Schweitzer Fachinformationen
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Eine charakterliche Mangelerscheinung ist in der internationalen Politikergilde besonders ausgeprägt: Die meisten haben keinen Stolz. Daher spüren sie nicht, wann sie abgehalftert sind. Als Helmut Kohl am 24.11.1999 im Bundestag aufsprang und mit dem herrischen Ausruf »Das kann in der Art und Weise, wie hier verleumdet wird, nicht stattfinden!« und mit dem nachgeschobenen Befehl »Jetzt hören Sie bitte zu!« nur noch einen höhnischen Lacher erntete, da kuckte er genauso blöde und weidwund und mit demselben ungläubigen Ausdruck, wie damals Ceau?escu unter seiner Pelzmütze hervorgelugt hat, auf jenem letzten Balkon in Bukarest.
Vom Gemüt sind alle Politiker geborene Diktatoren. Wenn sie abgewählt werden, vergessen sie deshalb nie den Hinweis »Das ist nun mal so in der Demokratie.« Sie tun so, als wäre dies ihre Einsicht. Dabei ist es reine Wehmut.
Um 16.00 Uhr werde ich von dem Manager Hans Jochen Hübenthal in seinem Mercedes abgeholt und auf einigermaßen verstopfter Autobahn nach Leipzig gefahren. Dort ist in einem riesigen Einkaufscenter ein Podest aufgebaut. Die Musiker Henning Protzmann, Wolfgang »Zicke« Schneider und Uli Gumpert haben sich zu einem Trio zusammengefunden. Uschi Brüning singt dazu. Sie hat darauf bestanden, daß ihr Mann Ernst-Ludwig Petrowsky auf dem Saxofon ein bißchen dazu herumblasen darf. Was er aber nach langen Jahren der Free-Jazz-Betätigung nicht mehr so richtig kann.
Sie spielen zuerst 4 Stücke, dann eine halbe Stunde Lesung, dann wieder 4 Musikstücke, wieder eine halbe Stunde Lesung und ein letzter Block Musik. Ende.
Das Wiedersehen nach einem Vierteljahrhundert war nett, aber nicht besonders kurzweilig.
1.200 Karten waren verkauft, der Laden knallvoll. Ohne große Werbung.
Die Leute wollten, daß ich singe. Die Presse hatte Schlagzeilen geliefert à la »Wird Krug singen?«. Ich sang am Ende völlig ungeprobt »All of Me«. Es ging einigermaßen.
Von Leipzig nach Glauchau gefahren. Im dortigen Theater hatte ich mit Fischer am 14. Januar 1977 eines der letzten Konzerte gegeben. Der Chef, Herr Krüger, war noch immer derselbe. Er gab zu, daß er damals die Anordnung der Partei zu befolgen hatte, daß mindestens 50 % der Zuhörer im Saal aus feindseligen, desinteressierten fdj-lern und Kampfgruppenleuten rekrutiert werden mußten, die ihre Eintrittskarten von der Partei geschenkt bekamen.
Er übergab mir ein Buch, in dem die Geschichte des Glauchauer Theaters beschrieben wird, »Geschichte und Geschichten hinterm roten Vorhang«. Auf zwei Seiten auch jenes traurige Kapitel mit mir, in dem unbefangen die Namen der damals beteiligten Genossen genannt werden.
Der Saal faßt 760 Personen. Er war ausverkauft.
Auch hier wollten die Leute, daß ich singe. Dennoch haben sie meine Lesung freundlich aufgenommen.
In der Zwischenzeit hatten die Musiker so viel Bier intus, daß alles sehr schlecht lief: Uschi Brüning hatte, ohne daß ich es wußte, das Mikrofon ausgeschaltet. Uli Gumpert spielte statt der acht verabredeten Takte im Beat ein beschissenes »konzertantes« Vorspiel. Ich mußte abbrechen und von vorn beginnen.9
Während der Lesung hatten die drei Lackel von der Technik die ganze Zeit die Monitor-Boxen aufgedreht, obwohl ich darum gebeten hatte, genau das nicht zu tun. Dadurch war mein Mikro die ganze Zeit nahe an der Rückkopplung, und ich mußte höllisch aufpassen. Dafür hatten sie aber, als ich sang, die Monitore abgestellt, so daß ich nichts von mir hörte.
Es gab wirklich nichts, was normal funktionierte. Ein Elend.
Ich will morgen dem Henning Protzmann faxen, daß so was nicht mehr vorkommen darf, weil ich mich dann nämlich aus der Veranstaltung zurückziehen werde.
Etliche Interview-Anfragen zum 10. Jahrestag der Deutschen Einheit usw. per Patentbrief abgesagt.
Uschi Brüning hat mir, wenn ich das richtig interpretiere, einen Trauerbrief gefaxt: einfach eine ganze Seite, bestehend aus nichts als der Farbe Schwarz. Das hat viel Tinte gekostet, Tinte in meinem Faxgerät, aber es zeigt immerhin, daß sie etwas verstanden hat.
Ich wollte an Henning Protzmann einen Brief schreiben, aber ich lasse es. Stattdessen habe ich an Hübenthal gefaxt, daß ich für die Zukunft davon abraten würde, daß vor dem Konzert Freibier ausgeschenkt wird.
Abends um 22.45 Uhr lief als erster Beitrag der vom ndr produzierten Sendung »Kulturreport« im Ersten ein 10-minütiges Stück über meine beiden Schlager-cds. Ein heiterer Zusammenschnitt: Ich in der ddr als Sänger und jetzt nach 20 Jahren wieder; Teile der Plattenvorstellung im »Diener« und anderes. Da kann ich mich nicht beklagen.
Ich habe mein Lebtag Schlipse nur in Rollen getragen. Nun findet man in allen möglichen Zeitungen Berichte darüber, daß Schlipse out seien, nur gescheiterte Manager liefen noch mit Schlipsen herum. Es wird also Zeit, daß ich ein paar Schlipse bereithänge. Ich muß mich gegen den Trend stellen und so über ihn hinwegkommen.
14.00 Uhr ist Stempel hier und bringt den Karton mit 100 Belegexemplaren von »Schlafstörung«. Ich bedanke mich. Er sagt, wenn ich noch welche brauche, soll ich Bescheid sagen. Das klingt aus dem Munde eines Berufsgeizhalses so, als seien die Orderzahlen des Handels hoffnungsvoll. Sagen wird er mir darüber nichts. Und ich werde mir die Zunge abbeißen, ehe ich ihn frage.
Ich hätte mir die Sache noch mal überlegt, sage ich, die 19 Pfennige zusätzlich pro Platte für die schönen Texte, die ich gemacht habe, seien unverzichtbar. Er soll das jetzt in Ordnung bringen. Will er machen.
Die Olympiade läuft, ich kucke ein bißchen. Jurek hätte alles gesehen, jede Sekunde, Tag und Nacht. Heute war es schön zu sehen, wie die Aborigines-Frau Cathy Freeman die 400 Meter lief und gewann. Sie durfte dann neben der australischen auch die schwarz-rot-gelbe Fahne ihres Volkes durch das Stadion tragen. Sie war sehr bewegt und in der Selbstrührung auch schön. Unglaubliche Beine.
Und dann Michael Johnson. Er hat sie alle abgehängt auf den 400 Metern. Wie bloß? Er hat einen langen Oberkörper, kurze Beine, fast dünne Waden und ein kleines Doppelkinn. Für einen Athleten ein eigenwilliger Typ.
Die Kinder kommen zu Besuch. Genau in dem Moment wird mir endlich der Text durchgefaxt. Es ist ein sogenanntes Portrait, das heißt, ich muß mir gefallen lassen, was dem jeweiligen Journalisten zu mir so einfällt. Das Schlimmste, was es gibt. Seit 16 Jahren habe ich mich geweigert, so was zu machen. Ich war sicher, daß es sich um ein Interview mit anschließender Korrektur handelt, denn Frau Küster hat mir zugesichert, daß ich und niemand sonst es absegnet. Ich fühle mich überrumpelt, denn ich bin sicher, daß das Wort »Portrait« nicht gefallen ist. Nun faxt die Frau mir ein Portrait durch, voll von allen blöden Klischees, die ich so fürchte. Soll ich mir das jetzt noch antun?
Ich ruf also an und frage sie, bis wann das fertig sein muß. »Bis morgen«, sagt sie. Ich machte ihr zwei Vorschläge. Ich fragte, was sie für den Artikel bekommen würde. Von jeder der Zeitungen ca. 500 Mark netto, sagt sie. Ich sagte, das würde ich ihr sofort ersetzen und mit keinem Menschen drüber reden. Die andere Möglichkeit: Sie hört ihr Band noch mal ab und schreibt es als Interview um. Das hat sie beides abgelehnt, das erste sogar mit Empörung.
Dann Telefonat mit Küster. Küster sagt, sie habe schon sehr hübsche Sachen von der gelesen. Ich sage ihr, was ich davon halte. Küster über meinen Vorhalt, das Wort »Portrait« sei nicht gefallen, empört. Es sei gefallen, aus ihrem Munde.
Ich beende das Gespräch mit der Floskel: »Ich möchte nicht ohne Ihre Erlaubnis auflegen. Darf ich auflegen?« Sie stottert: »Ja.«
Dann rief ich die Frau mit einem letzten Angebot an: Sie soll morgen kommen, dann arbeiten wir beide das Ding um. Sie war einverstanden.
Um 20.00 Uhr noch ein halbwegs versöhnliches Fax von Küster: Mißverständnisse . Sie kenne ja den Artikel nicht. Also habe ich ihn ihr gefaxt. Und angerufen habe ich sie auch ein zweites Mal. Sie sagte: »Na, hätten Sie es doch wahrgemacht und abgeblasen.«
Ich habe aber nicht abgeblasen.
Die ganze Nacht hindurch an dem Scheißartikel gearbeitet bis früh um fünf.
Dann klingelte die Frau. Ich bedankte mich für ihr Kommen und bot noch einmal an, die Reise von Hamburg und zurück zu bezahlen, was sie dankend ablehnte.
Dann druckte ich das aus, was ich in der Nacht gespeichert hatte, und gab es ihr zu lesen. Sie las schnell und war unbeeindruckt. Dann sagte sie:...
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