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In der Gestaltungsforschung folgt nach der Problempräzisierung die Erarbeitung des theoretischen Bezugsrahmens als Grundlage für die Entwicklung von vorläufigen Gestaltungshypothesen (Euler 2014b, S. 26; McKenney und Reeves 2012, S. 133-134). Dieses notwendige Fundament wird gelegt, indem die bedeutungsgeladenen und klärungsbedürftigen Begriffe wie , , und theoretisch erörtert werden, um daraus jeweils ein explizites forschungsleitendes Begriffsverständnis formulierten zu können (Teil B: 1).
Ausgehend von dieser theoretischen Fundierung werden anschliessend der theoretische Bezugsrahmen sowie die der empirischen Umsetzung zugrunde gelegten Gestaltungsannahmen erarbeitet (Teil B: 2).
Im ersten Teil dieser Arbeit wurde das Forschungsziel formuliert, Gestaltungsprinzipien der Lernkulturentwicklung zur Agilitätssteigerung zu erarbeiten. Agilität wurde dabei im Sinne von organisationaler Veränderungsfähigkeit dem Konzept der lernenden Organisation gleichgesetzt (Teil A: 2). Ausgehend von dieser Zielsetzung drängt sich bereits unabhängig von der (organisations-)theoretischen Vielfalt eine Begriffsklärung von Lernkultur sowie lernender Organisation auf. Da beide Begriffe elementar vom Organisationsverständnis abhängen (Argyris und Schön 1999, S. 22; Feld 2010b, S. 47; Franz und Stadler-Altmann 2013, S. 60-61) gilt es zuerst, die Organisation als solche zu definieren (Teil B: 1.1).
Anschliessend wird das forschungsleitende Verständnis zum organisationalen Lernen geklärt, weil eine lernende Organisation nicht nur vom Organisationsbild, sondern auch von der Vorstellung geprägt ist, ob und wie Organisationen lernen können (Teil B: 1.2).
Nach Klärung der Begriffe der Organisation und des organisationalen Lernens kann schliesslich das forschungsleitende Verständnis von lernender Organisation als Synonym der agilen Organisation ausgearbeitet werden (Teil B: 1.3). Durch die Definition der lernenden Organisation wird das Zielbild für die Lernkulturentwicklung deutlicher. Damit ist die nötige Grundlage geschaffen, um auch die Lernkultur (Teil B: 1.4) auf Basis einer theoretischen Herleitung forschungsleitend zu definieren.
In diesem Kapitel wird das forschungsleitende Organisationsverständnis geklärt, indem zuerst ein Überblick zu Organisationstheorien gegeben wird, die unter der leitenden Epistemologie anschlussfähig sind (Teil A: 4.2). Diese Vorstellung einzelner Organisationskonzepte soll dazu dienen, das forschungsleitende Verständnis im zweiten Unterkapitel erläutern und begründen zu können. Aus diesem Grunde ist der Überblick keineswegs vollständig, sondern intendiert vielmehr die nachvollziehbare Herleitung des forschungsleitenden Verständnisses.
Wenngleich der gemässigte Konstruktivismus nicht explizit vorschreibt, welche Organisationstheorie verwendet werden soll, so kristallisiert sich aus der normativen Basis ein Kanon anschlussfähiger Organisationsverständnisse heraus. Dementsprechend nehmen die vom Konstruktivismus verwendeten Zugänge stets die über-individuelle Komplexität von Organisation auf und wenden sich damit von einem mechanischen Bild der Organisation ab, wie es noch der Bürokratieansatz nach Weber (1972) oder der Scientific-Management-Ansatz von Taylor (2006) skizzierten (Hartz und Schardt 2010, S. 22). Am häufigsten finden sich in konstruktivistisch geprägten Forschungsvorhaben Organisationsverständnisse, die sich an der Systemtheorie orientieren (Geissler 2009, S. 240; Göhlich und Tippelt 2008, S. 633-636; Schäffter 2005, S. 77; Zech 2017, S. 2). Aber auch andere Organisationsverständnisse wie beispielsweise die Praxeologie (Elven und Schwarz 2017, S. 80; Feld und Seitter 2016, S. 63) oder die Akteur-Netzwerk-Theorie (Koller 2016, S. 107-108; Pätzold 2017, S. 2) sind relativ verbreitet.
Diese drei Organisationstheorien sollen im vorliegenden Kapitel kurz vorgestellt werden. Damit sind nicht alle Organisationstheorien genannt, die in der konstruktivistischen Forschung vertreten werden. So fehlen u. a. die kulturtheoretische Perspektive (Engel 2017, S. 5-6; Göhlich und Tippelt 2008, S. 633-636) oder auch der Neo-Institutionalismus (Eichler 2008, S. 109; Geissler 2000, S. 48; Göhlich und Tippelt 2008, S. 633-636). An dieser Stelle ist es allerdings nicht das Ziel, eine systematische und umfassende Aufarbeitung aller vorhandenen Organisationstheorien zu liefern. Vielmehr soll lediglich eine Basis geschaffen werden, mittels derer anschliessend das forschungsleitende Organisationsverständnis aufgebaut und begründet werden kann.
Der systemtheoretische Ansatz ist für die vorliegend konstruktivistisch ausgelegte Forschung eine vielversprechende Theorie, da sie die Komplexität von organisationalen Realitäten ganzheitlich zu adressieren versucht, statt sie mechanisch in Einzelteile zu zerlegen (Bergmann und Daub 2006, S. 48; Feldman und Orlikowski 2011, S. 1; Reinfandt 2011, S. 289). Dies ist nicht völlig überraschend, ist doch der systemische Blick auf die Welt jenem des Konstruktivismus verwandt: «Systemisch zu denken und zu handeln bedeutet [.], sich der Konstruiertheit des eigenen Beobachtens und Denkens stets bewusst zu sein und anzuerkennen, dass unser Beobachten und Denken weder einfach 'wahr' noch völlig beliebig ist, sondern bestimmten, historisch gewachsenen und kulturell-kommunikativ vermittelten Denkformen folgt.» (Rüegg-Stürm und Grand 2014, S. 34)
Als ein Ursprung des Systemansatzes wird die Arbeit des Biologen Ludwig von Bertalanffy genannt, der in den 1950er Jahren Organisationen mit (biologischen) Organismen verglich (Baumgartner 2006, S. 43-44). Seither wird die Systemtheorie hauptsächlich aus der soziologischen Perspektive weiterentwickelt, wobei vor allem Luhmann (1984) als prägende Figur zu nennen ist (Baumgartner 2006, S. 43-44; König und Volmer 2016, S. 13). Die Terminologie des Systems bedeutet im Kern, dass «ein Ganzes [.] im Zusammenwirken seiner Teile existiert» (Reinhardt 2014, S. 31). Die Organisation als System definiert sich dabei durch die Differenzierung zu ihrer Umwelt (Baumgartner 2006, S. 44; Zech 2017, S. 3-4). Für Luhmann (2000, S. 37) «existiert [ein Organisationssystem] nur dadurch, dass es sich von seiner Umwelt unterscheidet». Durch die Differenzierung zur Umwelt konstituiert sich ein System also quasi selbst, wobei auch die Umwelt nichts Gegebenes ist, sondern von der Organisation durch diese Unterscheidung konstruiert wird (Zech 2017, S. 3-4).
Die Ausdifferenzierung gegenüber der Umwelt findet nicht einmalig statt, sondern ist eine permanente Aushandlung, bei der Irritationen (sogenannte Perturbationen) von aussen in das System eindringen und dort Entscheidungen provozieren (Schunter und Zech 2013, S. 116; Zech 2017, S. 3-4). Organisationale Systeme reproduzieren sich deshalb stetig, weil «sie immer wieder eine Unterscheidung zwischen System und Umwelt herstellen bzw. diese Unterscheidung aufrechterhalten» (Köster 2015, S. 49). Diese selbstreferenzielle Reproduktion ist ein konstitutives Merkmal sozialer Systeme und wird genannt (Baumgartner 2006, S. 44; Wimmer 2011, S. 537-539). Es bedeutet, dass sich die Organisation selbstständig (weiter-)entwickelt, indem sie die «Differenz von System und Umwelt in sich hinein [kopiert] und [.] als Prämisse eigener Operationen [verwendet]» (Luhmann 1992, S. 216).
Als Bezugspunkt der selbstreferenziellen Reproduktion durch Entscheidungsprozesse dient der Organisation ein Sinnsystem als kausale Isolierung (Dimbath 2009, S. 66). Diese normative Orientierung wird durch die permanente Auseinandersetzung von System und Umwelt verstärkt (Köster 2015, S. 49), wobei das System stets entscheiden muss, was relevant ist und was nicht bzw. was/wer zum System gehört und was/wer nicht (Luhmann 2000, S. 63). Solange ein System diese Ausdifferenzierung vornimmt respektive vornehmen kann, existiert es (Bertram, Hauser et al. 2014, S. 69-70; Köster 2015, S. 50). Entscheidungen sind deshalb die Grundlage der organisationalen Existenz.
Im Gegensatz zum verbreiteten Alltagsverständnis sind Entscheidungen in der Luhmannschen Systemtheorie allerdings nicht individuelle Entschlüsse (Reinhardt 2014, S. 177), denn im systemtheoretischen Ansatz steht nicht das Individuum als solches, sondern die Kommunikation im Zentrum der Betrachtung. Nach Luhmann (1997, S. 118) ist es nicht der Mensch, der kommuniziert, sondern die «Kommunikation kommuniziert». Menschen sind in dieser Perspektive lediglich eine «Adresse der organisationalen Kommunikation» (Zech 2017, S. 4) und Entscheidungen in diesem Verständnis somit «spezifische Kommunikationsereignisse» (Wimmer 2011, S....
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