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Kapitel 1
Samstag, 22. März 2025, 11:10 Uhr Seemannshus Insel Langeoog
"Ich bringe ihn um. Ich bring den verdammten Mistkerl um . Wenn ich ihn in die Finger bekomme, bring ich ihn um", schluchzte Hilla Erichson und stampfte dabei wütend mit dem Fuß auf den Boden.
"Mensch, Hilla, Bjarne wird schon noch auftauchen. Der verpasst doch nicht seine eigene Hochzeit", versuchte Lotta Dönges ihre Freundin zu beruhigen, obgleich sie gerade nicht mehr wirklich sicher war, dass Hillas Bräutigam sich noch blicken ließ.
Die Trauung der beiden hätte bereits vor zehn Minuten beginnen sollen, und von ihm war weit und breit nichts zu sehen.
Im ganz kleinen Kreis wollten Hilla Erichson und Bjarne Hensen sich das Ja-Wort geben. Gerade einmal acht Personen waren zu der feierlichen Zeremonie zum Langeooger Seemannshus gekommen.
Das hübsche weiß getünchte Häuschen mit dem roten Dach, den grünen Fenstern und Verzierungen diente auf der Insel nämlich nicht nur als Heimatmuseum, sondern auch als Standesamt.
Hier konnte man, wenn man wollte, den Bund fürs Leben schließen. Das hieß allerdings, nur dann, wenn der angehende Herr Gemahl sich auch zu der Veranstaltung blicken ließ.
"Ja, nicht, dat dem Bjarne noch wat passiert ist. War ja schon recht stürmisch letzte Nacht. Ich hab dat gleich gesagt, dass das eine Schnapsidee ist, mit dem Segler bei dem Schietwetter nach Norderney zu fahren. Das würde mich nicht wundern, wenn die mit dem ollen Kahn auf Grund gelaufen oder mit Mann und Maus ertrunken sind", grummelte Fiete Erichson, seines Zeichens der Brautvater, sich besorgt in seinen Bart.
Hilla, die es unweigerlich mitbekommen hatte, begann nun noch lauter zu schluchzen.
"Quatsch, Hilla, da wird schon nix passiert sein. Bjarne und die anderen sind doch erfahrene Segler. Das gibt bestimmt eine ganz simple Erklärung, weshalb die sich verspätet haben", versuchte Lotta die Freundin ein wenig zu beruhigen, obgleich sie sich nicht sicher war, ob Fiete Erichson nicht doch vielleicht recht haben könnte.
Auch Krischan, Lottas Mann, hatte gemeint, dass die Idee der fünf Burschen, bei Schietwetter zum Junggesellenabschied raus aufs Meer zu fahren, ziemlich doof gewesen sei. Wobei zumindest Bjarne, Jasper und Bente sehr erfahrene Segler waren und die Nordsee mit all ihren Tücken kannten. Ob die anderen beiden Kerle ebenfalls etwas von der Segelei verstanden, wusste Lotta nicht, da sie weder den einen noch den anderen kannte.
Okay, gesehen hatte sie die schon mal. Sie wusste, wie die aussahen, und würde sie auf der Straße eventuell sogar wiedererkennen. Aber richtig kennen wäre dann doch zu viel gesagt.
Lotta ließ ihren Blick über die anderen Gäste der kleinen Feier schweifen. Acht Leute waren für eine Hochzeitsgesellschaft nicht eben eine Menge. Nein, sie würde das als durchaus überschaubar bezeichnen. Lotta kannte sie alle, da es sich ausschließlich um Insulaner handelte.
Nun gut, eigentlich hätten es ja noch vier Kerls mehr sein müssen. Doch die Burschen waren ja, genau wie der Bräutigam, derzeit unauffindbar.
Einer der acht Anwesenden war der Witwer Fiete Erichson, der Brautvater. Fiete stand nun etwas abseits auf der Straße und telefonierte mit ernster Miene. Wen der wohl in der Leitung hatte?
Bjarnes gesamte Familie glänzte ebenfalls durch Abwesenheit. Was nun irgendwie schon schade, aber auch leider zu erwarten gewesen war. So wie es nämlich aussah, hatten sich die Hensens eine andere Schwiegertochter als Lottas Freundin Hilla gewünscht.
Ein Umstand, der Lotta, wenn sie darüber nachdachte, jedes Mal aufs Neue zur Weißglut brachte.
In Lottas Augen waren alle Menschen gleich. Gut, es gab nette, weniger nette und auch ziemlich fiese Zeitgenossen. Die Reederfamilie aus Hamburg gehörte zur letzteren Kategorie. Geld machte nämlich nicht nur, wie es der Volksmund behauptete, sexy, sondern, so wie es den Anschein hatte, auch ziemlich blöde. Dabei hätten die Hensens sich eine bessere Partie als die Hilla gar nicht für ihren Bjarne wünschen können.
Hilla war nicht nur hübsch, sondern auch ziemlich gescheit und fleißig. Darüber hinaus auch eine Seele von Mensch. Eine, der das Wohl ihrer Mitmenschen am Herzen lag. Damit war sie allerdings ganz anders als die Hensens aus Hamburg. Vermutlich hatte Bjarnes Sippe aus genau diesem Grund eine Teilnahme an der Hochzeit boykottiert. Aber nun gut. Wer nicht wollte, der hatte bekanntlich schon. Es gab Leute, auf die man gut und gerne verzichten konnte. Leid tat es Lotta nur für Bjarne. Das musste schon hart sein, wenn die eigene Familie einem den Rücken kehrte.
Der Einzige aus der Hensen-Sippe, der zur Trauung auf die Insel gekommen war, war Niklas Hensen, Bjarnes jüngerer Bruder. Der war vorgestern mit der HOPPETOSSE III, dem nun verschwundenen Segelschiff, aus Hamburg gekommen. Bei ihm war ein weiterer Freund von Bjarne gewesen, den alle nur Schröder oder den "Nobel-Schröder" nannten. Wobei es sich bei "Nobel" nicht um den Vornamen, sondern um einen Spitznamen handelte. Der stammte angeblich von einer Comicfigur aus den Werner-Heften. Mit diesen Comics kannte Lotta sich allerdings so gar nicht aus. So etwas hatte sie noch nie interessiert. Manche Dinge musste man einfach nicht wissen.
Hilla war eigentlich Krankenschwester. Dummerweise gab es aber auf der Insel überhaupt kein Krankenhaus. Bis vor zwei Jahren hatte sie deshalb in der Ubbo-Emmius-Klinik in Aurich gearbeitet. Aber ein Inselkind blieb nun mal ein Inselkind. Und so kam es, dass Hilla irgendwann das Heimweh packte. Sie hatte einfach keine Lust mehr gehabt, in Aurich zu arbeiten und schon gar nicht, dort auch noch zu wohnen. Daher hatte Hilla ihren Job in der Klinik gekündigt und war zurück nach Langeoog zu ihrem Papa Fiete Erichson gezogen. Pech für das Krankenhaus und gut für die Praxis von Inselarzt Dr. Jan Martin Bechersheim, den Hilla bereits aus der Klinik kannte und der für seine Praxis auf Langeoog noch eine medizinische Fachangestellte suchte. Der hatte Hilla sofort und mit Kusshand eingestellt.
Der Herr Doktor und seine Gattin Gina Marie Bechersheim waren natürlich ebenfalls unter den Hochzeitsgästen. Was ja Ehrensache war.
Fiete Erichson hatte sein Telefonat mittlerweile beendet und unterhielt sich nun mit Doktor Bechersheim. Dabei schauten die beiden gerade sehr ernst zu ihnen herüber.
Lotta spürte, wie ihr Herzschlag sich beschleunigte und sich ein Unwohlsein in ihrer Magengegend ausbreitete. Nein, so wie die beiden gerade guckten - das war gar nicht gut. Irgendetwas war im Argen.
Kurzerhand schob sie Hilla, die nun nicht mehr fluchte, sondern einfach nur noch weinte, zu der kleinen grün-weißen Holzbank, auf die sie sich kraftlos niedersinken ließ.
"Lotta, da muss was Schlimmes passiert sein . der Bjarne würde mich doch nicht .", schluchzte sie und schlug die Hände vors Gesicht.
"Quatsch, Hilla. Der Bjarne und die Jungs tauchen schon noch auf. Bestimmt hatten die irgendeine Panne . mit dem Motor oder so", versuchte Lotta die Freundin zu beruhigen.
Dabei wusste sie ja noch nicht einmal, ob der alte hübsche Segler der Familie Hensen tatsächlich über einen Motor verfügte. Wirklich Ahnung hatte Lotta, obwohl sie auf einer Insel lebte, nämlich nicht von Schiffen. Zumindest nicht von welchen mit Segeln. Den ehemaligen Krabbenkutter ihres Mannes Krischan, den kannte sie hingegen in- und auswendig. Gelegentlich ließ Krischan sie mittlerweile auch mal ans Ruder. Was aber gerade nichts zur Sache tat.
Noch immer diskutierten der Doktor und Hillas Vater miteinander. Bei ihnen standen nun auch noch Gina Marie und Lottas Mann Krischan. Auch der guckte äußerst besorgt drein. Lotta musste jetzt endlich wissen, was da los war.
"Hilla, du bleibst jetzt einfach mal hier sitzen und versuchst dich zu beruhigen. Ich bin gleich wieder bei dir", wies sie die Freundin an und eilte dann zu der kleinen Gruppe.
"Jo, dat is nich gut. Bei dem Wetter und den Temperaturen Mann über Bord . nee, nee, dat is überhaupt gar nicht gut", hörte sie Krischan sagen, als sie näher kam.
"Was . Wie . Wer ist über Bord gegangen?", hakte Lotta sofort nach.
"Der Fiete hat eben mit dem Jasper telefoniert", antwortete Krischan.
Den Jasper Erichson kannte Lotta auch schon, solange sie auf der Insel war. Mit dem war sie ganz am Anfang, noch bevor sie sich in Krischan verknallt hatte, abends sogar einmal ausgegangen. Nur essen . mehr nicht. Zwischen ihnen beiden hatte das einfach nicht gefunkt. Jasper war Fietes Sohn und somit Hillas Bruder. Die beiden waren sogar Zwillinge. Zweieiige, versteht sich.
"Und was sagt Jasper?", wandte sich Lotta nun direkt an den Brautvater.
Fiete seufzte und blickte kurz hinüber zu Hilla, die wie ein Häufchen Elend noch immer auf der alten Holzbank hockte.
"Jo . der sagt, dass der Bjarne nicht mehr an Bord war, als die Mannschaft heute Morgen wach wurde. Außerdem war die HOPPETOSSE heftig vom Kurs abgekommen. Die hat wohl die Strömung ziemlich weit rausgetrieben - so ohne Steuermann", flüsterte Fiete.
Lotta glaubte sich verhört zu haben.
"Wie, der war nicht mehr an Bord? Wo soll der denn hin sein?", wollte sie das, was ihr gerade in den Sinn kam, nicht verstehen.
Da musste es doch noch eine andere Möglichkeit geben als die, die ihr gerade durch den Kopf ging.
"Ja, wo soll der wohl sein, Lotta? Dat is wie damals bei dem Onkel Heiner. Der is auch bei Sturm über Bord gegangen. Wenn da so ein Brecher über das...
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