Schweitzer Fachinformationen
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Am Anfang steht der Aufbruch.
Was bedeutet Aufbruch für Sie persönlich?
Ist es eher ein Abschied oder ein Neubeginn?
Ist es eher ein Loslassen oder ein Mitnehmen?
Mit welchem Gepäck machen Sie sich auf den Weg?
Ist es leicht oder wiegt es schwer?
Sind Sie sicher, dass Sie alles benötigen, was Sie mit auf den Weg genommen haben?
Oder könnte man das Eine oder Andere vielleicht auch zurücklassen?
Dr. Vita Wohlleben: "Warum Wellness? Erklärungen für Einsteiger, Kapitel 1: Aufbrechen bedeutet Loslassen",
Seite 2, Wohlleben-Verlag
Frau Maier starrte auf den kleinen Rollkoffer und ihre Handtasche. Sie überlegte, was sie alles eingepackt hatte. Saubere Wäsche, Zahnbürste, Badeanzug und Badeschlappen, ein Nachthemd.
Sie schüttelte den Kopf.
Nein.
Davon hätte sie definitiv nichts zurücklassen können.
Der Zug ratterte und rumpelte durch die Bergtäler.
Obwohl sie natürlich wusste, dass Züge längst mit Strom betrieben wurden, stellte sich Frau Maier vor, wie er auf seiner Fahrt dicke Dampfwolken ausstieß und sich ächzend über die Gleise wälzte. Sie konnte es förmlich sehen, aus der Vogelperspektive: der Zug so klein wie Spielzeug und kaum noch sichtbar unter den dichten, weißen Schwaden, die aus dem Schlot der Lok entwichen. Wie in einem ihrer Lieblingsfilme: Mord im Orientexpress.
Frau Maier musterte ihre Mitreisenden aufmerksam. Wer würde wohl Opfer, wer Täter sein?
Die beiden älteren Damen mit den Wanderstöcken im Gepäck zum Beispiel. Körperlich fit waren sie auf jeden Fall. Konnte man mit Wanderstöcken zuschlagen? Sie betrachtete die festen Eisenspitzen am Ende der Stöcke, die sich tief in den Boden rammen ließen. Vielleicht eher zustechen.
Das junge Mädchen mit den riesigen Kopfhörern auf den Ohren und den halb geschlossenen Augen: Vielleicht hörte sie gar keine Musik, sondern konzentrierte sich auf etwas ganz anderes. Auf den perfekten Augenblick für ein Verbrechen.
Tschu-tschuuuuuu, machte der Zug in Frau Maiers Kopf und stieß neue, dicke Dampfwolken aus.
Was war eigentlich mit dem korpulenten Mann ihr gegenüber los? Er wuchtete sich schon zum dritten Mal mit Mühe aus seinem Sitz und ging leicht schwankend den Gang entlang, Richtung Toilette. Durchfall, schwache Blase - oder andere Abgründe?
". Fahrschein vorzeigen, gnädige Frau, bittedanke!" Frau Maier wurde aus ihren mörderischen Gedanken gerissen und schaute auf. Gnädige Frau, das gefiel ihr. Sie wühlte in ihrer zu großen Handtasche nach dem Zugticket.
"Nur die Ruhe, nur die Ruhe, ich habe heute nichts mehr vor", beruhigte sie der schmächtige junge Schaffner mit dem leichten Oberlippenflaum und dem kleinen, goldenen Ohrstecker und freute sich über seinen kleinen Scherz. Frau Maier betrachtete ihn mit leicht schief gelegtem Kopf. Sie stellte sich vor, wie er in der Dämmerung im immer dunkler werdenden Zug durch die Waggons eilte, verstohlene Blicke über seine Schulter werfend, auf der Suche nach .
Ein Räuspern drang an ihre Ohren. Obwohl er nichts mehr vorhatte, wurde der Schaffner nun doch ungeduldig. Sie reichte ihm das Ticket und er warf einen Blick darauf.
"Die schöne Steiermark!", sagte er. "Viel Vergnügen bei Ihrem Aufenthalt."
Die gnädige Frau sparte er sich dieses Mal.
Schade, dachte Frau Maier.
Noch viel absurder als ihre mörderischen Gedanken war die Tatsache, dass sie überhaupt hier in diesem Zug saß.
Sie, Frau Maier.
In einem Zug, der sie mit jeder ratternden Sekunde weiter weg von ihrem kleinen Haus, der Katze und dem See brachte.
Sie, Frau Maier. Auf dem Weg in den Urlaub. Den ersten Urlaub ihres Lebens.
Wie hatte das passieren können?
Alles hatte mit Elfriede angefangen. Vor einer Woche war sie vom Fahrrad gestürzt und hatte sich das Handgelenk gebrochen. Sofort hatte Frau Maier einen Kuchen gebacken und Elfriede besucht - immerhin war Elfriede Gruber, die die Kauzinger Sparkasse leitete, die einzige Person, die Frau Maier fast schon als Freundin bezeichnete. Innerlich tat sie es jedenfalls. Meine Freundin Elfriede, dachte sie manchmal, und freute sich.
Elfriede hatte einen dicken Gips getragen und ziemlich unglücklich aus der Wäsche geschaut.
"Sechs Wochen krankgeschrieben", berichtete sie kläglich. "Ich hoffe, die kriegen das hin."
Die waren Elfriedes Kollegen und Kolleginnen in der Sparkasse. Elfriedes Verhältnis zu ihnen war zwiespältig: Sie mochte sie zwar von Herzen gerne, aber sie traute ihnen leider nicht allzu viel an Sorgfalt und Kompetenz zu.
"Was sollten die denn da nicht schaffen?", brummte Frau Maier. Doch als sie bemerkte, dass Elfriede wirklich unglücklich aussah, fügte sie hinzu: "Die haben doch von der besten Chefin gelernt!"
Elfriedes Miene hellte sich nur ein winziges Bisschen auf. "Aber das ist ja noch nicht das Schlimmste", jammerte sie und sagte nichts mehr. Elfriede mochte es gerne, wenn ihr Gegenüber nachhakte.
Frau Maier tat ihr den Gefallen. "Was ist denn das Schlimmste?", fragte sie geduldig.
"Der Wellnessurlaub", flüsterte Elfriede und hatte jetzt tatsächlich Tränen in den Augen.
Da fiel es Frau Maier siedend heiß wieder ein. Elfriede hatte ja einen Wellnessurlaub bei einem Preisausschreiben gewonnen und sich darüber gefreut wie eine Schneekönigin. Elfriede liebte Wellness und außerdem war sie sehr sparsam (das war eventuell eine Berufskrankheit). Infolgedessen war diese Kombination - ein Wellnessurlaub ganz umsonst - wirklich der perfekte Gewinn für sie.
"Der Urlaub wäre nächste Woche gewesen, alles ist bezahlt ." Elfriede tastete nach einem Taschentusch und wollte sich schnäuzen. Sie bemerkte, dass das mit einer Gipshand so gut wie unmöglich war, und zog geräuschvoll die Nase hoch.
"Da kann man doch sicher ein Attest einreichen und das Ganze verschieben .", begann Frau Maier.
"Nein", unterbrach Elfriede sie. "Kann man nicht, ich habe schon nachgefragt. Der Gewinn verfällt."
Frau Maier überlegte gerade noch, was sie Tröstendes sagen könnte - da wurde ihr bewusst, dass Elfriede sie schräg von der Seite anschaute und nicht aus den Augen ließ.
Frau Maier hatte sehr gute Antennen für alles, was um sie herum passierte, und in diesem Moment wurde ihr klar, dass das Gespräch gleich noch eine Wendung nehmen würde.
Tatsache.
"Es sei denn ." Elfriede legte wieder eine ihrer Kunstpausen ein.
Frau Maier ließ einige Sekunden verstreichen, seufzte und gab nach: "Es sei denn?", fragte sie.
"Es sei denn, es gibt einen Ersatz", platzte Elfriede heraus und schickte noch ganz schnell hinterher: "Und da dachte ich an Sie."
"An mich? Aber ich mache doch nie Urlaub!" Frau Maier war ehrlich verdattert.
"Eben, aber Sie würden doch eigentlich gerne, wenn Sie ." Elfriede zögerte kurz. "Wenn Sie mehr Rücklagen hätten", umschrieb sie Frau Maiers Finanzstatus dann diskret. Das stimmte. Wer, wenn nicht Elfriede, hätte besser wissen sollen, wie mager die Erträge auf Frau Maiers Sparkonto waren?
"Aber ich war doch noch nie in einem Wellnesshotel .", setzte Frau Maier an.
"Sie werden es lieben. Gutes Essen, bequeme Liegestühle, den ganzen Tag im Bademantel - ich glaube, das wird der perfekte Urlaub für Sie."
Na bravo, dachte Frau Maier. Alles, was ich in Elfriedes Augen will, ist also den ganzen Tag im Bademantel herumliegen und essen.
Sie überlegte kurz. Elfriede hatte recht.
"Das klingt gut, muss ich zugeben", begann sie...
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