Schweitzer Fachinformationen
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»Frau Schiller, nicht wahr? Schön, dass Sie gekommen sind.« Wenz empfängt mich im gepflasterten Innenhof des Reitstalls Röcklingen, sein Händedruck lässt den Landwirt erkennen. Ich nicke und lächle, weil Nicken und Lächeln gut ist, wenn man mit einem neuen Klienten warm werden will. Oder muss. »Es geht um Ihr verschwundenes Pferd?«
»Genau. Wie ich schon am Telefon sagte: Dieser Kerl hat Stjörnugnýr einfach mitgenommen, letzten Dienstag, also vor drei Tagen.«
»Und Sie wissen, wer es war?«
»Im Prinzip schon. Er hatte ja vorher Linda gekauft, das andere Pferd, aber das wollte er dann offenbar .«
Stopp. So geht das nicht. »Entschuldigen Sie bitte, aber ich komme nicht ganz mit«, unterbreche ich ihn. »Wir sollten besser noch einmal von vorn anfangen, bei den grundsätzlichen Dingen.«
»Wie Sie meinen.«
Die grundsätzlichen Dinge sehen so aus: Reinhard Wenz besitzt einen Reitstall in Windeck-Röcklingen, den er zusammen mit seiner Frau Inka führt. Inka ist ausgebildete Reitlehrerin und leitet den Unterricht, er kümmert sich vor allem um den Hof. Die Wenz' besitzen zwölf Schulpferde, hinzukommen etwa 15 Einstellpferde und vier weitere Tiere, die sie ausschließlich privat reiten. Gestohlen wurde ein vierjähriger Islandwallach mit dem nahezu unaussprechlichen Namen Stjörnugnýr, ein wertvolles Tier, aber nicht das wertvollste im Stall. Für die Zucht ist er logischerweise ungeeignet und als Reitpferd bislang nur bedingt tauglich, da er noch nicht ganz eingeritten ist. Auch das mindert den Marktpreis, wie mir Wenz erklärt. Allerdings besäße das Pferd gute Anlagen zu Tölt und Pass, den speziellen zusätzlichen Gangarten der Isländer, weshalb es zukünftig vielleicht einmal zu einem guten Rennpferd heranreifen würde.
»Kann das der Grund für den Diebstahl gewesen sein?«
Wenz zuckt die Achseln. »Wenn ich das wüsste.«
»Waren Sie bei der Polizei?«
»Ja, klar.«
»Und?«
»Die kümmern sich drum.«
»Wieso wenden Sie sich dann an mich, wenn ich fragen darf?«
»Die Polizei hat viel zu tun«, meint Wenz unbestimmt und kickt ein Steinchen beiseite. »Stjörnugnýr ist das Lieblingstier meiner Frau, verstehen Sie?«
»Ich verstehe. Allerdings glaube ich nicht, dass ich viel für Sie tun kann. Sie kennen den Täter, und in diesem Fall scheint mir die Polizei der beste Ansprechpartner zu sein.«
»Wer sagt, dass ich ihn kenne?«, widerspricht Wenz. »Ich habe keine Ahnung, wer dieser Typ ist. Die Kaufpapiere hat er unterschrieben mit Carsten Vogel, aber das ist offenbar nicht sein richtiger Name, sagte mir die Polizei.«
»Also hat er das Pferd gekauft, aber nicht bezahlt?«
»Nein. Er hat Linda gekauft, eines unserer Schulpferde, aber Stjörnugnýr hat er mitgenommen.«
»Eine Verwechslung vielleicht?«
»Eine Verwechslung?« Wenz schnaubt verächtlich. »Linda ist ein Englisches Reitpony, eine Fuchsstute, und Stjörnugnýr ein schwarzes Islandpferd. Da ist eine Verwechslung wohl ausgeschlossen. Außerdem hat der Kerl ja zuerst Linda in den Hänger geladen.«
»Und wie ist er dann an Stjörn. äh .« Der Name will mir einfach nicht über die Lippen. »Wie ist er an das Islandpferd gekommen?«
»Er hat den Wallach unbemerkt von der Weide geholt.«
»Es fehlen also beide Tiere?«
»Nein. Linda hat er dagelassen. Die stand abends auf der Koppel, dafür war Stjörnugnýr weg.«
Was für eine verworrene Geschichte. »Hat er gesagt, für wen er das Pferd kaufen wollte?«, frage ich.
»Ja, es sollte für seine Tochter sein. Er meinte, er suche ein braves, zuverlässiges Tier für sie, weil sie Reitanfängerin sei.«
»War sie Schülerin hier, die Tochter?«
»Nein, ich glaube nicht.«
»Sie glauben nicht? Hat er denn einen Namen genannt?«
Wenz runzelt unwillig die Stirn. »Ja, irgendeinen Vornamen, aber den weiß ich nicht mehr.« Er bemerkt meinen skeptischen Blick. »Hören Sie, hier springen an die hundert Mädchen herum, die kann man sich nicht alle merken.«
»Sie wissen also nicht, wie Ihre Schülerinnen heißen?«
»Nee. Doch. Meine Frau, die schon.«
»Kann die sich vielleicht erinnern?«
»Nein. Sie war ja nicht dabei.«
»Also gut. Er wird vermutlich nicht die Wahrheit gesagt haben, sonst wäre es zu einfach, ihm auf die Spur zu kommen. Und gezahlt hat er sicher auch nicht?«
»Doch, in bar.«
Die Antwort überrascht mich. »Dann haben Sie ja immerhin Ihr Geld erhalten. Oder einen Teil des Geldes.«
Wenz zieht ein Gesicht, als hätte ich das Gegenteil behauptet. »Es geht mir nicht ums Geld«, sagt er säuerlich, »es ist das Lieblingstier .«
». Ihrer Frau, ich weiß. Sind Sie ihm nur dieses eine Mal begegnet? Dem Dieb, meine ich?«
»Nein, er war schon einmal da. Vor zwei, drei Wochen tauchte er auf und erzählte, dass er ein Pferd für seine Tochter suche, und dabei hat er auf Stjörnugnýr gezeigt. Ich dachte, das sei ein Zufall, weil Inka ihn gerade in diesem Moment über den Hof führte. Ich habe ihm gesagt, der Rappe sei zu jung für ein Kind und noch nicht ganz eingeritten. Außerdem sei er nicht verkäuflich. Der Typ hat dann noch ein bisschen herumgeredet und gefragt, ob es am Preis läge, aber ich habe ihm erklärt, da sei nichts zu machen, das Pferd wäre ohnehin denkbar ungeeignet für seine Zwecke. Stattdessen habe ich ihm Linda vorgeschlagen.«
»Warum dieses Tier?«
»Sie ist lammfromm und gut zu reiten. Weich in den Gängen, willig, fleißig.«
»Und was ist nicht so toll an ihr?«
»Wie meinen Sie das?«
»Wie ich's gesagt habe. Sie werden ja wohl nicht ohne Not Ihr bestes Pferd im Stall weggeben.«
Wenz druckst ein wenig herum. »Linda ist nicht krank, falls Sie darauf hinauswollen, aber sie ist nicht mehr die Jüngste - was für einen Reitanfänger nur von Vorteil ist. Später kann man dann immer noch auf ein temperamentvolleres Pferd umsteigen.«
Ich nicke. »Hatte der Mann Ahnung von Pferden?«
»Nicht die Spur.«
»Wenn man keine Ahnung von etwas hat, das man kaufen möchte, nimmt man dann nicht jemanden mit, der sich auskennt?«
»Das fragen Sie mich?«
»Wen sonst?«
»Tja, vernünftig wäre das. Aber er hat's nicht gemacht. Er war allein. Außerdem haue ich niemanden übers Ohr.«
»Vielleicht hat er das gewusst«, sage ich lächelnd. »Und er hat keine Adresse angegeben?«
»Doch. Die existiert sogar, das habe ich schon nachgeprüft. Nur wohnt er dort leider nicht. Und dieser Carsten Vogel auch nicht.«
»Wo wohnt er denn angeblich?«
»In Sankt Augustin.«
»Ist ja nicht weit weg.«
»Wenn's stimmen würde.«
»Sein Wagen?«
»Ich habe nicht darauf geachtet. Ein dunkler Van. Er parkte so, dass er mit dem Hänger zum Hof stand.«
»Und dieser Anhänger?«
»NR-Kennzeichen, mehr weiß ich nicht. Geliehen, sagte er. Dabei habe ich mir nichts gedacht, es hat schließlich nicht jeder einen eigenen Hänger.«
Ob er mir die Weide zeigen könne, auf der der Isländer gestanden hat, frage ich. Wenz führt mich über den gepflasterten Hof, vorbei am Wohnhaus und den Stallgebäuden. Wir passieren eine Gasse zwischen den Stallungen, die zum rückwärtigen Teil des Anwesens führt. Vor uns liegt jetzt ein offener Reitplatz mit Sandboden, in dessen Mitte eine stämmige Blondine steht und einen noch stämmigeren Haflinger longiert. Als sie uns sieht, hebt sie die Hand zum Gruß.
»Meine Frau«, erklärt Wenz und winkt kurz zurück. Wir gelangen zu einem Holztor, das auf die Koppeln hinausführt. Er öffnet das Gatter, und wir schlüpfen hindurch. Das Gras trieft vor Nässe, obwohl es nicht geregnet hat, doch die Nacht war kalt und feucht. Im Nu sind meine Leinenturnschuhe vollkommen durchgeweicht. Wir wandern weiter durch frühlingsfrisches, saftiges Grün, weg vom Hof. Auf einem Stück Wiese, das offenbar länger brachliegt, blühen Wolken zartvioletten Wiesenschaumkrauts, unterbrochen von leuchtend gelben Sumpfdotterblumen. In der Ferne glitzert die Sonne auf dem Wasser der Sieg. Die Koppeln liegen genau im Bogen einer engen Schleife, die der Fluss oberhalb von Röcklingen zieht, und werden von dieser begrenzt.
Wenz hakt einen der Elektrozäune aus, die das Gelände umfassen, lässt mich hindurch und schließt ihn wieder. Er deutet in nordwestliche Richtung, zum Ende der Weide, neben der ein kleines Sträßchen oder ein Feldweg verläuft. »Stjörnugnýr stand dort hinten mit den Schulpferden, die an dem Tag nicht mehr ranmussten. Meine Frau hatte ihn vormittags noch geritten.«
Ich will seinem Blick folgen, werde aber abgelenkt. Hinter einem Weißdorngebüsch zu unserer Linken taucht ein großes graues Pferd auf und trabt zielstrebig auf uns zu.
»Das ist John-Boy«, erklärt Wenz freundlich und streckt die Hand nach dem Tier aus. »Der will bloß sehen, ob wir ein Leckerchen für ihn haben.«
»Er sieht aus, als wollte er uns fressen.« Ich trete vorsichtshalber einen Schritt zurück. Nach meinem unfreiwilligen Ritt vor einiger Zeit sind mir Pferde nicht mehr geheuer, nicht einmal die mit einem Stockmaß unter einem Meter zehn. Und dieser John-Boy liegt eindeutig darüber. Wenz lacht und klopft dem Tier freundschaftlich den Hals. Ich deute auf das ungefähr 50 Meter...
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