Schweitzer Fachinformationen
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Ihr beim Erzählen zuzuhören, macht großen Spaß. Susi Hartmaier ist lustig, selbstironisch, sie hat einen guten Blick für Details, für Menschen, für das Leben. Tanz, Musik, Theater sind Sprachen, mit denen sie sich gut ausdrücken kann, sagt die 35-Jährige. Und Backen.
All diese Sprachen hat sie ordentlich gelernt: Nach ihrem Realschulabschluss machte Susi eine hauswirtschaftliche Ausbildung in Kombination mit ihrem Abitur, später eine einjährige Schauspielausbildung in München, danach ein Studium der Kultur- und Medienpädagogik. Nach ihrem Abschluss arbeitete sie in Berlin bei der blu:boks, einem Kultur-Sozialprojekt in Berlin-Lichtenberg.
Wenn es Susi als Kind nicht so gut ging, so erzählt es ihre Mutter heute, hat sie die Tochter schon früh in die Küche gestellt und sie einen Teig kneten lassen - danach war immer alles wieder gut. Und so waren Susis Freunde und Familie nicht überrascht, als sie sich tatsächlich mit einem Café selbstständig machte, mitten in Berlin, mit Apfelkuchen und Frühstück bis 18 Uhr. Ein Traum, der dann mit einem großen Knall platzte, aber davon wird Susi selbst erzählen.
Ich sitze mit Christian, meinem Mitbewohner, in unserer WG-Küche. Wir sind beide gerade auf Jobsuche und überlegen, was wir machen könnten. Für Christian ist klar, dass er sich gerne in der Gastronomie selbstständig machen würde. Ich traue mich das nicht. Von der betriebswirtschaftlichen Seite her fühle ich mich nicht kompetent genug. Wir sitzen am Tisch und gucken uns an. Christian hat eine kaufmännische Ausbildung, ich eine hauswirtschaftliche. Wir denken: Wieso schmeißen wir diese Kompetenzen nicht zusammen? Christian ist außerdem ein sehr guter Koch, wir haben schon zusammen auf Freizeiten gekocht und jedes Jahr gibt es ein großes Weihnachtsessen in unserer WG für alle Freunde. Wir sind also kulinarisch auf der gleichen Wellenlänge. Jeder, dem wir es erzählen, ist gleich begeistert: Wenn nicht ihr, wer dann? Und tatsächlich: Es ist etwas, das ich schon immer machen wollte. Einen eigenen Raum haben, den ich gestalten kann. Leuten außerhalb ihres Zuhauses einen Ort bieten, wo sie sich wohlfühlen, wo sie gut essen und trinken können. Eine gute Arbeitgeberin sein. Das Kochen und Backen ausleben in einem professionellen Rahmen.
Wir nehmen uns fast ein halbes Jahr Zeit, um einen Businessplan zu schreiben, über eine Finanzierung nachzudenken, alles mit dem Jobcenter abzuklären. Wir sind in vielen Cafés unterwegs, um uns von anderen kreativen und klugen Gastronomen inspirieren zu lassen. Wir entwickeln ein eigenes Profil. In Berlin-Friedrichshain gibt es viel fancy Zeug, aber ich habe mich die ganzen Jahre, in denen ich dort schon wohne, nach einem Stück Apfelkuchen mit Streuseln gesehnt und nach Stühlen, auf denen man gut sitzen kann, und einem Ort mit guter Atmosphäre. Wir wollen deshalb ehrliche Küche, Rezepte von meiner Oma, Hausmannskost. Regional und saisonal ist uns wichtig. Und eine offene Küche mit großem Tisch möchten wir haben, wo wir Kochkurse organisieren und die wir für private Feiern vermieten können. Mit unserem Konzept gehen wir zur Bank, fragen Familie und Freunde, ob sie uns finanziell unterstützen, weil wir beide nicht viel Eigenkapital haben. Der Businessplan macht Spaß, weil wir etwas gestalten können. Einfach auf einem Blatt Papier, wir haben noch keine Räume, kein Logo. Es ist wie eine Spielwiese. Ein schöner Prozess, bei dem viel Kreativität freigesetzt wird.
Der spannende Part beginnt damit, eine geeignete Immobilie zu finden. Das ist richtig schwierig, weil die Mieten so teuer sind. Wir wollen außerdem in unserem Kiez bleiben, weil wir den am besten kennen. Wir finden ewig nichts, das groß genug, aber bezahlbar ist und eine gute Lage hat.
Und dann klappt es doch: am Boxhagener Platz, dem zentralen Marktplatz im Friedrichshain, wo die ganzen coolen Läden und Cafés und der Wochenmarkt sind. Der Laden, eine ehemalige Kneipe, ist furchtbar. Es riecht nach Pipi, Kaka, Rauch. Ich denke, ich halte es hier keine fünf Minuten aus. Ich will nichts anfassen, es ist so eklig. Aber Christian kann erkennen, was daraus werden könnte. Er malt mir den Grundriss auf. Zur Straße geht ein riesiges Schaufenster, und Christian sieht schon, wie die Leute da drin mit ihrem Kuchenteller und ihrem Kaffee sitzen wie in einem Wohnzimmer, mit schönen Lampen im Fenster und Sofas und Sesseln. Die Miete liegt bei 3800 Euro kalt. Wir haben durchgerechnet, was wir einnehmen müssen, und wir wissen, dass es erst mal eine knappe Kiste wird, weil es ungefähr drei Jahre dauert, bis ein Café läuft. Wir wissen aber auch, dass wir kaum gute Alternativen haben. Wir schlafen ein paar Nächte schlecht und denken: »Wir sind heiß, wir haben das Konzept in der Schublade, wir machen das.«
Wir fahren zur Hausverwaltung, Christian hat vorher schon Kommentare über den Vermieter und die Hausverwaltung im Internet gelesen, aber so recht können wir das alles nicht glauben - leider, im Nachhinein. Wir hätten einfach gleich umdrehen sollen. Wir gehen trotzdem hin und unterschreiben.
Wir renovieren. Viele Leute kommen und helfen uns. Unsere Freunde schrubben stundenlang Fliesen im Klo oder beizen Türrahmen ab, die sicher fünfzig Jahre lang einfach immer überstrichen wurden. Es gibt noch keine Küche, wir bauen eine rein, mein Vater fliest den Tresen mit spanischen Fliesen. Es ist Wahnsinn, wie viel Unterstützung wir erfahren, weil alle Leute so Bock haben auf dieses Café und darauf, Teil davon zu sein, diesen Raum zu verwandeln.
Ich mache meine ersten Erfahrungen als Geschäftsfrau und Chefin. Die Handwerker und Lieferanten wollen immer meinen Mann sprechen. Am Anfang mache ich mir noch die Mühe, zu sagen, dass Christian nicht mein Mann ist, noch nicht mal mein Partner, sondern mein Geschäftspartner. Ich betone, dass ich die Chefin bin, dass sie mit mir sprechen können.
Einer fragt: »Ja, haben Sie denn keinen Mann?« Irgendwann lasse ich die Leute in dem Glauben, dass Christian mein Mann ist, weil ich keine Kapazitäten habe, jedes Mal aufzuklären. Aber es ist ein bescheuertes Gefühl, nicht ernst genommen zu werden. Es gibt auch Situationen, wo ich Christian hole, weil ich keine Ahnung von Elektroanschlüssen habe. Er übrigens auch nicht! Aber die Handwerker fühlen sich wohler, das mit ihm zu besprechen. Ich merke: Das könnte spannend werden. Als Frau und Chefin. Vor allem, weil es auch noch einen Mann gibt. Wäre ich alleine, würde ich mich anders durchsetzen, glaube ich. Dann würde ich einfach sagen: »Ich bin die Chefin, schießen Sie los.« Man merkt, wie Leute es gewöhnt sind, von Männern etwas gesagt zu bekommen. Es ist eine Erfahrung, die ich überhaupt nicht erwartet habe.
Wir kommen aus einer Zeit der Arbeitslosigkeit und plötzlich stehen wir in diesem Ding, gefühlt 24/7. Wir besorgen innerhalb von drei Monaten die gesamte Einrichtung und treffen am Tag unzählige Entscheidungen. Es ist cool, und es funktioniert. Ich bin so beflügelt! Ich bekomme Arbeitslosengeld. Und plötzlich gehe ich mit Summen um, die ich noch nie vorher in den Händen hatte. Die Verantwortung, die ich habe, mit diesem Geld gewissenhaft umzugehen, aber auch in dieser kurzen Zeit etwas Schönes auf die Beine zu stellen - das ist Wahnsinn.
Der Tag vor der Eröffnung des »Café Düsselmaier«. Wir hängen mit Freunden Lampen auf bis in die Nacht, meine Eltern machen die ersten Spülgänge mit der Maschine. Es ist zeitlich super eng. Der Vertreter sagte, das Geschirr komme auf jeden Fall noch im Dezember, aber es kam nicht. Zum Glück können wir welches aus einer Gemeinde ausleihen. Wir haben uns schon während der Renovierung davon verabschiedet, dass es so läuft wie geplant, aber das hier war natürlich überhaupt nicht vorgesehen. Das Ersatzgeschirr ist auch nicht so, wie wir es wollen, es gibt nicht mal Espressotassen. Das Holzregal fehlt. Die Miet-Küche ist auch noch nicht eingebaut. Aber eine Freundin klebt die Silhouette der künftigen Küche mit Gaffer-Tape an die Wand, es sieht aus wie ein Kunstwerk.
Es geht also los. Aber es ist Januar, und Januar ist der schlechteste Monat in der Gastronomie. Es ist merkwürdig, weil wir aus einer so geschäftigen Zeit kommen. Unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind ganz motiviert, und dann nehmen wir am ersten Tag vielleicht 100 Euro ein. In der ganzen ersten Woche geht gar nichts, in der zweiten Woche ist es ein bisschen besser. Wir wussten schon, dass die Leute im Januar eher denken: »Wir machen jetzt Sport, wir gehen nicht ins Café, wir müssen unser Geld zusammenhalten, weil wir an Weihnachten so viel ausgegeben haben, wir hatten außerdem gerade erst frei.« Das ist ganz normal: Es gibt Phasen im Jahr, wo viel los ist, und Phasen, wo wenig los ist. Aber wir stehen ganz am Anfang. Die Kuchentheke ist voll, wir sind voll motiviert, und dann kommt niemand.
Ich sehe die Leute in dem relativ leeren Raum sitzen. Und merke, dass das schon ein Café ist, auch wenn noch nicht alles fertig ist. Aber die Atmosphäre ist da: Geschäftigkeit, die Kaffeemühle mahlt, Kaffee läuft durch, die Kuchenvitrinentür klappt auf und zu, jemand macht was mit Kleingeld. Es geht nicht um Perfektion, es geht um die Leute hier im Moment, die Kaffee und Kuchen bekommen und sich mit ihren Freunden treffen und sich in einer Atmosphäre unterhalten, die wir gerade gestalten.
Die Sache nimmt ganz schön Fahrt auf. Am Wochenende ist superviel los. Die...
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