- Islamic Banking: Die zinslose Ökonomie
- Inhaltsverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis
- Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
- A. Einleitung
- B. Vorbemerkung
- I. Die Geschichte des Propheten Mohammed
- II. Die religiösen Grundsätze des islamischen Glaubens
- C. Die Rechtsquellen und -grundlagen des Islam
- I. Der Koran
- II. Die Sunna
- III. Der Konsens
- IV. Weitere Rechtsquellen
- D. Regulierung durch die Scharia
- E. Übersicht Islamic Finance
- I. Die geschichtliche Entwicklung von Islamic Banking
- II. Aktuelle Marktsituation
- III. Standardisierung islamkonformer Finanzmärkte
- F. Einführung in Islamic Banking
- I. Definition
- II. Die Grundprinzipien von Islamic Banking
- 1. Der Terminus "Riba"
- 2. Der Terminus "Gharar"
- 3. Der Terminus "Maysir"
- 4. Weitere Kernelemente
- 5. Regulierung durch Scharia-Boards
- G. Instrumente und Mechanismen von Islamic Banking
- I. Fremdkapitalbasierte Basisverträge
- 1. Murabahah
- 2. Tawarruq
- 3. Qard Hassan
- 4. Bay Salam
- 5. Istisna
- 6. Arbun
- II. Eigenkapitalbasierte Basisverträge
- 1. Mudarabah
- 2. Musharakah
- 3. Gegenüberstellung Mudarabah und Musharakah
- III. Weitere Vertragsformen und Dienstleistungen
- 1. Weitere Services
- 2. Ijarah
- IV. Zusammenfassung der Grundvertragstypen
- H. Finanzprodukte und -instrumente von Islamic Banking
- I. Bankkonten
- 1. Girokonto
- 2. Sparkonto
- 3. Investmentkonto
- II. Baufinanzierung
- 1. Immobilienfinanzierung nach Murabahah
- 2. Immobilienfinanzierung nach Diminishing-Musharakah
- 3. Immobilienfinanzierung nach Ijarah
- 4. Zusammenfassung der Modelle zur Immobilienfinanzierung
- III. Wertpapiere
- 1. Sukuk
- 2. Aktien
- 3. Forwardgeschäfte
- 4. Leerverkäufe
- I. Abschließende Würdigung der Finanzinstrumente und -modelle
- J. Kritische Auseinandersetzung des Gefüges der Zinsproblematik
- K. Praxisteil
- L. Potenziale von Islamic Banking
- I. Potenzielle Nachfragesituation der in Deutschland lebenden Muslime
- II. Potenziale aus Sicht deutscher Kreditinstitute
- III. Auswertung der Potenziale von Islamic Banking in Deutschland
- IV. Allgemeiner Ausblick
- M. Abschließende Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile von Islamic Banking
- N. Gesamtfazit
- Glossar
- Literaturverzeichnis
Textprobe:
Kapitel J, Kritische Auseinandersetzung des Gefüges der Zinsproblematik:
Betrachtet man die Struktur von Islamic Banking im Vergleich zum konventionellen Bankwesen wird deutlich, dass eines der wesentlichen Unterscheidungsmerkmale der Umgang mit der Zinsproblematik darstellt. Daher widmet sich dieses Kapitel der kritischen Würdigung der Zinsthematik. Um diesem Verständnis aus heutiger Sicht zu begegnen, ist es zum einen von Bedeutung die Definition von Zinsen zu kennen. Der Terminus Zins stammt vom lateinischen "census" ab, das übersetzt werden kann mit dem Begriff der Vermögenseinschätzung. Definitorisch spricht man beim Zins von einem Entgelt, das für die Bereitstellung eines Kredits vom Schuldner an den Gläubiger gezahlt wird. Seine rechtliche Grundlage findet er in Gesetzestexten oder Verträgen, die ebenfalls die Zinshöhe regulieren. Des Weiteren ist es wichtig den historischen Kontext zu kennen. Denn das Verbot von Zinsen ist keine Erfindung des Islam, vielmehr galt dieses Verbot religionsübergreifend. Im jüdischen Glauben existiert ebenfalls ein strenges Verbot des Zinsnehmens in der Thora, das sich allerdings mit den Jahren mehr und mehr auflöste und schließlich nur noch unter Juden selbst Anwendung findet. Das Zinsnehmen "Nichtgläubiger" wurde gestattet. Selbst im Christentum herrschte bis ins 15. Jahrhundert ein ausdrückliches Zinsverbot, das aus einigen Passagen im Alten Testament hervorgeht, u.a.:
"Wenn du meinem Volke, einem Armen neben dir, Geld leihst, so sollst du ihm gegenüber nicht wie ein Wucherer (Gläubiger) handeln. Ihr dürft ihm keinen Zins auferlegen".
(2. Buch Moses (Exodus) 22,24 - Zins- und Pfandrecht).
Im Zuge zunehmender kapitalistischer Strukturen und der Ausbreitung der Geldwirtschaft wurde das Zinsverbot allmählich aufgehoben und schließlich auf eine gesetzliche Grenze festgesetzt. Die Loslösung von diesen Grundstrukturen brachte zwar Dynamik und Fortschritt in die Finanzwelt und machte es möglich, Finanzgeschäfte, die früher im kleinen Rahmen stattfanden, zu einem enormen Wirtschaftszweig heranwachsen zu lassen. Doch kam mit der Dynamisierung auch die Abkehr von der Realwirtschaft und erste Defizite und Krisen zeichneten sich ab. Der Verlust der Bindung zur Realökonomie sorgte dafür, dass virtuelles Kapital zum Perpetuum mobile der Geldmehrung wurde und diese Diskrepanz immer mehr Kritik auf sich zog, die bis heute anhält. Die Abschaffung des Zinsverbots stellt dabei eine der Hauptursachen dar, die zur Verselbständigung der Finanzmärkte führte, die mit einer immer währenden Entziehung von Werten aus der Realwirtschaft einhergeht. Dabei ist zunächst festzustellen, was unter dem Begriff Realwirtschaft zu verstehen ist. Betrachtet man die Wirtschaft im Gesamten, ist die Realwirtschaft aus volkswirtschaftlicher Sichtweise ein Teilbereich davon, der eine produzierende Position einnimmt, d.h. Güter erzeugt und vertreibt sowie durch Dienstleistungen einen volkswirtschaftlichen Nutzen schafft. Im Gegensatz dazu ist die Geld- bzw. Finanzwirtschaft als Bindeglied zur Realwirtschaft zu sehen, indem es mit der Bereitstellung von Kapital dient und aus den Transaktionen von Vermögenswerten Gewinne erzielt. Die Wechselwirkung und der Zusammenhang beider Wirtschaftsbereiche werden deutlich und dementsprechend stellt sich die Frage, wie die Geldwirtschaft vor dem Hintergrund der Abschaffung des Zinsverbots ihre Bindung zur Realökonomie verlieren konnte. Gründe für diese These lassen sich anschaulich an den Aussagen des griechischen Philosophen Aristoteles erläutern, der bereits weit vor der Zeit Christi die Form des Geldverleihs gegen Zinsen für widernatürlich hielt und dementsprechend in seinem Werk "Politik" festhielt:
"Daher wird mit allergrößter Berechtigung eine dritte Form der Erwerbstätigkeit, der Geldverleih gegen Zinsen gehasst; denn dabei stammt der Gewinn aus dem Münzgeld selber, nicht aus der Verwendung, für die es geschaffen wurde. (.) Zins ist Geld gezeugt von Geld. Daher ist auch diese Art von Erwerb am meisten wider die Natur".
(Politik, 1258b, 1 - 7).
Anhand dieser Darlegung lassen sich die wesentlichen Merkmale des Geldgeschäfts gegen Zinsen klar erkennen. Zum einen besteht eine Leistung, der kein Sachwert zugrunde liegt, sondern nur eine immaterielle Geldschöpfung. Dementsprechend entstehen keine Gewinne aus einem Tauschgeschäft, sondern vielmehr aus dem Geldgeschäft selbst. Denn während der Tauschhandel Geld in die Ökonomie fließen lässt, entzieht die Geldwirtschaft dieses und nutzt es zur Geldmehrung. Im Umkehrschluss gehen keine realen Werte in die Wirtschaft ein und eine Entfaltung ökonomischen Wachstums bleibt aus. Der einzige Zuwachs ist der Zinsgewinn selbst, dem allerdings kein physischer Wert gegenübersteht. Die Erzeugung von Zinsen durch Geld hat dementsprechend zur Folge, dass Zinsen zu einer Kapitalmehrung führen ohne materielle Gegenleistung. In diesem Zusammenhang wird auch der Ausdruck "wider der Natur" deutlich, der eine Art des Handels beschreibt, der gegen die reale Wirtschaft betrieben wird. Grundsätzlich sollte mit Geld kein Geld verdient werden, d.h. es ist nicht Aufgabe des Zinses Kapitalgewinne zu generieren und noch mehr Kapital zu erzeugen. Allerdings zeigte sich, dass man mit der Maschinerie von Zinsen bzw. einer selbst arbeitenden Gewinnanlage gut Geld verdienen kann, was eine Entkoppelung von realwirtschaftlichen Strukturen zur Folge hatte. Setzt man diese Auffassung in Kontext heutiger Sichtweise, werden zahlreiche Defizite des modernen Zinssystems deutlich. Beispiele hierfür sind u.a. das exponentielle Anwachsen der Staatsverschuldung durch die sich anhäufende Zinslast sowie das Weiterreichen von Zinsen, das zu einer pauschalen Verteuerung führt. Ein weiterer Negativpunkt ist das zunehmende Auseinanderklaffen der Gesellschaftsschichten durch ansteigende Kreditzinsen sowie die Erschwernis, die Kreditschuld zu bedienen. Wirtschaftswissenschaftler wie u.a. Helmut Creutz gehen aus diesen Gründen davon aus, dass dieses Zinssystem irgendwann in sich kollabieren wird, wenn das Wirtschaftswachstum die zunehmende Zinslast nicht mehr ausgleichen kann. Folge ist ein ständiger Wachstumszwang, der enormen Einfluss auf die Wirtschaft nimmt und auf Dauer Finanzkrisen hervorruft. Dennoch stellen Zinsen ein wichtiges Steuerungsinstrument dar, das ökonomischen Zwecken dient. Dabei sind Zinsen vor allem ein Hilfsmittel der Politik, über die die Exekutive Einfluss auf das Konsum- und Investitionsverhalten über eine gesteuerte Zinspolitik ausübt, wie bspw. durch Maßnahmen im Rahmen einer Niedrigzinspolitik, die die Konsum- und Investitionstätigkeit fördern. Im Gegensatz dazu dienen hohe Zinsen als Grundlage und Anreiz das Sparverhalten gezielt zu steuern. Beide Steuerungsmaßnahmen gewährleisten, dass Kapital in den Geldkreislauf eingeht und damit dem Kapitalmarkt zur Verfügung steht. Des Weiteren stellen Zinsen einen wichtigen Gewinnposten für Banken dar, indem sie im Rahmen ihrer Tätigkeit als Kreditinstitut durch die Abwicklung des Zahlungsverkehrs (Girogeschäft) und das Angebot von Finanzierungsmöglichkeiten (Kredit- und Investmentgeschäft) Zinsen erheben. Betrachtet man im Gegensatz dazu Islamic Banking, als alternatives Bankwesen ganz ohne Zinsen, stellt sich die Frage, wie islamische Banken ihr Geld verdienen bzw. für ihre Dienstleistungen entlohnt werden. Das Verbot des Geldzinses, als elementares Kernstück von Islamic Banking, steht im Mittelpunkt bei der Geschäftsausrichtung islamkonformer Banken und besitzt oberste Priorität. Dennoch haben auch islamische Finanzinstitute den Anreiz Gewinne zu generieren. Dementsprechend wurden für die Umgehung des Zinsverbots vielfältige Praktiken entwickelt, die ein Geschäft trotzdem ermöglichen. Das Prinzip, dass der Gewähr von Krediten ohne Zins zugrunde liegt, besteht darin, dass die Bank einen Warenbestand bei einem Verkäufer erwirbt und diesen mit einem höheren Preis an den Käufer verkauft, der seine Kaufpreisraten in Ratenzahlung tilgt. Damit wird die Vergabe eines Kredits umgangen. Am Beispiel der Vertragstypus des Murabahah soll dies veranschaulicht werden (s. Kap. G, Punkt I, 1). Im Rahmen eines Murabahah-Vertrages erwirbt die Bank für den Kunden einen vereinbarten Gegenstand, der anschließend an den Kunden weiterveräußert wird. Der Kunde entrichtet dabei neben dem Einkaufspreis zusätzlich einen vorher vereinbarten Aufschlag an die Bank. Die so entstandene Gelddifferenz zwischen dem eigentlichen Kauf und dem Weiterverkauf an den Kunden stellt den Gewinn der Bank dar. Fraglich ist, inwiefern die dadurch entstehende Gelddifferenz zwischen Kauf- und Verkaufsbetrag zu bewerten ist. Denn die Bank generiert durch den Verkauf einen Gewinn, der nach westlichem Verständnis mit einem verzinsten Kredit verglichen werden kann. Denn anstelle der Gewähr eines Kredits, die Zinszahlungen nach sich ziehen würde, generiert die islamische Bank ihren Gewinn durch einen Aufpreis im Zuge des Weiterverkaufs. Auch bei den übrigen Vertragskonstruktionen kommt es zu einer Form der Zinszahlung im Rahmen von Gewinnbeteiligungen, Verrechnung von Gebühren, Aufschlägen oder anderen Entgelten. Es entsteht der Eindruck, dass im Rahmen islamischer Bankgeschäfte versucht wird, aus einem herkömmlichen Darlehen, bei dem Zinsen anfallen würden, ein Handelsgeschäft zu begründen mit entsprechenden Handelsgewinnen. Kritiker sehen diese Art von Gewinnen ebenfalls als Zins an, der lediglich anders bezeichnet wird. Dem Kern der Transaktion liegt nach wie vor ein Zinsgeschäft zugrunde. Bei den übrigen Vertragskonstruktionen zeigt sich ein ähnliches Bild.