingegeben und ihr Kind, ihre kleine, süße Magda, den anderen überlassen hatte. Als sich ihr Blickfeld verengte, war das Letzte, was sie wahrnahm, Magdas entsetztes Gesicht und wie dahinter die Männer mit schweren Schritten auf sie zuhielten.
Es war nicht der Schmerz der Schläge, sondern der panische Schrei des Kindes, der sie wieder ins Jetzt holte. Minna hatte das Kind rasch an sich gezogen und ihm den Mund zugehalten, damit die Männer es nicht ebenfalls prügeln würden.
Eva hätte Magda auch in klarem Zustand nicht vor der Grausamkeit schützen können, das war ihr bewusst. Dennoch hätte ihre Tochter zumindest gesehen, dass ihre Mutter alles tat, um für sie da zu sein, und sich gegen diese Fremden zur Wehr setzte. Eine Zweijährige verstand nicht, dass auch Mütter irgendwann am Ende ihrer Kräfte sein konnten. Dass auch Mütter Angst hatten und nicht wussten, was sie tun sollten. Wie sollte Magda begreifen, dass auch Eva nicht verstand, was hier passierte?
Was sie beide jedoch schnell begreifen mussten, war, dass sie für diese Fremden mit der schwarzen Haut keine Menschen waren. Nicht sie, nicht ihre geliebte Magda und auch die anderen Gefangenen nicht. Für sie war keine*r von ihnen menschlich. Keine*r ihrer Art. Weshalb sonst sollten sie sie einsperren und zur Schau stellen? Was für Menschen stellten andere Menschen wie Tiere aus und sahen ihnen beim Sterben zu?
Sie selbst hatten die wilden Tiere in ihrer Heimat, die Füchse, Milane und Wölfe, nie eingesperrt. Nie hatten sie andere Lebewesen malträtiert, so wie es der kleine Junge auf der anderen Seite des Zaunes nun tat. Er zog aufgeregt am Ärmel seines Vaters und zeigte mit dem Zeigefinger seiner anderen Hand auf Magda. Dann sammelte er Steine vom Boden und warf sie nach dem sterbenden Kind.
Niemand, der einen anderen Menschen als Menschen respektierte, tat so etwas, fand Eva. Wie konnte ein Kind seinesgleichen nicht erkennen und ein anderes, viel kleineres Kind so grausam quälen? Wie konnte es sein, dass der Junge, mit der schwarzen Haut und dem schwarzen Haar, in Magda nicht auch sich selbst sah? Lag es daran, dass Magda im Gegensatz zu ihm kurzes, weiches blondes Haar, blaue Augen hatte und blass, ja, weiß war?
Als Eva ihre Tochter von dem Jungen wegdrehte, spuckte eine Frau von der anderen Seite des Geheges sie an und traf ihre verfilzten Haare. Eva entschied sich, nicht darauf zu reagieren - was hätte sie auch tun können? - und schluckte die Demütigung herunter. Doch dann sah sie, dass sich Heinz schützend vor sie und Magda setzte.
Eva hielt den Atem an, als die anderen seinem Beispiel folgten und an die Mutter und das Kind heranrückten. Trotz der vor Schweiß stinkenden, nassen Körper drängten sie noch enger zusammen und bildeten einen Kreis um die beiden Schwächsten der Gruppe. Eine tiefe Dankbarkeit erfüllte Eva, doch da war auch Angst.
Diesen Akt des rebellischen Widerstands würden ihnen die Wärter nicht lange durchgehen lassen. Das wusste Eva, das wusste Heinz und das wussten die anderen. Ja, selbst Magda, mit ihren unschuldigen zwei Jahren hätte es gewusst, befände sie sich nicht in einem Fiebertraum. Und offenbar wussten es auch die Gaffer*innen, denn in der Menge breitete sich eine Unruhe aus.
Magdas Augenlider begannen zu...
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