Schweitzer Fachinformationen
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»Diese Politik der Kurzlebigkeit von Produkten breitet sich leider zurzeit wie eine Seuche aus.« (Zeitschrift »Elektronik«, 1/2013)
»Gerade in den letzten Jahren kommen immer mehr Produkte auf den Markt, bei denen eine absichtliche Sollbruchstelle eingebaut ist. Wir können Ihre Frage also definitiv bejahen, weil wir schon seit vielen Jahren defekte Geräte von uns und unseren 170 Mitarbeitern selbst reparieren und seit mehr als 27 Jahren elektronische Bauteile und Geräte für die europäische Industrie testen, einschließlich der Lebensdauerprüfungen.« (Edbill Grote, Geschäftsführer HTV GmbH, 2013)245
Geplanter Verschleiß ist eine durch die Hersteller nicht offengelegte Reduzierung der ökonomischen Haltbarkeit von Produkten; er ist ein Absatzinstrument, das der Kategorie der verdeckten Produktverschlechterung angehört. Dadurch, dass er eine verborgene Absatzmaßnahme ist, die von den Herstellern mit Blick auf drohende Umsatzeinbußen oder negative Rechtsfolgen aus gutem Grund strukturell abgestritten wird, liegt es in der Natur der Sache, dass es keine offiziellen Zahlen dazu gibt.
Deshalb soll im Folgenden das Konzept aufgegriffen und näher erläutert werden, das in dem Gutachten »Geplante Obsoleszenz« im März 2013 angewendet wurde.246 Das Statistische Bundesamt veröffentlicht regelmäßig die Zusammensetzung des Warenkorbs der deutschen Verbraucher.247 In dieser Darstellung werden sämtliche Ausgaben der privaten Haushalte in Deutschland nach verschiedenen Produktgruppen gegliedert und angegeben, welchen Anteil die jeweiligen Ausgaben an den Gesamtausgaben haben. Zum Beispiel entfallen 33,20 Promille (3,32 Prozent) aller Konsumentenausgaben auf Bekleidungsartikel, auf Haushaltsgeräte entfallen 9,58 Promille (0,96 Prozent) aller Ausgaben. Nun kann man die einzelnen Ausgabengruppen mit Blick auf das Vorliegen von geplantem Verschleiß durchgehen und kategorisieren. Zu diesem Zweck wurden drei Kategorien gebildet:
1. Produktgruppen, die starkem geplanten Verschleiß unterliegen
2. Produktgruppen, die mäßigem geplanten Verschleiß unterliegen
3. Produktgruppen, die keinem geplanten Verschleiß unterliegen
Für Produktgruppe 1 (starker geplanter Verschleiß) wurde angenommen, dass die Lebensdauer der Produkte durch die Industrie im Laufe der letzten Jahrzehnte künstlich um 50 Prozent vermindert wurde (beispielsweise Reduzierung der Brenndauer von Glühbirnen von 2000 Stunden auf 1000 Stunden). Hierunter fallen nach meiner Einschätzung folgende Produktgruppen (die Zahlen hinter den Produktgruppen geben den Anteil am deutschen Warenkorb in Promille an):
Summe: 112,69 Promille oder 11,3 Prozent aller Ausgaben der privaten Haushalte
Für Produktgruppe 2 (mäßiger geplanter Verschleiß) wurde angenommen, dass die Lebensdauer der Produkte durch die Industrie künstlich um 25 Prozent vermindert wurde. Hierunter fallen nach meiner Einschätzung folgende Produktgruppen:
Summe: 69,46 Promille oder 6,95 Prozent aller Ausgaben der privaten Verbraucher in Deutschland
Für Produktgruppe 3 (kein geplanter Verschleiß) wurde angenommen, dass die Lebensdauer der Produkte durch die Industrie nicht künstlich vermindert wurde. Hierunter fallen beispielsweise Lebensmittel, Dienstleistungen, Miete usw. Auch alle Arten von Verbrauchsbeschleunigern fallen in Produktgruppe 3, da sie breit auf verschiedene Produktgruppen entfallen und daher schwer einzelnen Produktgruppen zuzuordnen sind.
Es ist völlig klar, dass diese Kategorisierung in drei Gruppen (50 Prozent, 25 Prozent, 0 Prozent geplante Obsoleszenz) eine sehr grobe Vereinfachung darstellt, dass das Zuordnen der verschiedenen Produktgruppen in die drei Kategorien anzweifelbar ist und dass nicht sämtliche Produkte innerhalb der Produktgruppen dem entsprechenden Grad an geplantem Verschleiß unterliegen. Kurz: Es ist klar, dass dies nur eine holzschnittartig grobe Schätzung ist, bei der man mit Recht viele Details kritisieren kann. Es ist eine erste Schätzung, da es bislang keine wissenschaftlichen Untersuchungen zu diesem Thema gibt.
Nach obiger Aufstellung entfallen gut 11 Prozent aller Konsumentenkäufe auf Gegenstände, die starkem geplantem Verschleiß unterliegen, sieben Prozent auf Gegenstände, die schwachem geplanten Verschleiß unterliegen und etwa 82 Prozent der Konsumentenkäufe unterliegen keinem geplanten Verschleiß. Diese Schätzung ist meines Erachtens sehr konservativ, da die Annahme, dass 82 Prozent aller Käufe von Verbrauchern keiner geplanten Obsoleszenz unterliegen, wohl sehr optimistisch ist. Man kann vermutlich davon ausgehen, dass das Volumen der Käufe durch Endverbraucher, das geplantem Verschleiß unterliegt, in Wirklichkeit deutlich höher liegen dürfte.
Nimmt man die oben genannten Zahlen, so erhält man folgendes Bild zur Verbreitung von geplanter Obsoleszenz in Deutschland: Die Konsumausgaben der privaten Haushalte in Deutsch land beliefen sich im Jahr 2012 auf 1 442 Milliarden Euro.248 Hiervon entfielen nach obiger Aufstellung 11,3 Prozent auf Gegenstände, die starkem geplanten Verschleiß unterliegen (um 50 Prozent verminderte Produktlebensdauer), das entspricht etwa 163 Milliarden Euro. Da die Lebensdauer dieser Produkte annahmegemäß künstlich um 50 Prozent reduziert ist, müssen diese Güter doppelt so häufig gekauft werden wie nötig. Bei Produktion von soliden Gütern statt solcher, die vorzeitig ausfallen, müssten die Verbraucher nur halb so viele, dafür doppelt so lange haltbare Güter kaufen.249 Also werden den Konsumenten 81,5 Milliarden Euro Kaufkraft, 50 Prozent von 163 Milliarden Euro, künstlich entzogen für vorzeitige Produktneukäufe.
Auf Gegenstände, die schwachem geplanten Verschleiß unterliegen (um 25 Prozent verminderte Lebensdauer), entfallen demnach derzeit etwa sieben Prozent aller Einkäufe der Verbraucher, das entspricht etwa 100 Milliarden Euro pro Jahr. Die Gegenstände dieser Käufe in Höhe von 100 Milliarden Euro haben laut Annahme eine um 25 Prozent künstlich verminderte Lebenszeit, das entspricht etwa 25 Milliarden Euro pro Jahr an Kaufkraft, die uns Konsumenten durch geplante Obsoleszenz für vorzeitige Produktneukäufe entzogen werden.
Addiert ergeben sich damit etwa 81,5 Milliarden Euro plus 25 Milliarden Euro, entspricht 106,5 Milliarden Euro, die uns Verbrauchern durch Manipulationen der Industrie entzogen werden. Bezogen auf 1 442 Milliarden Euro Ausgaben pro Jahr entspricht dies gut sieben Prozent Kaufkraftentzug. Anders gesagt: Etwa jeder vierzehnte Euro, den wir Konsumenten ausgeben, ist obsolet, etwa für jeden vierzehnten ausgegebenen Euro bekommt der Verbraucher heute keinen Gegenwert. Von uns allen werden etwa 106 Milliarden Euro mehr als nötig jedes Jahr für Käufe ausgegeben, weil die Haltbarkeit von Gegenständen im Laufe der letzten Jahrzehnte sukzessive künstlich reduziert wurde. Bezogen auf die etwa 80 Millionen Einwohner in Deutsch land entspricht dies 1 325 Euro pro Kopf und Jahr, vom Säugling bis zum Greis. Also jedem Einwohner werden pro Monat derzeit über 110 Euro durch geplante Obsoleszenz entzogen.
Durch die verdeckte, künstliche Verkürzung der Produktlebensdauer muss für ein gegebenes Güterangebot mehr...
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