Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Wer es zuerst auf den Gipfel schafft!"
"Und das soll eine Herausforderung sein?" Lachend stieß Rosalyn die Ferse in Grand Noirs Bauch. Der Galopp des pechschwarzen Hengstes wurde ausgreifender. Rosalyn beugte sich etwas weiter nach vorne, dabei kitzelte die flatternde Mähne des Pferdes ihr Kinn. Sie warf einen kurzen Blick über die Schulter und grinste keck. "Adieu, Bruderherz, wir sehen uns oben!"
Der dumpfe Widerhall donnernder Hufe auf dem trockenen Erdboden klang in ihren Ohren nach, während Grand Noir mit atemberaubender Geschwindigkeit an Richard auf seinem Pferd Lancelot vorbeiflog. Der sanft ansteigende Hügel rückte näher und näher. Das Lächeln auf Rosalyns Gesicht vertiefte sich. Sie liebte diese Momente - Momente, in denen sie Freiheit schmeckte.
Sie zügelte den Hengst erst knapp vor dem Gipfel. Grand Noir schnaubte laut und ausgiebig. "Hoo, mein Junge, gut so! Du warst großartig!" Liebevoll fuhr Rosalyn über den seidig schimmernden Hals des Pferdes.
Richard war nur noch wenige Galoppsprünge von ihr entfernt. Elegant lenkte er seinen Schimmel in einem kleinen Halbkreis um sie herum. "Chapeau, Verehrteste!"
Er verbeugte sich und verrenkte seinen Arm dabei so weit nach hinten, dass Rosalyn belustigt auflachte. "Danke sehr, Mr Mandeville! Sie sollten doch mittlerweile wissen, dass Sie keine Chance gegen mich haben!"
"Man hofft, solange man lebt", meinte Richard trocken und tätschelte Lancelots Hals. "Außerdem bin ich immer noch der Meinung, dass Lancelot genauso gute Leistung bringen würde, wenn ein solch zartes Wesen wie du auf ihm sitzen würde."
"Ach was! Grand Noir ist eben unschlagbar."
"Wen wundert's - bei solch einem Vorfahren!" Richard grinste schief. "Umso größer sollte deine Freude sein, dass Vater sich auf deine wahnwitzige Idee eingelassen hat."
Rosalyn hob stolz den Kopf. "Ich bin die beste Reiterin ganz Bedfordshires! Zweifelst du etwa daran?"
"Ah!" Mit schmerzerfülltem Gesichtsausdruck schlug Richard eine Hand auf seine Brust. "Das saß tief, Schwesterherz! Du solltest deinen alten Bruder doch besser kennen." Er schüttelte pikiert den Kopf.
Rosalyn grinste. "Ich bitte um Verzeihung, Teuerster!"
"Gewährt!"
Zärtlich fuhr Rosalyn über Grand Noirs dichte Mähne. "Ob du es glaubst oder nicht, ich habe nicht damit gerechnet, je auf seinem Rücken zu sitzen."
Richard gab ein belustigtes Schnauben von sich. "Das glaube ich dir tatsächlich nicht! Vater hat dich verwöhnt, seit ich denken kann. Du hast immer deinen Willen bekommen, oder?"
Rosalyn zuckte unbekümmert die Schultern. "Dafür kann ich ja nichts! Was Grand Noir anbelangt: Ich habe lange betteln müssen, bis Vater mir seinen Nachkommen des herausragenden Eclipse überlassen hat."
Manchmal kam ihr das Ganze noch immer wie ein Traum vor. Die Abstammung Grand Noirs von einem der besten und bekanntesten Rennpferde Englands des 18. Jahrhunderts hatte das soziale Prestige und Ansehen ihres Vaters um ein Vielfaches gesteigert. Grand Noir war eigentlich kein Damenpferd. Die wenigsten Väter hätten ihrer Tochter erlaubt zu versuchen, den Hengst an den Damensattel und die entsprechenden Hilfen zu gewöhnen. Doch Rosalyn hatte sich durchgesetzt - und Sir Henry Mandeville davon überzeugen können, dass sie in der Lage war, aus dem äußerst sensiblen Hengst ein zuverlässiges Reitpferd zu machen.
"Na schön." Richard seufzte. "Du hattest schon immer den Hang zum Unkonventionellen." Er schüttelte lächelnd den Kopf. Dann atmete er hörbar aus. "Ich wünschte, ich könnte häufiger nach Leighton Hall zurückkommen und mit dir durch die Felder streifen. Sieh dir doch nur diese herrliche Aussicht an!"
Zufrieden lächelnd tat Rosalyn es ihrem Bruder gleich und ließ den Blick in die Ferne schweifen. Sanfte grüne Hügelketten zogen sich in schier unendlicher Weite bis zum Horizont hin. Von dem Wiesenteppich hoben sich in losen Abständen kleine Buchen- und Eichenwäldchen ab, deren Blätterdächer in den unterschiedlichsten Grüntönen im Sonnenlicht schimmerten. Dazwischen grasten kleine Gruppen von Schafen so dicht beieinander, dass sie aussahen wie Sahnehäubchen, die in regelmäßigen Abständen in der Landschaft platziert worden waren. Rechter Hand glitzerte in weiter Entfernung das Wasser des Lake Mandeville - von diesem Standpunkt aus hatte es den Anschein, als handle es sich lediglich um einen kleinen Teich. Doch tatsächlich war der See so groß, dass es eine gute Dreiviertelstunde dauerte, ihn zu umrunden, und dass sich darin eine Vielfalt von Fischen tummelte. Schräg hinter Lake Mandeville konnte man gerade noch einen Teil der Straße ausmachen, die zum herrschaftlichen Anwesen Leighton Hall Estate führte. Königlich thronte der imposante Landsitz aus graubraunem Sandstein über den weitläufigen Ländereien, die zum Herrenhaus gehörten.
"Ich hätte nichts gegen ein weiteres Rennen, aber wir müssen zurück, Rosie."
Rosalyn schwieg - es war einfacher, als zu antworten. Die Wut, die sie begleitete, seit sie von dem Dinner erfahren hatte, loderte unvermittelt in ihr auf. Auch wenn niemand sie je in die Absichten für den heutigen Abend eingeweiht hatte, wusste sie nur zu gut, worum es ging. Es war das erste Mal, dass ihr Vater einen Gentleman nach Leighton Hall eingeladen hatte. Es konnte dafür nur einen Grund geben - und alles in Rosalyn sträubte sich dagegen.
Langsam wendeten sie die Pferde.
"Du bist ja auf einmal so still." Sie spürte Richards Seitenblick mehr, als dass sie ihn sah.
"Ach, Richard, tu nicht so! Du weißt doch genau, dass sich meine Freude für das Dinner in Grenzen hält!" Rosalyn verzog grimmig das Gesicht.
"Na, na, na!" Ihr Bruder schüttelte betont pikiert den Kopf, wobei seine kurz geschnittenen blonden Locken leicht auf und ab wippten. "Nun seien Sie mal nicht so voreilig, meine Liebe! Womöglich irren Sie sich ja in Ihrer derzeitigen Einschätzung der Situation."
"Ach, hör doch auf, so mit mir zu reden! Es reicht, dass ich mich sonst schon immer an die Regeln höflicher Konversation halten muss. Also bitte nicht bei unseren Ausritten!" Rosalyn stieß einen frustrierten Seufzer aus. "Und überhaupt: Was könnte man an dieser Situation großartig falsch einschätzen? Vater und Mutter wollen mich möglichst sehr, ich betone, wirklich sehr wohlhabend vermählt sehen!"
"Ich habe gehört, es gibt Schlimmeres als eine einflussreiche Vermählung."
Rosalyn bedachte ihren schmunzelnden Bruder mit einem vernichtenden Blick. "Du solltest mir diesbezüglich gar keine Vorträge halten! Immerhin genießt du bei diesem Thema eine gewisse Narrenfreiheit."
Ihre Empörung schien an Richard wie an einer Felswand abzuprallen. Er lachte laut. "Ach, Rosie, wenn du dich gerade sehen könntest! Es muss ja wenigstens einen Bereich geben, in dem ich dir etwas voraushabe. Lach mal wieder, du kleiner schimpfender Rohrspatz! Das steht deinem hübschen Gesicht besser als diese Zornesfalte auf deiner Stirn."
"Mir ist nicht nach Lachen zumute, Richard!" Rosalyn biss sich auf die Lippen und atmete tief ein. "Du darfst mit deinen vierundzwanzig Jahren deinem Studium nachgehen und tun, was dein Herz begehrt. Mir hält man hingegen ständig vor, dass ich in meiner dritten Saison nun aber wirklich einen Ehemann finden muss."
"Rosalyn, wie oft haben wir diese Unterhaltung schon geführt?" Richard warf seiner Schwester einen genervten und gleichzeitig gutmütigen Blick zu. "Wir kommen doch immer zu demselben Ergebnis. Irgendwann muss man nun einmal erwachsen werden und seinen Platz in dieser Welt einnehmen. Das gilt auch für dich."
Rosalyn schluckte die nächste streitsüchtige Antwort herunter. Sie wusste, dass sie sich stärker darum bemühen musste, auch in Gegenwart ihres Bruders ein vornehmes Verhalten an den Tag zu legen. Aber wenn sie mit Richard Zeit verbrachte, fühlte sie den Funken unbeschwerter Jugendjahre aufblitzen - in denen die Perspektive einer Heirat noch in weiter Ferne gelegen hatte.
"Ich bin doch eh schon eine gesellschaftliche Katastrophe, wenn man Mutters Worten Glauben schenken will. Fast zwanzig und noch nicht verheiratet - das kommt dem Weltuntergang gleich!"
Richards Prusten entlockte Rosalyn trotz ihrer Wut ein Grinsen.
"Das ist wohl etwas übertrieben, aber so ist sie eben, unsere Frau Mama", meinte er dann. Er schnalzte leise mit der Zunge, und Lancelot nahm Tempo auf, sodass er und Grand Noir Kopf an Kopf nebeneinanderher trabten. "Im Moment weiß ich jedenfalls nur, dass wir uns wirklich beeilen sollten. Denn wenn wir uns jetzt zu viel Zeit lassen, wird nicht nur Mutter sehr verärgert sein."
Rosalyn ließ den Blick schweifen und stimmte ihrem Bruder im Stillen zu. Die hohen Buchen und Stechginstersträucher am Wegesrand warfen bereits längere Schatten. Sie verstärkte den Druck ihrer Schenkel, und sofort verfiel Grand Noir in einen ruhigen Galopp.
"Miss Rosalyn! Miss Rosalyn Mandeville!"
Der Ruf drang an ihr Ohr, noch bevor Rosalyn und Richard überhaupt die Gelegenheit hatten, abzusteigen. Normalerweise redete die Frau, zu der diese Stimme gehörte, Rosalyn nicht in der Form an. Eigentlich war sie sonst gar nicht in den Stallungen zugegen - woraus zu schließen war, dass die Geschwister sich stärker in der Zeit geirrt haben mussten, als sie angenommen hatten.
"O nein, Herr im Himmel, steh uns bei!" Richard parierte Lancelot wenige Meter vor dem großen...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.