Schweitzer Fachinformationen
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»Wieso hat der greisliche Pfuideifi mich gfragt, ob ich was von ihm wissen will, wegen dem Brandl Toni?«
Seine Vermieterin schmunzelt.
»Des weißt du ned? Ich denk, du bist Kriminaler.«
»Oiso komm scho.«
»Also der Hambacher ... na, ich fang anders an. Als die Anni wieder aus Indien zruck war, ist sie bei der alten Krammbichler eingezogen. Die konnt nimmer so richtig, körperlich, und die Anni hat sie versorgt. War ja auch ein großes Haus, da hat sie ihre Ruh ghabt. Die Krammbichlerin - längst auf dem Friedhof übrigens -, derer ihr Mann war einmal Bürgermeister nach dem Krieg - von der ist die Anni eine entfernte Großnichte oder so was gewesen - frag mich ned wie verwandt - und der Hambacher war ihr Neffe. Sie hat noch einen Sohn gehabt, aber der ist beim Holzmachen umgekommen, schon vor zwanzig Jahr.
Und der Hambacher wiederum war mit der Erste, der dem Toni die Pest an den Hals gewünscht hat damals. Tobt hat er, und zwischen ihm und den Brandls herrscht immer noch ein sauberner Streit. Wenn ich Polizist wär, das wär auch ein heißer Kandidat.«
Dem Sandner verwickeln sich allmählich die Geschichten im Hirn. Die Leut, ob lebendig oder längst verblichen, springen umanand wie die Schafsböcke im Frühling. Auf einem Blockblatt versucht er sie festzuhalten. Alle Toten kriegen ein schwarzes Kreuz dazu.
»Stimmt es so?«
»Ja, ungefähr. Der Hambacher hat noch eine Frau - die sieht man nie auf der Straß - und zwei Söhne. Einen kennst ja scho, der andere geht in Murnau in die Lehre.«
»Leckomio, da soll man noch durchsteigen? Da sag ich Dankschön fürs Durcheinanderbringen.«
»Gern geschehen.«
»Und das mit dem Hambacher sagst du ned bloß so daher, weil du eine Rechnung offen hast?«
»Na, da kannst du jeden im Ort fragen, so war's und ned anders. Aber stimmt scho - ich hätt mehrere Rechnungen mit dem offen.«
»Wie meinst des?«
»Willst du des wirklich wissen? Spielt ja keine Rolle, wegen dem Brandl oder so.«
»Freilich.«
»Weißt, warum der Hambacher auf den Maxi so losgeht? Weil er es bei mir probiert hat. Rumstrawanzt is er um mich, wie ein ranziger Kater. Und am ersten Mai hat er versucht ...«
»Was?«
»Abgrabschen hat er mich halt wollen. Seine stinkerten Drecksbratzen hat er nimmer unter Kontrolle gehabt, und herschmusen wollt er mich. Auf'd Nacht, draußen beim Maifest, wie ich heimgehen wollt. Besoffen war er, gestunken hat er wie ein Bierfassl. Wenn der Helfer vom Pfarrer ned zufällig gekommen wär ...«
»Was? Hat er dich vergewaltigen wollen?«
»Wollen vielleicht scho. Aber wenn der Ferdl ned dazukommen wär, hätt ich den Kerl so zamgrichtet, der hätt sich im Spiegel nimmer erkannt. Die Augen hätt ich dem auskratzt, des schwör ich dir. Und sei Frau wär kalt und frigide, hat er gewoiselt, und arm dran wär er und Blablabla von hint bis vorn. Kein Wunder, dass es der vor ihm graust - schau ihn dir an, die Sau.«
Dem Sandner kommt ein Lachen aus.
»Wieso lachst du dadrüber? Lachst du mich aus, oder was?«
»Na, hat nix mit dir zu tun. Weißt doch, es gibt so Leut, so richtige gscherte Drecksäu. Denen traut man wirklich alles zu, denen könnst du alles in die Schuhe schieben. Schon wenn du sie bloß anschaust oder Sprüch klopfen hörst, weißt du Bescheid. Im Film sind die immer schwarzhaarig und ham des verhauteste Gestrüpp im Gesicht. Der Hambacher is so ein Hundshäuterner. Der is bestimmt scho als kloaner Schoaßer jeder Katz auf den Schwanz getrampelt und hat dazu dreckig gelacht. Schad, dass es die Hambachers im richtigen Leben dann meistens gar ned gewesen sind, wenn du einen Täter suchst - die tätst du wenigstens gleich erkennen. Die verstellen sich ned. Meistens war es doch das blonde Rauschgoldengerl, das immer daherschmeichelt wie ein Samtdeckerl. Scho blöd. Warum hast du den Hambacher ned anzeigt?«
»Mei - weil da Wort gegen Wort steht. Weißt eh - ich hätt's falsch verstanden oder so gewollt. Is halt scho a Maz, die geschiedene Mayer. Irgendwas bleibt immer hängen, da machst du besser kein Brimborium, sonst stehst am End als Hur da. Wer weiß, was der sonst no daherbringt. Auch wenn er ned arg beliebt ist.«
Der Sandner denkt an Hambachers Andeutungen. Ja, wer weiß, was der noch in der Hinterhand hat. Offenbar ein Patt zwischen den beiden.
»Außerdem hat er's danach nimmer probiert«, fährt die Frau fort, »zumindest nimmer so - ich könnt ihn ja immer noch hinhängen oder seiner Frau was stecken. Falls des die überhaupt interessiert - ich glaub ned. Aber da bleibt das Zamperl brav im Zwinger. Seinen Schorsch und dessen Spezln lässt er stattdessen auf den Maxi losgehen. Des mit der Nase geschieht dem gscheit recht, auch wenn ma ned allerweil draufhauen muss. Des bringt ja auch nix.«
Diesbezüglich hätte der Sandner eine alternative Theorie im Fundus. Dazu müsste man »nix« genauer definieren. Besser, er lässt es auf sich beruhen.
Sie will ihm noch einmal nachschenken, aber der Münchner winkt ab. Nicht, dass er alle Gestalten doppelt präsent hat. Um solchen Geschichten nachzuspüren, brauchst du einen klaren Schädel. Aktuell hätte er ein paar Fragen an den Hambacher senior auf Lager. Der wird sich narrisch freuen.
Stichwort Freude. Die Murnauer Kollegen dürften sich mit dem unberechenbaren Grainer abhakeln, zwecks DNA-Probe. Gaudibursch ist das keiner. Könnte leicht passieren, dass der Alte zum Holzscheit greift. Da setzt der Sandner auf die Einfühlsamkeit der hiesigen Gendarmen. Er wird bei ihm natürlich noch aufschlagen, wegen der samstäglichen Zugfahrt - und weil er gern gewusst hätte, warum die Anni partout nicht mehr zu Hause wohnen wollte. Wobei er aus Erfahrung weiß, dass es viele Antworten drauf gäb oder keine gescheite.
Seine Sanne hat es zwar offiziell der Liebe wegen nach Wien gezogen, aber er hat den Verdacht, dass die Distanz ihr schon zupass kommt. Wenn die Küken flügge werden, solltest du nicht das Nistkasterl verriegeln, selbst wenn dir die Sorgenfaust die Seele quetscht. Davonfliegen müssen sie dürfen, sonst rupft man sich die Federn gegenseitig aus wie die damischen Knasthühner.
Im Auto legt er sich Leonard Cohen ein, ein Konzert aus London. Zwei Lieder lang fährt er bis zum Haus der Krammbichlerin. »Get ready for the future, it is murder.«
Er lauscht der sonoren Stimme und schaut aus dem Fenster. Eine Pension ist mittlerweile aus Annis letzter Behausung geworden, den Renommier-Gefährten auf dem Parkplatz siehst du an, dass hier die Geldigen kurzzeitig dem Kampfesgetümmel von »Bull and Bear« entsagen. Wird nix helfen, die Raffsucht kannst du mit einem Moorbad nicht lindern. Da quälst du dich höchstens mit der Frage herum, ob die asiatischen Märkte für den Heilschlamm bereit wären. Ja, das schwarze Gold. Wobei, klimatisch besehen werden sich viele Regionen auch zukünftig über einen Mangel an Schlamm nicht beklagen dürfen, in den sie eintauchen bis zum Schopf samt ihrer kargen Habe. Nicht grad heilend, nicht einmal heilsam, aber exportieren brauchst du denen nix in ähnlicher Konsistenz. Sauberes Wasser wär ein Anfang.
Er steigt aus und schlendert die Straße entlang. Ein paar lachende Kinder auf Mountainbikes überholen ihn, werfen ihm ein »Grüß Gott« zu wie einen bunten Ball.
Eine ruhige, heimelige Gegend. Herbstliche Geranienpracht auf den Balkonen, die Vorgärten noch üppig begrünt, die Fassaden mit bäuerlich-idyllischen Wandmalereien verziert.
Die Anni muss eine ganz Patente gewesen sein. Wer weiß, wo die Krammbichlerin sonst gelandet wäre für ihre letzten Tage. Der Senior Neffe schaut nicht danach aus, als ob er ein fürsorgliches Händchen hätte. Aber der erste Eindruck könnt dich auch in den Wald führen. Du kannst ja nicht gleich neischauen in die Leut. (Der Doktor Aschenbrenner hätte dazu allerdings eine konträre Meinung.) In manche Leut willst du natürlich auch nicht neistarren, weil's Programm wie bei der Glotze wäre. Ein kitschig-klebriger Brei, der dir ins Hirn tropft. Auch ein Schlamm, der Geld bringt in der Heile-heile-Segen-Welt.
Der Sandner steigt wieder ein und macht sich auf zum Hambacher. Der Cohen darf samt Chormädchen noch ein paar Töne trällern, dann parkt der Polizist um die Ecke des Hambacher-Domizils. Déjà-vu. Als wär er nicht grad vier Straßen weitergefahren. Beschauliche Ruhe. Ein händchenhaltendes Mitvierzigerpärchen mit wappenbespickten Wanderstöcken lächelt ihm zu, wie es vorbeimarschiert, synchrones »Guten Tag« inklusive.
Durchs Gartentürl hatscht er den gekiesten Weg entlang und läutet. Nix rührt sich. Oder doch? Im ersten Stock scheint sich eine Gardine bewegt zu haben, aber vielleicht nur eine Katz auf dem Fensterbrett. Die Tür bleibt ihm jedenfalls verschlossen. Dann muss er halt am späten Abend wieder her.
Solche Geduld müsste die Wiesner auch aufbringen können mit der Frau Leistner. Aktuell ist ihr die abhandengekommen.
»Waren Sie beim Herrn Brandl auch daheim?«, fällt sie mit der Tür ins Haus.
Die Frau nippt von ihrem Tee. Zeitgewinn.
»Wie kommen Sie darauf?«
»Gut, ich geh jetzt einfach amal davon aus.«
Schweigen.
»Waren Sie am Samstag auch bei ihm?«
Kopfschütteln. Sie seufzt tief auf. »Wenns Zeit haben, versuch ich's zu erklären, aber ...ob Sie das nachvollziehen können, weiß ich nicht.«
»Ich auch ned. Aber Zeit hab ich, deswegen bin ich da. Und nachvollziehen muss ich gwies ned alles, mir...
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