Schweitzer Fachinformationen
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Nora
Die Sonne brennt heiß und unerbittlich auf meine nackten Schultern. Vielleicht ist es doch keine so gute Idee gewesen, die Stola zu Hause zu lassen. Ich bin mir sicher, das werde ich morgen noch mehr bereuen als in diesem Moment. Meine Schultern fühlen sich jetzt schon heiß an, aber morgen werden sie rot und wie verbrannt sein. Doch mein 800-Euro-Date ist es wert. Dieses Date bezahlt nämlich meinen nächsten Anteil der Miete und noch dazu eines der superteuren Bücher für mein Studium.
»Ist alles in Ordnung?« Leo, mein besagtes Date, beugt sich zu mir runter und streicht mir sanft über die glühenden Schultern. Ich zucke kaum merklich zusammen und nicke artig. Innerlich sterbe ich zwar gerade, aber ich will meinen Schmerz nicht vor aller Welt zeigen. Und mit »aller Welt« meine ich die komplette Prominenz Münchens!
Dieses Event ist für Leo ziemlich wichtig und ich bin seine bezahlte Begleitung. Womöglich klingt das nuttig, ist es aber nicht. Ich schlafe ja nicht mit meinen Kunden«, sondern begleite sie zu ihren Veranstaltungen, damit sie vor den Augen anderer Superreicher nicht als Versager dastehen. Alles völlig harmlos. Außerdem komme ich so auch unter Leute, genieße den teuersten Champagner und finanziere gleichzeitig mein Studium und meine Unterkunft. Auch wenn ich in einer WG mit meinen zwei verrückten Zwillingsfreundinnen wohne, ist München verdammt teuer. Und genau deswegen halte ich mich lieber mit gut bezahlten Escort-Aufträgen über Wasser anstatt mit langweiligen Supermarktschichten. Meist habe ich bei den Escort-Aufträgen sowieso nicht viel zu tun. Ich stehe hauptsächlich neben meinem Auftraggeber und lächle, reden muss ich nicht. Ab und an interessiert sich mal jemand für meine Anwesenheit, aber nicht lange. Heute zum Beispiel interessiert sich keine Sau für mich. Die Veranstaltung dient Kindern und Erwachsenen, die an Krebs leiden. Wobei die reichen, einflussreichen Männer und Frauen versuchen, sich gegenseitig mit Geldbeträgen zu überbieten. Bei diesen Leuten hier scheint das Geld ziemlich locker zu sitzen. Wenn sie davon so viel abtreten können, würde es meinem Konto auch nicht schaden, denke ich - zugegebenermaßen ziemlich gefühlskalt. Sofort schäme ich mich für meine Gedanken. Schließlich geht es hier um etwas Gutes!, ermahne ich mich selbst und konzentriere mich auf die Bläschen meines Proseccos, der mittlerweile schon ziemlich viel Sonneneinstrahlung genossen hat - so wie ich, verdammt!
»Und Leo, wie läuft das Studium?« Eine tiefe, raue Stimme reißt mich aus meinen verqueren Gedanken. Ich schaue nach oben und begutachte die Person, die Leo freundschaftlich die Hand auf die Schulter gelegt hat.
»Ziemlich gut, würde ich sagen. Anatomie macht mir zurzeit zwar ein wenig zu schaffen. Aber das wird schon wieder«, seufzt er. Leo ist Medizinstudent. Hauptsächlich, weil sein Vater es so möchte. Leos Familie besteht zu 60 Prozent aus Ärzten, soweit ich weiß. Er selbst ist nicht gerade eine Person, der ich mein Leben in die Hände legen würde, da er bisher mit seinem Hang zum übermäßigen Alkoholkonsum einen eher leichtsinnigen Eindruck hinterlassen hat. Aber wer weiß schon, wie er sich bis zum Ende seines Studiums entwickelt. Denn wie mein Vater früher einmal sagte: »Stecke Menschen nicht gleich in vorgefertigte Schubladen, nur damit etwas, das nicht passt, passend gemacht wird.«
»Das glaub ich dir gern. Zum Glück ist mein Studium vorbei! Ich habe es gehasst, tagein, tagaus in diese verdammten Vorlesungen zu stiefeln, ohne irgendwas zu lernen.« Eine gewisse Überlegenheit schwingt in jedem seiner Worte mit, als wäre der Mann alles und Leo ein Nichts.
»Was haben Sie denn studiert?«, platzt es, weniger aus Neugierde denn als Verteidigungsversuch gegenüber Leo, aus mir heraus. Erschrocken verziehe ich das Gesicht. Eigentlich ist es nicht meine Aufgabe, mich ins Geschehen einzumischen. Jetzt aber, da die Worte gesprochen sind, muss ich das Beste daraus machen. Die Männer starren mich an. Leo grinst breit und der andere, zu meiner Verwunderung, noch ein Stückchen breiter. Dabei präsentiert er einen wirklich unanständig geraden Zahnbau. Überhaupt gehören Männer wie er verboten. Dunkles, fast schwarzes Haar, blaue, leuchtende Augen und ein von einem leichten Bartschatten umgebenes Grübchenlächeln.
»Werbedesign. Und wer sind Sie, wenn ich fragen darf?« Ich schlucke schwer und versuche, seinem intensiven Blick auszuweichen. Leo räuspert sich.
»Tut mir leid. Nora, das hier ist Lucas Brandt, ein sehr guter Freund meines Bruders.« Er deutet grinsend auf besagten Lucas Brandt und dann zeigt er auf mich. »Und das hier ist Nora Seibert, meine Freundin.« Das Freundin klingt zwar ein wenig gewürgt, doch das scheint Lucas nicht aufzufallen. Um seine Worte zu unterstreichen, streichelt Leo mir über die Hüfte. Lucas zieht lächelnd eine seiner schön geschwungenen Augenbrauen hoch und reicht mir seine Hand.
»Schön, Sie kennenzulernen, Nora«, raunt er und streichelt, kaum merklich, mit dem Daumen über meinen Handrücken. Zwinkernd lässt er meine Hand wieder los und richtet seine Aufmerksamkeit auf Leo. Erleichtert atme ich aus. Lucas ist einer der Gefährlichen. Ein Herzensbrecher wie er im Buche steht, denke ich, nippe an meinem Prosecco und blende das Gespräch der Männer aus. Am liebsten würde ich im Erdboden versinken, da die Aufmerksamkeit dieses unverschämt gut aussehenden Mannes jetzt auf mich gerichtet ist. Schließlich bin ich hier, um meinen Job zu machen, und nicht, um zu flirten - außerdem mime ich die Freundin eines anderen. Doch ich erwische mich dabei, wie ich im Laufe des Gesprächs doch einen Gedanken an Lucas und vielleicht sogar einen Blick auf ihn riskiere, und könnte mich unmittelbar in den Arsch beißen. Wenn er doch nicht so verdammt heiß wäre, seufze ich innerlich und blicke wieder weg. Ich studiere die Begleitungen der anderen Männer und versuche, mir ihr Verhalten abzuschauen. Nach zwei Jahren Escort müsste ich eigentlich Profi sein, aber für Escort gibt es eigentlich kein Schema. Jeder Typ ist anders. Jede Situation unberechenbar. Erst eine leichte Berührung an meiner Hüfte bringt mich wieder ins Hier und Jetzt.
»Geht es dir nicht gut, Schatz?« Leos besorgter Blick trifft auf meinen.
»Mir ist ein bisschen warm. Vielleicht gehe ich mich schnell frisch machen. Bin gleich wieder da«, entgegne ich und mache mich auf den Weg zu den Toiletten.
Seufzend lasse ich mir das kühle Wasser über die Handgelenke laufen, als plötzlich die Tür aufgeht und drei junge Frauen den Raum betreten.
»Habt ihr Lucas Brandt gesehen?«, kichert eine zierliche Blondine. »Er ist so attraktiv. Für ihn würde sich mein Höschen wahrscheinlich in Luft auflösen.« Ihre Freundin fällt in ihr Gekicher mit ein und klopft ihr zustimmend auf die Schulter.
»Wahre Worte, Maria«, seufzt sie verträumt und kramt in ihrer Clutch. Als sie ihre Augen hebt und mich entdeckt, lässt sie ihren abschätzigen Blick über mein Outfit wandern. Wahrscheinlich komme ich ihr in meinem H&M-Kleid billig vor. Die Damen hier tragen nämlich Klamotten, die mehr kosten, als meine monatlichen Einnahmen betragen. Sie setzt ein falsches Lächeln auf und tritt neben mich an den Spiegel.
»Du bist mit Leo hier, stimmt's?«
»Ja«, entgegne ich einsilbig.
»Weise Entscheidung, dir einen zukünftigen Arzt zu angeln. Ich habe es nicht anders gemacht. Kennst du Dr. Jung? Er ist renommierter Schönheitschirurg«, prahlt sie, als wäre es eine Sache, die man sich kaufen kann.
»Nein, ich kenne ihn nicht, aber es muss ziemlich praktisch sein, einen Schönheitschirurgen als Partner zu haben«, entgegne ich ein wenig giftig.
»Wie meinst du das?« Ihr scheint der sarkastische Unterton nicht entgangen zu sein.
»Ach nur so«, antworte ich und trockne mir die Hände ab. Auf diese Frage würde ich nicht antworten. Es könnte sonst nämlich passieren, dass ich richtig ausfällig werde, und dann kann ich meine 800 Euro ein für alle Mal vergessen.
»Wir sehen uns dann bestimmt noch«, füge ich süßlich hinzu und stolziere aus dem Raum. Etwas befreiter betrete ich die lächerlich große Terrasse. Dort wartet Leo - Gott sei Dank alleine - auf mich. Er reicht mir ein Glas Cola.
»Danke. Die kann ich gerade wirklich gut gebrauchen.«
Schief grinsend neigt er seinen Kopf zur Seite.
»Habe ich mir fast gedacht« Er beugt sich leicht zu mir runter. »Du machst das Ganze hier zwar für Geld, aber ich bin trotzdem kein Arschloch«, fügt er etwas leiser hinzu.
»Das weiß ich doch. Und du weißt, dass ich dich mag, obwohl ich mit dir für Geld ausgehe«, entgegne...
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