Schweitzer Fachinformationen
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Margareta lag auf ihrer alten Rollliege und blickte in den Himmel. Um sie herum jede Menge Sommer. Sie verbrachte ihren Urlaub zu Hause auf der tristen Wiese vor dem Haus, in dem sie wohnte, im Schatten des Wohnturms mit Blick auf drei Stalltüren. Neben sich ein Tischchen, auf dem sich ein Buch und ein selbst gemachter Eistee befanden. Richtig schön angerichtet, mit Strohhalm, Pfirsichhälften und klimpernden Eiswürfeln. Nein, nicht sie hatte dieses tolle Getränk zubereitet. Sebastian, ihr Nachbar und bester Freund, war es gewesen. Einmal einen Wunsch geäußert, versuchte der junge Mann, ihr diesen zu erfüllen, besorgte mitten in der Nacht von der Tankstelle saure Gurken, wenn Madame Sommerfeld danach war, oder am späten Abend eine Zeitschrift vom Kiosk, zu dem er einen Schlüssel besaß. Seine Mutter war stolze Inhaberin dieser Ruhrpottbude. Gerade hatte sie Mittagspause und saß mit ihrem Sohn auf der Bank vor dem Haus, um zu kniffeln. Margareta schüttelte den Kopf. Wer kniffelte heute noch? Als Kind hatte sie dieses Spiel mit ihrem Vater gespielt, bis sie vom Würfeln rote Ohren bekam.
Sebastian war ein Schatz, stellte Margareta einmal mehr fest. Seit einem guten halben Jahr bewohnte er die Dachwohnung direkt über ihrem Zuhause und war ihr mit seiner freundlichen zuvorkommenden Art zum Freund geworden. Vor einem Jahr hatte seine Frau Martina, mit der er bis dahin eine glücklich geglaubte Ehe führte, ihn verlassen. Sie war nach ihrer Reha, die sie in Bad Sassendorf durchführte, gar nicht erst nach Hause gekommen, sondern ging mit Rolf, den sie dort kennenlernte, direkt nach Kassel. Ja Rolf, der würde sie verstehen, hätte stets ein offenes Ohr für ihre Sorgen und Nöte, meinte sie. Nicht so wie Sebastian, dem angeblich nur sein Beruf als diplomierter Betriebswirt in einem Stromkonzern im Kopf saß. Die Beziehung zwischen Martina und Rolf überdauerte jedenfalls die Wolke 7 Phase der Kur, in der die Hormone nicht selten verrückt spielten, und sich, egal ob Weiblein oder Männlein, oft schon in der ersten Nacht aufeinander gestürzt wurde, als hätten sie noch nie Sex gehabt. Wie Knastbrüder, die Jahrzehnte lang eingesperrt waren und sich, nachdem die Tore sich öffneten, auf alles stürzten, was nicht bei drei auf dem Baum war. Martina wohnte nun in einem kleinen Dorf bei Kassel, hatte ihren Beruf an den Nagel gehängt und lebte als Hausfrau. Eine Männer versorgende, Marmelade kochende, Socken stopfende, kleine kuschende Hausfrau. Als sie noch bei Sebastian wohnte, machte sie in der Küche keinen Finger krumm, ließ sich von ihrem Ehemann verwöhnen, wo es nur ging. Und dann kam Rolf, ein Seelenverwandter, der sie angeblich viel besser verstand. Wochen nach der Kur, kamen die beiden mit einem 7,5 Tonner und holten einen Teil der Möbel. Der kleinhirnige, jedoch körperlich riesige Rolf übergab Sebastian eine Liste mit den finanziellen Ansprüchen, die Martina an ihn stellte. Die schöne Eigentumswohnung, nah am Berger See gelegen, kam unter den Hammer. Sebastian blieben nur die Schulden. Er verlor die Lust, zu arbeiten und überhaupt morgens aufzustehen. Als seine Abteilung geschlossen wurde und man den Mitarbeitern hohe Entschädigungen anbot, wenn sie freiwillig das Feld räumten, sagte er sofort ja, nahm die Abfindung und suchte sich eine günstige Wohnung. Seine Mutter, die unweit der alten Zechensiedlung im Schievenfeld einen Kiosk betrieb und auch gleich gegenüber wohnte, freute sich, ihren kleinen Liebling nun in der Nähe zu haben.
Soeben strich er sich eine Haarsträhne aus seinem verschwitzten schmalen Gesicht und stützte sich mit den Ellbogen auf dem wackeligen Tisch auf. Wie ein kleiner Junge hockte er da und schrieb akribisch genau Zahlen in den Kniffel-Block.
»Ich kriech doppelte Punktzahl. Dat war Pasch!«, schrie seine Mutter und schubste den schmalen Mann fast von der Bank.
»Ach komm, hören wir auf, bei der Hitze macht das doch keinen Spaß.« Sebastians blonde Haare standen ihm zu Berge. Seine grünen Augen schauten müde in Margaretas Richtung.
Hannelore kannte jedoch kein Erbarmen und schüttelte wild ihren blonden Lockenkopf. »Nix da, der Arzt hat gesacht, ich soll wat für meine geistige Fitness tun. Wat sachst du dazu, Gretchen?«
»Ach Hannelore, da halt ich mich raus. Bei der Hitze kniffeln ist auch nicht das Wahre. Da kann ich Sebastian verstehen«, rief sie der korpulenten Frau zu.
»Jaja, du hälts wieda mit mein Sohn.« Lauthals lachte sie los, dass ihr großer Busen in dem roten Pulli nur so wippte. Sie hoffte noch immer, dass aus ihrem Basti und Margareta ein Paar werden würde. Nichts wünschte sie sich sehnlicher. Dass Margareta in einer festen Beziehung lebte, ignorierte sie eisern.
»Du bist doch wohl geistig fit genug«, meinte Sebastian. »Schließlich arbeitest du noch Vollzeit in deinem Kiosk. Außerdem bist du erst 60 und keine 80.«
»Ach hau doch ab, die alten Holzköppe, die an meine Bude kommen halten mich doch nich geistig fit.«
Margareta schmunzelte. Sie mochte Hannelore, dieses Gelsenkirchener Urgestein. Ihre Aussprache war tiefstes Ruhrpott-Deutsch. Sie lauschte der Auseinandersetzung der beiden und wünschte sich, sie mögen endlich die Klappe halten, damit sie weiter träumend in den Himmel schauen konnte. Die Wolken legten an Geschwindigkeit zu und zogen, als hätten sie es eilig, gen Norden.
Sie fragte sich, was wohl Stefan gerade machte? Erst gestern hatte er sich darüber beschwert, dass schon lange kein interessanter Fall mehr reingekommen wäre. Er sehnte sich nach einem richtig spektakulären Mord. Margareta dagegen hatte die Nase voll, sich in irgendwelche Mordermittlungen zu stürzen. Seit sie mit Stefan liiert war, lebte sie richtig solide. Ja, man könnte fast sagen, langweilig. Vor einem guten halben Jahr waren die beiden sich näher gekommen. Silvesterparty in der Buerschen Markthalle. Margareta hatte gerade den Mord an Harald Kleinschnittger, dem Heiratsschwindler, verdaut, der letztendlich mit ihrer Hilfe gelöst werden konnte. Da stieß sie doch tatsächlich auf den Hilfssheriff Stefan Kornblum, Kommissar Blauländers rechte Hand. Total abgefüllt redeten sie sich ihre Sorgen von den Seelen. Margareta stöhnte über ihr langweiliges Dasein als Damenoberbekleidungsverkäuferin, wogegen Stefan sich über seinen unmöglichen Chef beklagte und sich in seinem Suff überlegte, wie er ihn beseitigen könnte. Sie betranken sich bis in die frühen Morgenstunden und erwachten völlig perplex am Nachmittag in Margaretas Bett, drei Kilometer von der Markthalle entfernt.
Acht Wochen später zog Stefan mit zwei Koffern bei ihr ein. Dass sie auch zu ihm in die tolle Wohnung nach Polsum ziehen könnte, verdrängte er. Er wollte sich die Rückzugsmöglichkeit freihalten, schließlich konnte er Margareta noch immer nicht richtig einschätzen. Nachdem sie sich in den letzten Jahren in drei Mordermittlungen eingemischt hatte und oft mehr als lästig wurde, war er vorsichtig geworden. Obwohl er mehr für sie empfand, als ihm lieb war.
Gerade zog eine Wolke in einer besonders bizarren Form vorbei. Margareta erkannte in ihr eindeutig das Profil eines Mannes. Hohe Stirn, schmale Nase, vorstehendes Kinn, glatte zurückgekämmte Haare. Die Wolke sah original aus wie ihr Onkel Gernot. Sie schreckte auf ihrer Liege hoch. Das durfte doch nicht wahr sein. Was wollte diese vorbei eilende Wolke ihr sagen? Ein böses Zeichen? Fast im gleichen Moment vibrierte ihr Handy.
Sie kramte danach und nach einem kurzen Blick auf das Display stöhnte sie auf. Ihre Mutter Waltraud, die nur ein paar Häuser weiter wohnte.
»Was ist passiert?«, fragte Margareta genervt, nachdem sie das Gespräch angenommen hatte. Erst gestern hatte sie Waltraud klar zu machen versucht, dass sie Urlaub hatte und nicht gewillt war, rund um die Uhr Mutter-Bereitschaftsdienst zu schieben. Noch immer blickte sie der Onkel-Gernot-Wolke nach, die sich langsam auflöste und in eine lange Wurst verwandelte.
»Gretchen, rate mal, wer hier ist?«, kam es aufgeregt von Waltraud.
»Onkel Gernot .«, kam es aus Margaretas Mund. Sie wollte ihrer Mutter erzählen, dass sie eine Onkel-Gernot-Wolkenerscheinung hatte.
»Ja, woher weißt du das?«, fragte Waltraud ihre Tochter überrascht.
»Er ist tatsächlich da?«, schrie Margareta über den Hof. Sebastian und seine Mutter horchten auf.
»Ja, stell dir vor. Er ist total am Ende. Hat Depressionen. Wird mit dem Tod von Christa überhaupt nicht fertig und bleibt nun erst mal hier.«
Margareta war von der Liege aufgestanden und lief im Stechschritt auf der Wiese auf und ab. »Sag mal, bist du bescheuert? Du kannst doch diesem Sittenstrolch keinen Unterschlupf gewähren. Wer weiß, was der im Schilde führt, der perverse Kerl.«
»Margareta, wie redest du von deinem Onkel! Immerhin war er der Mann meiner Schwester gewesen, und er ist in Not.«
»In Not? Dann soll er sich einer Gruppe anschließen oder ins Krankenhaus gehen. Christa ist seit einem halben Jahr tot. Außerdem hattet ihr vor Christas Tod seit gut zehn Jahren überhaupt keinen Kontakt mehr. Und bei der Beerdigung machte er nicht gerade einen verzweifelten Eindruck. Waltraud, wach auf! Weißt du nicht mehr, wie der uns jahrelang rasend gemacht hat?«
»Man kann doch einem Menschen in Not nicht die Tür weisen. Außerdem kommen die Depressionen erst später, Gretchen, dieser totale Zusammenbruch, wenn der Partner stirbt. Ich muss mich jetzt um Gernot kümmern. Er hat Hunger.«
»Schleppst du ihn hier an, passiert was!«, rief Margareta noch ins Handy, bevor sie sich völlig geschockt auf die Liege setzte.
Hatte ihre Mutter den Verstand verloren? Wie konnte sie dieses...
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