Schweitzer Fachinformationen
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Denken und Handeln im Industriezeitalter sind vom mentalen Modell des Rationalitätsglaubens geprägt. Der Rationalitätsglaube ist durch das Wunder der großen Maschinen - automatische Webstühle und Eisenbahnlokomotiven - in die Vorstellungswelt der Menschen getreten und manifestiert sich täglich in Fabrikhallen, die bislang unvorstellbare Mengen an Gütern in gleichbleibender Qualität hervorbringen. Kern des Rationalitätsglaubens ist die Überzeugung, der Mensch könne durch zweckmäßiges Vorgehen Wunder vollbringen, wie sie sonst nur höhere Mächte herbeiführen, ja, dass ein zweckmäßiges, effektives Vorgehen per se als Bollwerk gegen schicksalhafte Willkür dienen könne. Genau das ist die Erfahrungswelt breiter Massen zu Beginn des Industriezeitalters: Die zu Hungerlöhnen in Heimarbeit fertigenden Menschen können durch die Arbeit in Manufakturen und Fabriken der erpresserischen Willkür ihrer vormaligen Verleger,2 breite Massen dem verheerenden Elend entkommen.
1832 veröffentlicht Charles Babbage sein Buch »On the Economy of Machinery and Manufactures«, in dem er die Aufspaltung eines Arbeitsprozesses in Teile mit unterschiedlichen Qualifikationserfordernissen empfiehlt, um den maximal möglichen Output jenes Teils mit dem höchsten Qualifikationserfordernis als Basis für die Konfiguration der anderen Arbeitsbeiträge zu setzen. Durch dieses Babbage-Prinzip lassen sich die Produktivität erhöhen und in der Folge die Lohnkosten senken. Denn das ist nun, im beginnenden Industriezeitalter, vor dem Hintergrund des allgemeinen Mangels an Waren und nach der gesellschaftlichen Erfindung der Manufaktur, später der Fabrik, das Kernproblem für Führung: Arbeit so zu organisieren, dass eine immer höhere Produktivität dabei herauskommt.
Bis in die 1960er-Jahre verläuft das Verständnis von Führen entlang der Dichotomie von ingenieurwissenschaftlicher Rationalisierung einerseits und Humanisierung der entfremdeten Arbeit andererseits: Der ingenieurtechnische Ansatz sieht den Hebel zur Steigerung der Produktivität in der immer weitergehenden Arbeitsteilung, Mechanisierung und Kraftübertragung durch Maschinen; der Human-Relations-Ansatz setzt auf die Gestaltung der Beziehungen, um die Leistungsbereitschaft der Menschen in einer durch Arbeitsteilung und sinnentleerte Routine zunehmend entfremdeten Arbeitswelt zu steigern.
Von der Wende ins 20. Jahrhundert bis in die 1960er-Jahre prägt sich die Warenwirtschaft mit Massenproduktion und Massenkonsum engmaschig aus und manifestiert sich in der Industriegesellschaft mit ihrer typischen, streng abgegrenzten, sozialen Schichtung.
Die Pioniere des ingenieurtechnischen Ansatzes sind Henry Ford und Alfred Sloan, die Rollenmodelle für Führung im Industriezeitalter, Frederick Winslow Taylor und sein Scientific Management sowie Henri Fayol und seine generellen Funktionen der Administration. Gemeinsam ist ihren Zugängen, dass mit dem Verständnis von Management als technokratische Ingenieurwissenschaft ein Verständnis von Organisationen als triviale, berechenbare Maschinen verbunden ist.
Den Sprung vom Scientific Management zur Massenproduktion erzielt Henry Ford 1914 mit der Einführung der Fließbandproduktion, die er der Praxis in den Chicagoer Schlachthöfen abgeschaut hat. Sein Verständnis von Führung und Organisationen in der Gesellschaft wird noch heute Fordismus genannt.
Henry Ford erschafft das Managementkonzept der Vision, den Zukunftsentwurf für den Zweck einer Organisation, der weit über deren Grenzen in die Gesellschaft hineinreicht. Die im Proletariat lebenden Arbeitermassen sollen mit dem Automobil aus dem Elend der Städte ins Grüne fahren und sich daran erfreuen können. Dazu war es notwendig, dass sie sich ein Automobil leisten konnten; umgekehrt ist durch Massenkonsum die Massenproduktion gewährleistet. Das Standardmodell T kommt 1908 auf den Markt und verkauft sich in den kommenden 15 Jahren 15 Mio. mal. Ford zahlt seinen Arbeitern überdurchschnittlich hohe Löhne und führt den Achtstundentag ein. Er gibt einen Teil der durch Skaleneffekte (economies of scale) erzielten Gewinnmarge an sie weiter, sodass der Preis für das Modell T schließlich ca. 7.000 US-Dollar auf Wertbasis des Jahres 2008 beträgt.
Alfred Sloan, von 1920 bis 1937 Vorstand von General Motors, überträgt den ingenieurtechnischen Ansatz von der Gestaltung der Produktionsabläufe auf die Optimierung von Prozessen und Strukturen der Gesamtorganisation. So führt er die Dezentralisierung von Unternehmensbereichen ein, die Spartenorganisation, und im Management die Spezialisierung in verschiedene Verantwortungsbereiche, meist Technik, Administration und Verkauf.
Die Ingenieure Ford und Sloan werden zum Inbegriff erfolgreichen US-amerikanischen Managements.
Das Babbage-Prinzip betrifft einen Kernaspekt der Arbeitsteilung, die Frederick Winslow Taylor 80 Jahre später in »The Principles of Scientific Management« (1911) weiter ausbaut. In Bewegungsstudien analysiert Taylor Arbeitsabläufe und teilt sie in kleinste Abschnitte gleichförmiger Verrichtungen, die er standardisiert und optimiert. Auf dieser - wissenschaftlichen - Basis ermittelt er für einen gegebenen Arbeitsplatz das Pensum und den Stücklohn. Bekannt ist Taylor für eine weitere Art der Arbeitsteilung: die Trennung von Hand- und Kopfarbeit: Den auf bestimmte Arbeitsfunktionen spezialisierten White-Collar-Angestellten werden Planung, Disposition und Kontrolle über die Arbeitsprozesse übertragen und den Blue-Collar-Arbeitern die Ausführung derselben.
Taylor nimmt in Anspruch, mit Scientific Management nicht nur die Produktivität der Arbeit in der Fabrikhalle zu steigern, sondern ein Management als System entwickelt zu haben, das die unberechenbaren autokratischen »born captains of industry« ablösen werde. Die Debatte um Führung als Persönlichkeitsmerkmal und die Frage, ob dieses angeboren oder erlernbar sei, sei damit hinfällig. Aufgaben des Managements seien die Gestaltung der Arbeitsbedingungen, die Standardisierung von Arbeitsmethoden und die Durchsetzung verstärkter Kooperation, um Effizienz zu erreichen. Taylors Managementsystem umfasst auch die Beschreibung jedes Aufgabenbereichs in einem Anforderungsprofil und die gezielte Personalauswahl und Personalentwicklung dafür.
Eine ähnliche Analyse und Optimierung, wie Taylor sie für die Fabrikarbeit schuf, nimmt der französische Bergbauingenieur Henri Fayol 1916 für die Administration von Organisationen vor. In seinem Werk »Administration Industrielle et Générale« definiert er fünf Funktionen, die Führung zu erfüllen habe: Vorschau und Planung, Organisation des Aufgabenvollzugs, Koordination, Kontrolle und die Leitung. Ein Unternehmen soll nach 14 Prinzipien geführt werden, darunter die Prinzipien der Arbeitsteilung, der angemessenen Mischung von Zentralisation und Dezentralisation, der unternehmerischen Initiative u. a. m.
Die von Fayol vorgestellten Funktionen von Führung werden später von Luther Gulick zum POSDCoRB-Modell ausgearbeitet; demnach bestehen die wesentlichen Aufgaben des Managements im Planen, Organisieren, Anleiten (directing), Koordinieren (coordinating), Reporting und Budgetieren.
In der Tradition des ingenieurwissenschaftlichen Zugangs zu Führung steht auch der PDCA-Kreis, der von den US-amerikanischen Physikern Walter Andrew Shewhart und William Edwards Deming in den 1950ern entwickelt wird. Das Akronym PDCA steht für Plan-Do-Check-Act und bedeutet, dass die Ziele eines Tätigkeitslaufs zu planen, die Zielerreichung nach der Ausführung die Ergebnisse zu überprüfen und Abweichungen von der Planung durch geeignete Maßnahmen auszusteuern sind.
Dieser Regelkreis soll Lernen und Verbesserung fördern. Für Deming, der als Berater zur Unterstützung des Wiederaufbaus der Nachkriegswirtschaft nach Japan geschickt wird, ist die Implementierung des PDCA-Kreises an jedem Abschnitt eines Produktionsablaufs der Hebel zum umfassenden Qualitätsmanagement (siehe S. 47).
In der Managementlehre wird der PDCA-Kreis bald zum Modell jeglichen Führungshandelns; er wird noch heute als der Managementkreislauf gelehrt. Ähnlich, aber nicht auf Sachziele, sondern auf die Mitarbeitenden ausgerichtet, ist der Führungskreis, der aus Vorgeben, Motivieren, Organisieren, Kontrollieren und Sanktionieren der Arbeitsaufgaben...
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