Schweitzer Fachinformationen
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Mein Bruder und ich sind ein Bagger, mein Bruder und ich sind der Mannschaftsgeist.
»Buddeln! Schaufeln! Festdrücken!«
Mein Bruder buddelt, schaufelt, drückt fest.
Ich buddle, schaufle, drücke fest.
Unsere Geschwisterlichkeit ist die Einheit und unsere Kameradschaft der Wahnsinn.
»Mensch, was für ein Lehm!«
Ich gebe Gas. Kann keinen klaren Gedanken fassen.
»Mehr Erde!«
Auch mein Bruder gibt Gas. Das ist das pure Glück.
»Mach!«
Viele Kämpfe wurden verloren, weil Menschen in ihrem Wahnsinn keine Gefährten hatten.
»Mach schon!«
Falsch. Viele Kämpfe wurden verloren, weil Menschen Gefährten von Wahnsinnigen waren.
»Du bist dran!«
Die Sonne droht hinterm Wald zu verschwinden, und auf uns warten noch acht Bäume.
»Ich spür den Arsch nicht mehr«, seufze ich.
»Du hast doch gar keinen«, lacht mein Bruder.
Wir buddeln, schaufeln, drücken fest und brechen in Lachen aus.
»Auch die Oberschenkel spüre ich nicht mehr.«
»Dafür spürst du sie morgen doppelt.«
Unsere Arme und Beine sind Teil der Mechanisierung, die Landschaft ist das Fließband. Das Verfahren optimiert und perfektioniert.
»Das ist schlimmer als arbeiten gehen!«
Wir laufen auf Hochtouren, und wir sind viele.
Erst das Loch. Buddeln. Dann die Steine. Schaufeln. Ein bisschen Erde. Festdrücken. Pflaume und Pfahl. Kompost. Die Schubkarre ist leer. Wie, leer? Tja, so halt: leer. Du bist dran! Mein Bruder holt Kompost, ich rein ins Loch. Wurzeln. Weiche Härchen. Ein bisschen Erde. Ein bisschen weißes Pulver. Was ist das, Pfeffer? Zeolith. Was? Vulkangestein. Muss das sein? Ja. Weil? Weil halt. Weil du spinnst? Das Universum spinnt. Haha, du spinnst! Da, der Kompost. Schaufeln! Ich schaufle, schütte zu, schütte auf, schnüre fest. Festdrücken! Ich drücke, drücke nieder, drücke durch, drücke fest. Buddeln! Ich scharre, verscharre, scharre zusammen, scharre zu. Mach! Kann keinen klaren Gedanken fassen. Mach schon! Blaukraut bleibt Blaukraut, Brautkleid bleibt Brautkleid, Bäumchen bekommen Bleiben. Wasser?! Die Gießkannen sind leer. Aaah! Ich hol Wasser, mein Bruder: »Das Universum spinnt, haha!« Bäumchen und Pfahl. Zwei Kreuzknoten. Ist das gerade? Nicht gerade. Jetzt schon? Wasser. Gegossen. Festgedrückt. Angebunden. Fertig!
Noch sieben.
»Scheiße, ich seh nichts mehr.«
»Wir haben doch Taschenlampen.«
»Hör auf! Wo denn?«
»So viel zur Mechanisierung, haha. Oben.«
»Oben heißt: oben beim Kompost?«
»Du kannst meine Gedanken lesen.«
Mein Bruder und ich sind der Mannschaftsgeist.
»Das sagst du mir jetzt?! Vor einer Minute erst war ich dort.«
»Ähm .«
Unsere Geschwisterlichkeit ist die Einheit.
». vor einer Minute war es noch hell!«
Unsere Kameradschaft ist der Wahnsinn.
»Das ist nicht normal.«
»Hä?«
»Mit der Taschenlampe Pflaumen pflanzen! Das ist nicht normal.«
Mein Bruder schnaubt und faucht und verschwindet hinter dem Hügel, und ich weiß nicht, womit man das entschuldigen könnte. Es ist dunkel, und ich kann nicht nachdenken.
»Des pflichtbewussten Gutsherrn Regel Nummer eins!«, rufe ich, als mir endlich etwas einfällt.
»Häää?!«, tönt es von weit weg, von sehr, sehr, sehr weit weg, mein Bruder ist in der Dunkelheit versunken. Ich strenge meine Augen an, als würde das etwas bringen. Am Hang schürt jemand das Feuer. Wir werden Kastanien rösten, überlege ich.
»Des pflichtbewussten Gutsherrn Regel Nummer eins!«, rufe ich noch einmal aus Angst, der schwer erlangte Einfall wäre umsonst gewesen. »Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf mooooo .«
Vor Übermut vergesse ich das frisch ausgegrabene Loch, verliere das Gleichgewicht und lande majestätisch auf dem Hintern. Den Hintern gibt es nicht, also spüre ich ihn auch nicht. Es tut nicht weh. Ich bleibe liegen: halb in der Vertikalen, halb in der Horizontalen. Die Beine im Loch, der Oberkörper auf dem Hügel.
Auf einen Schlag kommt die Kälte das Tal heruntergekrochen. Die Dunkelheit schluckt alle Geräusche. Es gibt keine Landschaft. Keine Arme und Beine. Keine Pflaumen, geschweige denn Alleen. Nur mich und den Sternenhimmel, oh, kein Sternenhimmel: Stille. Der Herbst ist schon fast Winter. Ich strecke die Arme aus. Er ist da. Der Schmerz ist da. Hinterlistig kriecht er aus den schweren schlammigen Stiefeln in die ungelenken schlammigen Hüften, in die kraftlosen schlammigen Arme und von dort in die Strähnen, die am Morgen noch Haare waren, die jetzt nicht mehr von den schlammigen Grasbüscheln zu lösen sind. Im Oktober ist die Erde kalt, wenn man auf ihr liegt. Dann beißt der Wolf dir in den Po. Wer? Der Wolf. Dann bist du selbst schuld, wenn sich alles entzündet, mindestens die Eierstöcke und die Blase. Die Dunkelheit ist dicht. Der Mond ist schwach. Jimi! Jimi ist schwarz wie die Nacht. Jimi, oh, du Rumtreiber. Ich kann ihn in der Dunkelheit hören, wie er zwischen den jungen Pflaumen nach Mäusen sucht. Wo ist jetzt das Feuer? Wo ist mein Bruder? Der schwere, brennende Schmerz zieht aus den Waden in die Oberschenkel, durchs Becken in die Rippen, ach, komm, steh schon auf! Wenn wir fertig sind, essen wir Kastanien. Jimi! Jimi, der Arme, springt auf seinen Posten. Er legt sich mir in den Schoß und fängt sofort an zu schnurren.
»Ich kann nicht mehr!«, seufzt jemand, und in der Dunkelheit lässt sich nicht ausmachen, aus welcher Richtung das kam.
Aus der unsichtbaren Landschaft taucht eine Hand auf, mein Bruder: »Legt euch in die Riemen, Taugenichtse! Die Schaufel ruft!«
Als ich in jenem Mai von der Buchmesse in Turin kam und meiner Großmutter verkündete, ich würde den Bauernhof meiner Mutter übernehmen, musste sie sich am Stuhl festhalten. Dann drehte sie sich einmal um ihre eigene Achse und hielt sich am Küchenschrank fest. Sie stöberte ein bisschen in der Schublade herum, im Schrank, im Holzherd, sah nach, ob sie vielleicht anheizen sollte, drehte sich wieder um, hielt sich wieder am Stuhl fest, setzte sich, legte die Hände auf den Tisch, auf die neueste italienische Übersetzung meines ersten Romans, die ich wie eine Trophäe aus Turin mitgebracht hatte, blickte auf und durch mich hindurch und sagte: »Aber Bauern müssen doch arbeiten.«
Man müsste anständig erzählen können, was danach mit mir passierte. Nicht äußerlich. Innerlich. Ich schmeichle mich beim Gedächtnis ein, damit es die Ereignisse mit seiner Schicht aus Patina und Distanz zusammenlegt; ich nähe die Risse, falze die Ränder, bügle, würde meine Großmutter sagen, doch alles, was zum Vorschein kommt, ist Larifari.
Man müsste anständig erzählen können: Durch das Ausgesprochene hatte sich ein Klumpen gelöst und das Haus und den Schutzwall niedergewalzt. Nein. Noch anständiger: Er hatte alle Schutzwälle niedergewalzt.
Jemand brach in Lachen aus. Im unzugänglichen Winkel des Bildes sehe ich, wie ich die Hände vors Gesicht hebe und theatralisch mit den Fingern tanze, wie ich vor mich hinplappere, die ganze Zeit ausführlich plappere, wie ich die Augenbrauen runzle und mich zu einem ungläubigen, komischen, beschädigten Fragezeichen verbiege. Meine Großmutter fuchtelt drohend mit dem Zeigefinger und sagt nichts, sie sagt nicht: Lach du nur, ich meine das ernst. Aber sieh nur, schon geht mir die Puste aus, schon begreife ich die Lage, schon sehe ich ein, dass die Frau vor mir, meine Großmutter, meine einzig noch lebende Oma, präzise und schonungslos von Angesicht zu Angesicht ihre - und nicht meine - Jahre zählt, beginnend mit dem Jahr Null, immer alles vom Jahr Null aus, sie die Jahre auf ihre eigene unbeugsame Art und gar nicht verbittert deutet; sie legt die Jahre wie Karten fürs Schnapsen in ihrer sauberen Küche auf den Tisch.
In unserer Familie gab es eine Zeit, in der wir in dieser Küche, an diesem Tisch, in langen Wiederholungen Viererschnapsen spielten. Onkel und Tante und Großmutter und Großvater und manchmal Mutter und manchmal Vater und manchmal zur Reserve ein Spieler, der...
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