1 - Gesundheitsdaten verstehen [Seite 1]
1.1 - Inhaltsverzeichnis [Seite 7]
1.2 - Vorwort zur zweiten Auflage [Seite 9]
1.3 - 1 Wenn Daten sprechen könnten: Einladung zu einer hermeneutischen Reise durch Statistiken und Studien [Seite 11]
1.4 - 2 Von Prävalenzen und Risiken: ein Sprachkurs Deutsch - Epidemiologisch [Seite 15]
1.4.1 - 2.1 Epidemiologie [Seite 15]
1.4.2 - 2.2 Prävalenz [Seite 16]
1.4.3 - 2.3 Inzidenz, absolutes Risiko [Seite 18]
1.4.4 - 2.4 Relatives Risiko [Seite 19]
1.4.5 - 2.5 Statistische Signifikanz und Kausalität [Seite 20]
1.4.6 - 2.6 Morbidität, Mortalität, Letalität [Seite 24]
1.5 - 3 Fu?ndig werden: Daten und Datenquellen zur Gesundheit [Seite 27]
1.5.1 - 3.1 Leben und Sterben [Seite 28]
1.5.1.1 - 3.1.1 Lebenserwartung [Seite 28]
1.5.1.2 - 3.1.2 Sterbefälle und Sterberaten [Seite 30]
1.5.1.3 - 3.1.3 Sterberaten - noch einmal ganz genau unter die Lupe genommen [Seite 34]
1.5.1.4 - 3.1.4 Todesursachen [Seite 36]
1.5.1.5 - 3.1.5 Säuglingssterblichkeit und plötzlicher Kindstod [Seite 40]
1.5.2 - 3.2 Krankheiten, u?ber die man täglich liest [Seite 43]
1.5.2.1 - 3.2.1 Herz-Kreislauf-Erkrankungen [Seite 43]
1.5.2.2 - 3.2.2 Krebs [Seite 47]
1.5.2.3 - 3.2.3 Diabetes mellitus [Seite 51]
1.5.2.4 - 3.2.4 Depressionen [Seite 54]
1.5.2.5 - 3.2.5 Demenz [Seite 57]
1.5.3 - 3.3 Was uns krank macht: Gesundheitsgefahren [Seite 59]
1.5.3.1 - 3.3.1 Unfälle [Seite 59]
1.5.3.2 - 3.3.2 Rauchen und Trinken [Seite 63]
1.5.3.3 - 3.3.3 Epidemie Übergewicht? [Seite 67]
1.5.3.4 - 3.3.4 Infektionskrankheiten [Seite 72]
1.5.3.5 - 3.3.5 Umweltbelastungen [Seite 76]
1.5.3.6 - 3.3.6 Armut gefährdet Ihre Gesundheit [Seite 80]
1.5.4 - 3.4 Unser Gesundheitswesen: drei Splitter [Seite 83]
1.5.4.1 - 3.4.1 Ärzte und Krankenhausbetten [Seite 83]
1.5.4.2 - 3.4.2 Krankheitskosten [Seite 87]
1.5.4.3 - 3.4.3 Krankenstand [Seite 89]
1.5.5 - 3.5 Wenn es keine Statistiken gibt: Das ganz kleine Einmaleins der Studien [Seite 92]
1.5.6 - 3.6 Ein Exkurs in die Welt der großen Zahlen: Big Data [Seite 100]
1.6 - 4 Daten präsentieren [Seite 103]
1.6.1 - 4.1 "Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte" [Seite 103]
1.6.2 - 4.2 Vorsicht vor dem Durchschnittswert [Seite 104]
1.6.3 - 4.3 Logarithmische Darstellungen [Seite 105]
1.6.4 - 4.4 Genauigkeit hat Grenzen [Seite 106]
1.6.5 - 4.5 Statistische Fehler [Seite 107]
1.6.6 - 4.6 Am Ende kommt der Schluss [Seite 109]
1.7 - Anhang [Seite 111]
1.7.1 - Die wichtigsten Statistiken im Überblick [Seite 111]
1.8 - Kurzes Glossar [Seite 115]
1.9 - Literatur [Seite 117]
1.9.1 - Weiterfu?hrende Literatur [Seite 118]
1.10 - Sachregister [Seite 119]
2 Von Prävalenzen und Risiken: ein Sprachkurs Deutsch - Epidemiologisch
2.1 Epidemiologie
Eine (ganz) kurze Geschichte der Epidemiologie Das Beobachten und zahlenmäßige Erfassen von Krankheiten in der Bevölkerung reicht historisch weit zurück. Vor allem über die Ausbreitung der Pest in Europa im Mittelalter gibt es eine Vielzahl von "epidemiologieähnlichen" Berichten. Systematische Bemühungen, die Verbreitung von Krankheiten genau zu erfassen, sind jedoch neueren Datums. So forderte z. B. einer der Stammväter der Sozialmedizin, Johann Peter Frank (1745-1821), dass die Ärzte "medizinische Topografien" erstellen sollten.
Frank meinte damit die Sammlung medizinisch relevanter Daten für eine Region. John Snow (1813-1858) schließlich demonstrierte als Erster den Nutzen epidemiologischer Studien: Er wies nach, dass die Cholera in London mit der Trinkwasserversorgung zusammenhing. Snow vertrat die Ansicht, dass verunreinigtes Trinkwasser die Ursache der Erkrankungen war, lange bevor der Choleraerreger entdeckt wurde. Richtig etabliert hat sich die Epidemiologie jedoch erst nach dem 2. Weltkrieg. In den USA nahm die Zahl epidemiologischer Studien rasch zu. Meilensteine der modernen Epidemiologie sind z. B. die "Framingham Heart Study" von 1949 zur Erforschung bevölkerungsbezogener Risiken von Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder der Bericht "Smoking and Health" von 1964, mit vielen Belegen zu den gesundheitlichen Folgen des Rauchens. In Deutschland waren epidemiologische Studien, wie die Sozialmedizin insgesamt, lange Zeit diskreditiert: Die Sozialmedizin war im Nationalsozialismus zur Rassenhygiene mutiert und hatte in erheblichem Umfang zur Vernichtung von Menschen beigetragen. Mit bevölkerungsbezogenen Studien konnte die Sozialmedizin in Deutschland erst in den 1980er- und 1990er-Jahren wieder Fuß fassen, unter dem etwas sperrigen Begriff "Public Health".
Epidemiologie ist die Lehre von der Häufigkeit und Verteilung von Risikofaktoren, Erkrankungen und Befindlichkeitsstörungen in der Bevölkerung. Darüber hinaus hat sich in den letzten Jahren eine "Versorgungsepidemiologie" entwickelt. Ihr Gegenstand ist die Versorgungssituation der Bevölkerung mit Leistungen des Gesundheitssystems. Wörtlich bedeutet Epidemiologie die Lehre davon, "was auf dem Volk liegt". Darin klingt noch die Herkunft der Epidemiologie aus der Seuchenbekämpfung nach.
Man unterscheidet die deskriptive Epidemiologie von der analytischen Epidemiologie: Während sich die deskriptive Epidemiologie, wie der Name schon sagt, auf eine Beschreibung der gesundheitlichen Situation beschränkt, geht die analytische Epidemiologie darüber hinaus und versucht, ursächliche Zusammenhänge im Erkrankungsgeschehen aufzudecken.
2.2 Prävalenz
Am Anfang der Epidemiologie stehen kluge Fragen - und Daten, um diese Fragen zu beantworten. Eine wichtige Größe ist die Häufigkeit von Fällen mit bestimmten Merkmalen - beispielsweise die Häufigkeit von Rückenschmerzen nach Geschlecht und Alter. Für manche Zwecke, z. B. für die Abschätzung des Behandlungsaufwands, braucht man die absolute Zahl der Betroffenen: Man muss wissen, wie viele Menschen versorgt werden müssen. Will man darüber hinaus aber wissen, ob Frauen häufiger betroffen sind als Männer, braucht man neben der absoluten Häufigkeit auch die relative Häufigkeit, also den Anteil der Betroffenen unter den Frauen bzw. unter den Männern.
Diese Zahl wird in der Sprache der Epidemiologie "Prävalenz" genannt. Sie ist der Quotient aus der Anzahl der Fälle und der dazugehörenden Bevölkerung. Dabei wird unterschieden zwischen der Punktprävalenz (wie häufig ist eine Krankheit zu einem bestimmten Zeitpunkt), der Periodenprävalenz (wie häufig ist eine Krankheit in einem bestimmten Zeitraum) und der Lebenszeitprävalenz, einer Sonderform der Periodenprävalenz (wie häufig tritt eine Krankheit im Zeitraum von der Geburt bis zu einem bestimmten Lebensalter auf).