Schweitzer Fachinformationen
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Hugo Segerer
Die Geburt bringt die schwerwiegendsten Veränderungen in der gesamten Entwicklung des einzelnen Menschen mit sich. Praktisch alle physiologischen Vorgänge sind von den dabei ablaufenden Umstellungs- und Anpassungsprozessen betroffen; nur wenige dieser Vorgänge sind bereits in den ersten Lebensstunden oder -tagen abgeschlossen. Daher bedarf der Umgang mit Neugeborenen und insbesondere die Behandlung von kranken Neugeborenen oder von Frühgeborenen besonderer Berücksichtigung dieser Vorgänge. Die Übertragung von Erkenntnissen aus der Physiologie des Erwachsenen in einen "verkleinerten Maßstab" wird diesem Lebensabschnitt nicht gerecht.
Anpassungsstörungen einzelner oder mehrerer Organe sind bei reifen Neugeborenen nicht selten, bei Frühgeborenen häufig. Unreife Funktionen verschiedener Organe müssen bei der Betreuung Frühgeborener und reifer Neugeborener, aber auch im Säuglingsalter berücksichtigt werden. Daher werden im Folgenden Besonderheiten verschiedener Organe und Organsysteme bei Neu- und Frühgeborenen sowie besondere Gefährdungen dieser kleinen Menschen dargestellt.
Kinder sind keine maßstäblich verkleinerten Erwachsenen, Neugeborene erst recht nicht (Definitionen ? Tab. 1.1). Dies gilt auch für die Anatomie der oberen Luftwege, die nicht nur viel enger sind als bei Erwachsenen, auch die Lage verschiedener Organe zueinander ist unterschiedlich. So steht der Kehlkopf beim Neugeborenen höher (3.-4. Halswirbelkörper) als beim Erwachsenen (4.-5. HWK), er liegt weiter vorn und seine engste Stelle findet sich nicht auf Höhe der Glottis, sondern im Bereich des Ringknorpels.
Merke
Wird die Schleimhaut des Kehlkopfes traumatisiert, beispielsweise durch Intubation mit einem zu dicken Tubus, kann sie anschwellen, was zu einer erheblichen Obstruktion und infolge Vernarbung zu einer subglottischen Stenose führen kann.
Die Luftröhre des Neugeborenen misst nur ca. 4cm vom Kehlkopf bis zur Karina. Fehlintubationen in den rechten Hauptbronchus sind daher häufig und müssen nach jeder ersten Intubation eines Neugeborenen oder Säuglings durch eine Röntgenaufnahme des Thorax ausgeschlossen werden. Der Auskultationsbefund ist bei Früh- oder Neugeborenen weit weniger sicher zu verwerten als bei größeren Patienten, da das Atemgeräusch umso besser fortgeleitet wird, je kleiner der Thorax ist. Einen Anhalt für die korrekte Positionierung des Tubus bietet die Formel "7-8-9 bei 1-2-3": Bei Körpergewichten von 1, 2 bzw. 3kg soll der Tubus nach oraler Intubation 7, 8 bzw. 9cm tief liegen. Bei nasotrachealer Intubation wird das Gewicht hinzuaddiert: 8, 10 bzw. 12cm.
Begriff
Definition
Neugeborenen-Periode
von der Geburt bis zum 28. Lebenstag
reifes Neugeborenes
Geburt nach 37, vor 42 abgeschlossenen SSW*
Frühgeborenes
Geburt vor Abschluss von 37 SSW*
Übertragung
Geburt mit 42 SSW* oder später
very low Birthweight Infant (VLBW)
Geburtsgewicht <1500g
extremely low Birthweight Infant (ELBW)
Geburtsgewicht <1000g
extremely low gestational Age Newborn (ELGAN)
Geburt vor 28 abgeschlossenen SSW*
*SSW: Schwangerschaftswochen
Nach etwa 23 Schwangerschaftswochen (SSW) treten Kapillaren in Kontakt mit den ersten, unreifen Alveolen. Zu diesem Zeitpunkt beginnt die Möglichkeit des pulmonalen Gasaustausches. Bei termingerechter Geburt ist allerdings die Diffusionsstrecke für Sauerstoff (Alveolarlumen - Surfactant/Flüssigkeitsfilm - Pneumozyt Typ I - Interstitium - Kapillarmembran - Plasma - Erythrozytenmembran) mit etwa 1µm noch deutlich länger als beim Erwachsenen mit ca. 0,2µm. Wesentlichen Anteil an dieser längeren Diffusionstrecke hat der erhöhte Flüssigkeitsgehalt des Interstitiums und der Alveolen bei Neugeborenen und bei Frühgeborenen kurz nach der Geburt.
Bis zur Geburt ist die fetale Lunge mit Fruchtwasser gefüllt; unter der (natürlichen) Geburt wird ein Teil dieses Fruchtwassers trachealwärts ausgepresst, ein Teil wird ins Lungengewebe resorbiert. Verbleibendes Fruchtwasser kann die Sauerstoffaufnahme beeinträchtigen und die Atemarbeit erhöhen. Es resultiert das Bild der "Flüssigkeitslunge" ("idiopathische Tachypnoe des Neugeborenen"), das nach Schnittentbindung gehäuft zu beobachten ist.
Der Gasaustausch findet in Aussackungen (Sacculi) mit einem Durchmesser von 30µm (sehr kleine Frühgeborene) bis 150µm (Reifgeborene) statt. Echte Alveolen mit einem Durchmesser von 150-300µm treten erst nach der Geburt auf und nehmen bis zum 8. Lebensjahr an Zahl und Größe zu.
Das Lungenvolumen des Neugeborenen ist, bezogen auf seine Körperoberfläche, wesentlich kleiner als das älterer Kinder oder Erwachsener, sodass eine wesentlich geringere Reserve an Lungenoberfläche besteht.
Als pulmonaler Surfactant (Surface-active Agent) wird ein spezifisches Stoffgemisch an der alveolären Luft-Wasser-Grenzfläche bezeichnet, das als oberflächenaktive Substanz einen Alveolarkollaps verhindert. Darüber hinaus ist es aber auch an der Resorption von Flüssigkeit aus dem Alveolarlumen in das Interstitium, am Abtransport von Flüssigkeit aus dem Alveolar- bzw. terminalen Luftweglumen trachealwärts sowie an der Steuerung von immunologischen Vorgängen beteiligt ( ? Tab. 1.2).
Funktion
Erläuterung
antiatelektatische Funktion
Erniedrigung der Oberflächenspannung des Flüssigkeitsfilms auf dem Alveolarepithel
antiödematöse Funktion
Flüssigkeitstransport vom Alveolarlumen ins Interstitium
Clearance-Funktion
Flüssigkeits- und Sekrettransport in Richtung Trachea
direkte Abwehrfunktion
Interaktion mit Infektionserregern
immunregulatorische Funktion
Regulation der intrapulmonalen Immunantwort
Steuerung von alveolären Makrophagen
Hemmung von ruhenden Lymphozyten
Scavenger-Funktion
Schutz vor Sauerstoffradikalen
Pulmonaler Surfactant besteht, soweit bekannt, zu etwa 90% aus Lipiden (zum größten Teil Phospholipide), zu...
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