Schweitzer Fachinformationen
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Über das Aufwachsen im Gemeindebau
HERBERT: Fußballspielen war schon als Bub alles für mich, darin sind wir uns wieder einmal ziemlich ähnlich. Mein Vater war Arbeiter, die Mutter Aufräumerin. Hätte mein Großvater nicht etwas zur Miete unserer Zwei-Zimmer-Wohnung beigesteuert, wäre es finanziell eng geworden. Vom Urlaubfahren in den Ferien war keine Rede, also bin ich mit den Freunden aus dem »Bau« Hasenleiten kicken gegangen, so oft es ging. Ein Klo hatten wir in der Wohnung, aber kein heißes Wasser. Abends hat Opa am Herd Wasser gewärmt, damit sich alle im Lavour waschen konnten, so gut es ging. Ich war jeden Abend hundemüde vom Fußballspielen. Schließlich habe ich bereits als Zehnjähriger zum Teil gegen Zwölf- oder Fünfzehnjährige gespielt, je nachdem, wo gerade ein Platz in einer Mannschaft frei war. Die Grätzl, also die Stadtviertel, sind gegeneinander angetreten, der Siegespreis war eine Literflasche Cola, die Verlierer mussten am Ende zusammenzahlen. Habe ich gegen Ältere gespielt, musste ich besonders flink sein und auch einiges einstecken. Sehr oft haben die Spiele nicht auf einer Wiese stattgefunden, sondern auf Erdboden mit Steinen und Splitt. Wehe, ein Jüngerer hätte nach einem Foul geweint, weil er sich das Knie aufgeschlagen hat. Ich habe einmal kräftig am Bein geblutet und wollte schreien, so weh hat es getan. Aber ich machte keinen Mucks, weil ich sonst wohl nie wieder mitspielen hätte dürfen.
HANS: Da ging's um die Ehre, logisch. Wer wollte schon ein Weichei sein? Ich habe mich auch ordentlich angestrengt und im Park oft »Servierer« gespielt, also über die gesamte Breite hin und her geflankt, und zwischendurch hatten wir Matches mit den anderen Grätzlbuben. Ich gehörte zum Loquaipark, und der hat etwa gegen den Esterházypark gespielt. Acht gegen acht. Gekickt haben wir bis zum Einbruch der Dunkelheit. Im Sommer ging's bis neun am Abend, im Winter so lange, bis im Loquaipark die Laternen angingen. Dann rannte ich nach Hause. Aufgewachsen bin ich in einem hundert Jahre alten Haus in Mariahilf, in einer Drei-Zimmer-Wohnung mit wunderschönem Innenhof. Unser WC war am Gang. Natürlich war mir alles rundherum egal, weil ich nur Fußballspielen im Kopf hatte. Heim von der Schule, Mittagessen, die Aufgabe hingefetzt, ab in den Park, so ging das die ganze Woche, Tag für Tag. Ich verrat dir noch was: Um ein Haar wäre ich nicht Stürmer und Rapids Jahrhundertspieler geworden, sondern Tormann. Wenn ich mitspielen durfte, haben mich die Älteren gern ins Goal gestellt, weil bekannt war: Der Hansi schmeißt sich auf den Boden, wenn es sein muss, egal ob auf Steine oder Beton. So verrückt war ich, musst du dir vorstellen. Ich behaupte noch heute, Torhüter haben einen Vogel. Ich meine das aber nicht so böse, wie es klingt, du musst gar nicht so schauen! Zum Glück habe ich die Kurve gekratzt und bin Mittelstürmer geworden.
Über die Eltern
HERBERT: Ehrlich, eine schönere Kindheit als in Simmering hätte ich mir nicht vorstellen können, obwohl ich alles andere als im Wohlstand aufgewachsen bin. Wenn kein Fernseher dasteht, kann er dir auch nicht fehlen, so einfach ist das. Gleichzeitig habe ich gespürt: Sowohl meine Eltern als auch der Großvater, der bei uns wohnte, tun alles, damit es mir gutgeht. Und die eine oder andere Dummheit habe ich mir schließlich auch geleistet. Beim Badengehen in Schwechat jagte ich meinem Vater gerne einen Schrecken ein. Ich wusste, er kann nicht schwimmen, und bin deshalb ins tiefe Becken gesprungen, um ihm Angst zu machen, weil er mir im Notfall nicht hätte helfen können. In Gefahr war ich nicht, weil ich aus dem tiefen Wasser gleich ins seichte hinübertauchte und mich dort hinter anderen Kindern versteckte. Während mein Vater also am Beckenrand nervös nach mir Ausschau hielt, lachte ich mir ins Fäustchen. Total idiotisch, ich weiß. Ich war 13 oder 14 Jahre alt und gut schwimmen konnte ich damals noch nicht. Wenn ich nach einiger Zeit aus dem Wasser stieg, konnte ich meinem Vater die Erleichterung ansehen. Ein bissl böse war er klarerweise auch, was ich heute gut verstehen kann. Ich sag dir eins: Hätten meine Töchter dasselbe mit mir gemacht, wäre ich vermutlich tausend Tode gestorben.
HANS: Ähnlich große Sorgen hat sich wohl auch mein Vater gemacht, als ich mit 14 Jahren gemeinsam mit Freunden ein Ländermatch im damaligen Praterstadion besuchte. Nach Matchende hatte einer meiner Spezis kein Geld mehr für eine Straßenbahnkarte und ich beschloss, ihn auf dem Heimweg zu begleiten. Es war spätabends gegen halb elf, als wir endlich bei seiner Wohnung ankamen und ich die letzten Meter bis zu mir nach Hause in Angriff nehmen konnte. Als ich um die Ecke bog, stand mein Vater bereits mit hochrotem Kopf auf der Straße. »Warte, was passiert, wenn du heimkommst«, rief er mir wütend entgegen. Ich war mir sicher, es würde eine Tracht Prügel geben, und beschloss, auf der Straße zu warten, bis er sich beruhigt hatte. Später gesellte sich sogar meine Mutter zu mir, und ich erklärte ihr, was der Grund für meine Verspätung war. Wir hofften beide, dass mein Vater bald zur Ruhe kommen würde. Irrtum! Als ich eine Stunde später in mein Zimmer schlich, wartete er bereits und es gab die unvermeidlichen Watsch'n. »Mach das nie wieder«, drohte er. Heute kann ich's ihm nicht verdenken, denn mir ist klar, wie groß seine Sorge gewesen sein muss, mir könnte etwas Ernsthaftes zugestoßen sein.
HERBERT: Wobei die Zeiten sich ja komplett geändert haben: Heutzutage hat beinahe jedes Kind ein Handy und ruft an, wenn Unvorhergesehenes passiert. Damals hättest du zwar zu einer Telefonzelle gehen können, aber man wollte ja nicht vor den Freunden blöd dastehen, ich kenne das. Apropos: Dumm aus der Wäsch' geschaut habe ich zumeist, wenn die Mutter mit mir zum Friseur ging. Auf dem Weg dorthin bettelte ich, sie möge meine Haare nicht zu kurz schneiden lassen. »Mach dir keine Sorgen, Berti«, versuchte sie mich zu beruhigen. Aber als ich dann mit diesem berühmten Umhang auf dem Sessel saß, schwante mir Böses. Meine Mutter deutete dem Friseur, wo er überall Hand anlegen müsste, und ich bin in hübscher Regelmäßigkeit mit einer Stoppelfrisur nach Hause getrottet. Ich war sauer, das kannst du mir glauben!
HANS: Frag mich nicht, wie es mir beim Haarschneider ergangen ist! »Hansi, du musst zum Friseur«, befahl der Vater. Und ich marschierte zu einem Typen, den ich gehasst habe. »Der Vater schickt mich«, sagte ich im Salon, »bitte nicht zu kurz und hinten ein Packl lassen, also gerade abschneiden.« Dem wurde Folge geleistet, aber als mein Vater abends heimkam, gab's Zores. »Hansi, was soll das?«, fragte er, und am nächsten Tag saß ich in Begleitung der Mutter neuerlich beim Figaro. »Nehmen Sie gleich die Maschine«, fackelte die Mutter nicht lange. Ratzfatz waren die Federn weg und der Hinterkopf kurz geschoren. Wenn ich daran denke, wie wichtig mir die Haarpracht vor mehr als fünfzig Jahren war und wie sehr ich mittlerweile meinen Kurzhaarschnitt liebe, muss ich schmunzeln. Wenn ich im Sommer in Jesolo im Salon meines Freundes Luciano sitze, grinst der und fragt nur: »Stile estate?« Und ich antworte: »Si, tutto estate!« Ja, schön kurz, im Sommer-Look.
Über die Schule
HERBERT: Wichtiger als die Frisur war es für die Eltern, dass wir in der Schule durchkommen, und diesen Wunsch habe ich ihnen in der Hauptschule Simmering problemlos erfüllen können. Ein Schuljahr wiederholen wollte ich keinesfalls, das wäre ein verlorenes Jahr gewesen. Aber mit vierzehn wäre ich einmal beinahe von der Schule geflogen. Pass auf: Ich und ein paar andere Schüler schießen in der Pause im Klassenzimmer einen nassen Schwamm durch die Gegend. Gerade als ich in Aktion bin, schaut der Religionslehrer bei der Tür herein, kommt auf mich zu und gibt mir, ohne ein Wort zu sagen, eine Ohrfeige. Zu allem Überdruss musste ich mit roter Backe noch zum Herrn Direktor, der meine Mutter hereinbestellte und mir mit dem Rauswurf drohte. Zum Glück stand meine Mutter aber auf meiner Seite. »Sie wollen meinen Sohn rauswerfen? Wissen Sie was, ich gehe zur Polizei und zeige den Vorfall an!« Damit hatte der Direktor offenbar nicht gerechnet und gab sich im Handumdrehen versöhnlich. »Also gut: Herbert bleibt an der Schule, und Sie vergessen die Anzeige.« Meine Mutter war einverstanden. Alles paletti. Mit dem nassen Schwamm hat mich jedenfalls nie mehr jemand gesehen, und die Schule habe ich nach Plan abgeschlossen. Religion ist sowieso nie mein Lieblingsfach gewesen. Wusstest du, dass ich einige Zeit im Schulchor gesungen habe? Wirklich, kein Schmäh! Mein Klassenvorstand erzählte, es werde Nachwuchs gesucht, und ich habe eines gleich gekneißt: Wer im Chor singt, kriegt für Auftritte immer wieder unterrichtsfrei. Statt drei Stunden Deutsch zu büffeln, wäre ich mit dem Chor unterwegs. Das fand ich super, sehr super sogar! Ich meldete mich also zum Vorsingen an. Gewünscht war das Lied »Rote Rosen am Hügel, rote Beeren am Hang«. Genau diese beiden Sätze sang ich dann, den weiteren Text kannte ich nicht. Ich habe einfach weitergeträllert. Na, was glaubst? Die haben mich genommen! Die Frau Chorleiterin meinte zwar, vom Text hätte ich keine Ahnung, aber die Stimme sei brauchbar. In der Folge ging ich fleißig zu den Proben, während meine Klassenkameraden sich mit Matheaufgaben plagten. Wir sind in der Weihnachtszeit sogar in Pensionistenheimen oder bei Schulveranstaltungen aufgetreten. Ich erinnere mich vor allem daran, wie besessen unsere Musiklehrerin dirigierte. Bei manchen Auftritten...
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