Schweitzer Fachinformationen
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Was muss geschehen, damit drei verfeindete Frauen zu Verbündeten werden? Die Stimmen des Yucumã erzählt mit der Wucht eines Wasserfalls von willensstarken Frauen, verfeindeten Familien und einem gemeinsamen Kampf um das Überleben der Natur.
Turvo-Nationalpark, Rio Grande do Sul, an der brasilianisch-argentinischen Grenze: Hier stoßen drei Frauen aufeinander, die gemeinsam aufgewachsen sind und deren Familien sich bis aufs Blut hassen: die Parkrangerin Chaya, ihre Cousine Preta, die Anführerin einer gefürchteten Gruppe von Jägerinnen und Schmugglern, und Olga, die Assistentin eines gierigen Kongressabgeordneten. Ein umstrittenes Bauprojekt, das das gesamte Ökosystem des Parks und der Bewohner in Gefahr bringt, sorgt für ein unerwartetes Wiedersehen der drei Frauen. Nach Jahrzehnte währenden Fehden müssen sie plötzlich für eine gemeinsame Zukunft ihrer Heimat kämpfen. Wer sie dabei immerzu begleitet: der Geist des Urahnen Sarampião, der den Nationalpark vielleicht nie verlassen hat .
Sarampião läuft den neu angelegten Pfad durch den dichten Wald entlang. Er trägt abgewetzte Stiefel, die Hose hochgekrempelt und das Hemd aufgeknöpft. Die kupferfarbene Haut und die glatten, nackenlangen Haare glänzen, wenn das Sonnenlicht darauf fällt. Auf dem Rücken hängt an einem dicken Lederriemen eine einläufige Schrotflinte Kaliber .36.
»Höchste Zeit, dass wir dieser Hetzjagd auf Boca Braba ein Ende bereiten. Diese verdammten Idioten«, murmelt Sarampião vor sich hin, während er über Äste und Sträucher springt.
Er hört ein Tier brüllen und bleibt stehen. Beugt sich vor und dreht sich einmal um sich selbst. Wieder ein Brüllen, diesmal direkt hinter ihm. Er dreht sich um.
»Lange nicht gesehen, meine Liebe.« Er blickt der Raubkatze in die Augen. Beide stehen sie atemlos da, sie die Zähne gefletscht, er die Lippen zusammengekniffen.
Die Anspannung wird durch einen langen spitzen Pfiff gelöst. Der Blickkontakt bricht ab. Der Jaguar läuft los, verschwindet zwischen den Bäumen. Sarampião folgt ihm, springt über einen umgestürzten Baumstamm, durch Morast, weicht Spinnennetzen aus, durch ein Dornendickicht. Außer Atem, verschwitzt und zerkratzt hört er das Tier wieder, dann einen Schuss und noch einen. Um ihn herum wird es dunkel. Er verliert das Gleichgewicht und kippt um.
Als er wieder zu sich kommt, liegt er auf dem Boden, unter ihm nasses Laub. Er spürt einen heißen Atem dicht am Gesicht. Mit letzter Kraft dreht er den Kopf zur Seite. Neben sich sieht er den Jaguar. Lächelnd legt er die Hand auf den Bauch. Das warme Blut läuft ihm über die Finger.
»Arrê .«
Betrunkene Männer mit erhobenen Waffen posieren lachend für ein Foto. Einer hält die Schnauze des Jaguars, der kopfüber mit gefesselten Pfoten an einem Seil hinten in Gringa Romanos Laden hängt. Aus seiner aufgeschlitzten Kehle läuft Blut in einen Aluminiumbehälter. Caco Romano, rote Haare, sonnenverbrannte, rosige Haut voller Sommersprossen, hält stolz die lange Zunge.
»Jetzt macht endlich das Foto«, ruft er.
»Warte noch auf deinen Bruder«, sagt einer der Männer.
Enrico Romano, elf Jahre alt und seinem großen Bruder äußerlich sehr ähnlich, steht wie versteinert da, den Blick auf das tropfende Blut gerichtet. Einer der Männer geht kurz weg und kommt mit einem Werkzeugkasten und einer Zange zurück. Er reicht sie Caco. Der greift dem Tier ins Maul und zieht ihm den rechten oberen Eckzahn.
»Und jetzt machen wir dieses verdammte Foto!«
Die schwere zweiflügelige Holztür geht auf. Die verrosteten Scharniere knarren. Herein kommt Armin Sarampião mit einer Machete in der Hand.
»Wo ist mein Vater?«
Caco wirft die Zange weg und steckt den Zahn in die Hosentasche.
»Wovon redest du?«
»Mein Vater war heute Morgen noch zu Hause, bevor er sich auf die Suche nach Boca Braba machen wollte.«
»Da war ich wohl schneller.« Caco zeigt auf den Jaguar. Er und seine Freunde lachen.
Als Gringa Romano auftaucht, eine große Frau um die fünfzig, kräftige Arme und Beine, Sommersprossen, die grauen Haare auf dem Kopf zusammengebunden, verstummen alle. Sie geht auf Enrico und den Jaguar zu, betrachtet das Einschussloch in der Brust und die durchgeschnittene Kehle, packt den Jungen am Arm und schiebt ihn vor sich her in Richtung Tür.
»Raus mit dir.«
Ohne zu protestieren, verschwindet er nach draußen.
Gringa kniet sich vor Boca Braba hin, senkt den Kopf und murmelt etwas, das niemand versteht. Caco beobachtet sie, ohne mit der Wimper zu zucken. Noch auf Knien sieht die Frau zu ihrem Sohn und steht dann auf. Die Freunde weichen ängstlich zurück. Sie wendet sich an Armin.
»Ich rufe die Männer aus dem Dorf zusammen, wir gehen in den Park und bleiben so lange, bis wir Sarampião gefunden haben. Versprochen.«
Vier Wochen später steht die Gemeinde in der kleinen Kapelle der lutherischen Kirche von Turvo. Man unterhält sich leise in kleinen Gruppen. In der vordersten Reihe sitzen Armin Sarampião, seine Frau Idalina und die sechsjährige Tochter Amara, mit Tränen in den grünen Augen. Auf der Bank daneben Roscato Sarampião, ein großer Mann mit breiten Schultern und Händen, und seine Frau Tédi, blond, dünn, markantes Gesicht, im Arm die zwölfjährige Tochter Lenara, schwarze glatte Haare, eckiges Gesicht, trauriger Blick. Lenara sieht ihrem Großvater Sarampião am ähnlichsten von allen. Enrico, Caco und Gringa Romano sitzen zusammen hinten. Der Pfarrer kommt rein und geht langsam bis vor den Altar.
»Guten Tag!« Der Pfarrer nimmt die Bibel in die Hand. »Setzen wir uns. Wir sind hier heute nicht zusammengekommen, um den Gottesdienst abzuhalten, sondern um für jemanden zu beten. Es ist jetzt einen Monat her, dass unser Parkranger und, für viele, geschätzter Heiler verschwunden ist. Lasst uns für seine .«
»Nein! Opa ist noch da!«, schreit Amara und zeigt in Richtung Turvo-Park.
Armin nimmt sie auf den Arm und geht mit ihr nach hinten. Idalina folgt ihm.
Roscato wirft seinem Bruder einen hasserfüllten Blick zu, dann wendet er sich an den Pfarrer, sodass alle es hören können.
»Ich entschuldige mich für das Verhalten meines Bruders und seiner Familie, Herr Pfarrer. Wo immer mein Vater jetzt ist, er ist bestimmt sehr dankbar, uns alle hier zu sehen.«
Armin setzt Amara ab. Sie klammert sich an seine Beine. Idalina streicht ihr über die Schultern.
»Du irrst dich, mein Bruder. Diese ganze Versammlung hier ist ein einziger Irrtum«, erklärt Armin.
Die drei gehen in Richtung Ausgang. Caco ruft ihm nach:
»Wir haben das hier extra organisiert, und du willst einfach gehen?«
Seine Mutter kneift ihn in den Arm.
»Halt den Mund!«, sagt Gringa.
Armin sieht zu Caco.
»Was dich betrifft, warte nur ab .«
»Und du, beruhige dich«, unterbricht ihn Gringa.
»Jeder hier weiß, dass Sarampião im Park war, um Boca Braba vor diesem Dreckskerl zu beschützen. An deinen Händen klebt Blut, das weiß ich genau«, brüllt Armin und zeigt mit dem Finger auf ihn.
»Du mieses Schwein.« Caco will sich auf ihn stürzen, wird aber von seiner Mutter aufgehalten, die unbestreitbar stärker ist als er.
»Raus mit dir!«, befiehlt sie ihm.
Caco gehorcht wütend. Enrico folgt ihm. Gringa wendet sich an Armin, Idalina und Amara.
»Ich muss mich für meinen Ältesten entschuldigen. Nachdem ich Witwe geworden bin, habe ich ihn zu sehr verhätschelt. Armin, mein Freund, ich verstehe deine Trauer.«
»Ich trauere nicht!«
»Jetzt beruhigen wir uns bitte erst mal alle«, ruft der Pfarrer.
»Sarampião ist ein Rotfuß, er ist hier groß geworden. Er ist irgendwo da draußen, und er wird zurückkommen«, versichert Armin ihr.
Armin, Idalina und Amara marschieren durch den Urwald. Lenara folgt ihnen mit etwas Abstand. Von weitem hören sie den Salto do Yucumã. Sie laufen über die Felsen am Rio Uruguay entlang in Richtung Wasser.
Armin kniet sich hin, lehnt den Kopf gegen das Gestein und fängt an zu weinen.
»Arrê, Sarampião. Wo bist du, Vater?«
Frau und Tochter sehen zu und weinen mit ihm.
Lenara kommt näher, bleibt stehen und schweigt. Amara sieht zu ihr rüber und reicht ihrer Cousine schließlich die Hand. Lächelnd blicken die beiden in Richtung Park.
Gringa sitzt zu Hause hinter ihrem Laden in einem Sessel am Fenster. Caco kommt rein. Seine Mutter sieht ihn nicht an.
»Du hast nach mir rufen lassen?«, fragt er.
Gringa antwortet nicht.
»Mama, tut mir leid, aber ich werde mich bei diesem Kerl nicht entschuldigen.«
Gringa steht auf, macht zwei Schritte, hebt den Blick und schlägt dem Sohn mit der flachen Hand ins Gesicht, sodass ein hohles Geräusch erklingt. Caco stolpert und...
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