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Michael Krüger hat weit mehr erlebt und zu erzählen als das, was er in seinen Memoiren Verabredung mit Dichtern so eindrucksvoll schilderte. Als Verleger, Herausgeber, Dichter und Übersetzer hat er zahlreiche Autorinnen und Autoren vorgestellt, gefördert - und auch betrauert.
Auch in Unter Dichtern folgt er einem chronologischen Aufbau. Von einem Wohnungswechsel zum nächsten, die meisten finden innerhalb Münchens statt, überschreiten neue Dichter Krügers Schwelle, sie erfahren Aufnahme und Echo und finden, fast unvermeidlich, einen Freund.
Sein ganzes Leben hat Michael Krüger mit Dichtern verbracht: Er verlegte ihre Werke bei Hanser und anderswo, veröffentlichte sie in der von ihm drei Jahrzehnte lang herausgegebenen Zeitschrift Akzente, zeichnete sie mit dem Petrarca-Preis aus, den er gemeinsam mit Nicolas Born, Bazon Brock, Hubert Burda und Peter Handke ins Leben rief. Zahllose Lesungen hat Michael Krüger eingeleitet und hundert Lobreden gehalten, er ist mit den Dichtern auf Reisen gegangen - und immer wieder hat er auch Nachrufe auf die mit ihm befreundeten halten müssen.
In Unter Dichtern hat Michael Krüger eine stattliche Auswahl der Texte, die im Verlauf seiner Arbeits-, Dichter-, Lebensreise entstanden sind, versammelt und von heute aus in einen Zusammenhang gebracht.
Foto: Stefan Moses
Eine Erzählung von Danilo Kis wird mich mein restliches Leben lang begleiten: die »Enzyklopädie der Toten«. In einem riesigen unterirdischen Magazin in der schwedischen Hauptstadt Stockholm - man denkt sofort an das Bergwerk von Falun - hat eine Gruppe von Archivaren die Biographien all der Menschen gesammelt, die sonst in keinem Nachschlagewerk vertreten sind. Jeder der monumentalen Säle ist einem Buchstaben gewidmet - was es der Besucherin, die sich für eine Nacht dort einschließen lässt, leichtmacht, sofort den Ordner mit den Materialien ihres verstorbenen Vaters zu finden. Es wird für sie keine leichte Lektüre. Denn in den Mappen und Umschlägen, die sich unter ihrem Blick wie in einem Bild von Escher immer weiter verzweigen und in ungeahnte Tiefen führen, finden sich nicht nur der Lebenslauf, die Geburts-, Heirats- und Sterbeurkunde, sondern, in einer auf den ersten Blick nicht fassbaren Ordnung, sämtliche Daten und Taten des verstorbenen Vaters: wo und wie er gelebt hat, welcher Arbeit er nachgegangen ist, wann und in wen er verliebt war und wen er geheiratet hat. Sogar die Seitensprünge sind korrekt verzeichnet. Dazu natürlich sämtliche Bücher, die er gelesen, die Zigarettenmarken, die er geraucht und die seine Lunge ruiniert haben, seine Reisen, seine Hoffnungen, seine Sprüche und seine merkwürdigen Hobbys - mit anderen Worten: das GANZE LEBEN mit all seinen Zufällen und Banalitäten, seinen seltenen Höhepunkten und seinen furchtbaren (selbstverschuldeten und von anderen erzwungenen) Abstürzen. Das Unheimliche an dieser unheimlichsten Enzyklopädie, die sich ausdenken lässt, ist die kaum erklärbare Tatsache, dass die Texte zu den Menschen während der Lektüre an Umfang noch zunehmen und nicht etwa ausdünnen, als sei auch ein noch so am Rande gelebtes Leben mit allen verfügbaren Wörtern der Welt nicht zu beschreiben.
Ich will die Pointe hier nicht vorwegnehmen. Es lohnt sich, diese verblüffende Eloge auf das Leben selber zu lesen - und ganz besonders für die, die darüber stöhnen, dass die Literatur nichts ausrichten könne, dass sie keine (öffentliche) Bedeutung mehr habe. Solche Menschen müssen sich einmal in die Labyrinthe des Argentiniers Jorge Luis Borges begeben oder eben sich von Danilo Kis erklären lassen, wie unendlich die Möglichkeiten sind, das eigene Leben zu beschreiben; von Subotica, dem vielsprachigen Städtchen in der Vojvodina, wo Kis 1935 auf die Welt kam, nach Buenos Aires, der argentinischen Hauptstadt, in der Borges kurz vor der Jahrhundertwende geboren wurde, ist es für große Schriftsteller nur ein Katzensprung; ihre Sterbeorte liegen mehr oder weniger nebeneinander: Borges starb 1986 in Genf, Kis drei Jahre später in Paris; ihre Unterhaltung dauert an.
Mit beiden Autoren hatte ich zu tun, das heißt: Ich bin ihnen begegnet. Den greisen, fast blinden Borges sehe ich noch genau vor mir, wie er 1980 die ersten Bände der ersten Ausgabe seiner gesammelten Werke im Hanser Verlag in München-Bogenhausen in Empfang nahm. Eine solche Ausgabe gab es weder in spanischer Sprache, was daran lag, dass der Dichter in der Welt herumzog und seine schmalen Bücher an den verschiedensten Orten publizierte, noch auf Englisch, das er, als lebenslanger Liebhaber der englischen Literatur, so gut beherrschte. Schon in den späten fünfziger Jahren hatte der Verlag begonnen, die Erzählungen und Essays (vor allem in der Übersetzung von Karl August Horst) zu drucken, jetzt stellten wir sie neu zusammen und baten Freunde des Hauses um Nachworte: von Umberto Eco (der Borges neben James Joyce als den von ihm am meisten bewunderten Schriftsteller bezeichnete und ihn versteckt oder verkleidet in seinen Romanen auftreten ließ) über Lars Gustafsson, Curt Meyer-Clason (der auch einen großen Teil der Gedichte übersetzte) und Caroline Neubaur bis zu Dietmar Kamper entstand so ein großes Spektrum von Ansichten über die Sphinx aus Buenos Aires, die ja nie Autor von gut verkäuflichen Büchern war; leider war das Gegenteil der Fall. (Trotzdem haben wir später, mit Hilfe des Fischer Taschenbuchverlags, noch eine weitere Gesamtausgabe erarbeitet, mit Gisbert Haefs als Herausgeber.)
Borges, der zusammen mit seiner Frau Maria Kodama in den Verlag gekommen war, erhielt von uns in einer feierlichen Zeremonie das erste Exemplar. »Beredtes Schweigen. Hüsteln. Die Vertreter des Verlages schauen sich mit gerunzelter Stirn an.« Es war wie bei einer »suspense«-Szene in einem Hitchcock-Film. Borges nahm das Buch in die Hand, drehte es nach allen Seiten, roch daran, schlug es auf, beschaute sich das Titelblatt, blätterte, tat so, als würde er lesen, indem er die Lippen bewegte - der Zuschauer sollte nicht sicher sein, ob der alte Herr wirklich blind war oder aus undurchsichtigen Gründen nur einen Blinden spielen sollte. Dann sprach das Orakel die erlösenden Worte: Es ist das schönste Buch, das ich je in meinen Händen gehalten habe. Da der große Autor einmal Direktor der argentinischen Nationalbibliothek war und alle schönen und schönsten Bücher in seinen Händen gehalten hatte, ergänzten wir bescheiden im Stillen: .von mir; es war die schönste Ausgabe eines Buches »von mir«, die er je in der Hand gehalten hatte. Aber als könnte er zwar nicht mehr sein eigenes Buch lesen, wohl aber hinter unseren Stirnen, fügte er gleich an: Vergleichen Sie nur mein Buch hier mit der Erstausgabe des »Endymion« von Keats, dann wissen Sie, was ich meine.
Was ging in diesem Kopf vor? Wollte er sich über uns lustig machen, die wir zwar wussten, wer Keats war, aber - vielleicht mit der Ausnahme von Fritz Arnold, unserem Chef - nie eine Zeile von ihm gelesen hatten; und wie die erste Ausgabe des »Endymion« aussah, wussten wir gleich dreimal nicht. Die Synapsen im Gehirn von Borges waren anders geschaltet als die von normalen, halbwegs gebildeten Mitteleuropäern, man muss nur seine »Spiegel-Theorie« lesen, dann weiß man, was ich meine. Mit einem Wort: Er war nicht nur zufrieden, er war glücklich.
Danach »Schnittchen« und Kaffee. Bei dieser Gelegenheit habe ich ihn nach seinen deutschen Vorlieben ausgefragt, die hier und da in seinen Texten »aufblitzen«. Es kamen erstaunliche Sachen heraus, so seine Schwärmerei für die deutsche Revolution nach dem Ersten Weltkrieg, der er, damals Schüler in Genf, »beitreten wollte«, wie man einem Club beitritt. Aber zunächst musste er natürlich Deutsch lernen. Und wie lernt man am besten eine fremde Sprache? Indem man Gedichte übersetzt. Warum er sich dann ausgerechnet den heute (vielleicht zu Unrecht) vergessenen Kurt Heynicke ausgesucht hat, bleibt ein Rätsel; wahrscheinlich hat er dessen Texte in der expressionistisch-revolutionären Zeitschrift »Die Aktion« gelesen oder im »Sturm«, jedenfalls erinnerte er sich an die Namen der Herausgeber, Franz Pfemfert und Herwarth Walden.
Viele Jahre nach dem Tod des Meisters habe ich einmal (zusammen mit Hanns Zischler) anlässlich eines Abends zu Ehren des Autors und in Anwesenheit der Witwe Maria Kodama im Instituto Cervantes in Berlin über Borges und Deutschland gesprochen. Das müssen Sie unbedingt publizieren, so Frau Kodama - das war das Stichwort, auf das Hanns und ich gewartet hatten. Da auch Maria Kodama tot ist, kann ich hier getrost aufschreiben, warum wir so dringend mit ihr sprechen wollten. Borges hat mehrere kleine Schriften als Co-Autor herausgegeben, unter anderem eines über die isländischen Sagas, die eine Zeitlang seine Phantasie beflügelten. Diese Bücher wurden nach dem Tod von Borges aus seinem Werk ausgeschieden und durften auch nicht übersetzt werden - und böse Stimmen behaupteten, dass Maria Kodama - die Erbin der Rechte und Testamentsvollstreckerin - verhindern wollte, dass der Name von Borges im Zusammenhang mit anderen Frauen (außer der Mutter) genannt wird. Noch bösere Stimmen verbreiteten das Gerücht, er habe die Co-Autorinnen, mit denen er befreundet war, nur deshalb mit auf den Umschlag gesetzt, um die Mutter zu beruhigen: Wir arbeiten, Mutter, du kannst ganz beruhigt sein. Hanns Zischler jedenfalls, der in seinem kleinen, aber sehr feinen Verlag Alpheus die Saga-Schrift publizieren wollte, erhielt trotz vieler Interventionen (auch meinerseits) nicht die Rechte . Was natürlich damit zusammenhängen könnte, dass die bösen Stimmen gar nicht böse waren, sondern »nur« die Wahrheit sprachen. Was natürlich nichts zu tun hat mit meiner bleibenden Verehrung des dichterischen Werks des...
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