Schweitzer Fachinformationen
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"Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, darf ich Ihnen vorstellen: Julia Nowak, unsere neue Mitarbeiterin. Sie wird uns ab heute tatkräftig unterstützen, und das in erster Linie im Bereich Tapeten und Wandfarbe."
Aha.
Da nicht klar zu sein scheint, ob das schon Gerstners komplette 'Wir-haben-jemand-Neues-im-Team'-Ansprache war, entsteht dummerweise gerade ein zwar nur kurzes aber dennoch ziemlich peinliches Schweigen. Und wenn ich die Blicke der Anderen hier im Raum richtig interpretiere, stellen die sich gerade allesamt ebenfalls die 'Äh-war-das-schonalles?'-Frage - bei dem einen oder anderen dürfte vermutlich noch die Überlegung hinzukommen, ob dies schon der geeignete Zeitpunkt für einen kleinen Willkommens-Applaus sein könnte, wohingegen Martin und Markus, unsere beiden intelligenz-gedimmten Muskelpakete gerade mental auszuknobeln scheinen, wer denn die Frage nach Sekt und Schnittchen stellen darf. In der Mimik der neuen Kollegin lese ich dagegen eher ein verzweifeltes 'Kann-ich-bitte-meinen-Telefonjoker-anrufen?'. Frau Nowak, ich kann Sie mehr als gut verstehen, denke ich mir. Willkommen in der Zentrale des Baumarkt-Irrsinns!
"Tja, also, wir freuen uns, dass Sie da sind, Frau Nowak. Vielleicht wollen Sie ja auch ein paar kurze Worte . äh . also nur, falls sie möchten?" reagiert Herr Gerstner auf die peinliche Stille und macht dabei eine ziemlich albern wirkende Geste, die mich entfernt ein wenig an Dieter Thomas Heck erinnert, wenn er in seiner geliebten ZDF-Hitparade zum x-ten Mal Howard Carpendale oder Roland Kaiser angesagt hat. Im Gegensatz zu Gerstner war das bei Heck aber eben immer großes Fernsehen, weswegen Frau Nowaks Mimik gerade vom Telefonjoker-Gesicht in ein gequältes Lächeln überzugehen scheint.
"Ja. Äh. Vielen Dank, Herr Gerstner. Also mein Name ist Julia Nowak, aber gerne Julia. Ich habe bis letzten Monat noch in der Filiale in Dülmen gearbeitet und war da für die Logistik zuständig, also sozusagen hinter den Kulissen. Und jetzt hat die Zentrale grünes Licht gegeben, mich . wie soll ich sagen . also mich quasi auch mal auf die Kunden loszulassen."
Während alle im Raum diesen letzten Satz ziemlich lustig finden, quittiert Herr Gerstner die Aussage 'mich quasi auch mal auf die Kunden loszulassen' wenig überraschend mit einem verzerrten Grinsen. Denn der Gedanke, dass Frau Nowaks erste Kundenkontakte kurz darauf Formulierungen der Sorte 'Unfähigkeit' oder 'Inkompetenz' auf den bekannten Bewertungsportalen im Internet zur Folge haben könnten, dürfte bei ihm gerade höchstwahrscheinlich krampfähnliche Schmerzen auslösen. Und da hilft dann selbst ratiopharm nicht mehr so wirklich.
"Habe ich irgendwas verpasst?" höre ich plötzlich eine mir sehr vertraute Stimme ins Ohr flüstern.
"Ach, der Weber hat es auch schon geschafft." erwidere ich süffisant in Patricks Richtung.
"Ja, sag es doch noch lauter, damit es auch wirklich jeder hier." stockt er mitten im Satz.
Ich kenne Patrick. Dass er den Satz nicht beendet, kann nur einen einzigen Grund haben. Und dieser Grund ist weiblich, hört auf den Namen Julia Nowak und steht gerade neben einem nach wie vor ungesund verkrampften Herrn Gerstner.
"Alles OK?" drehe ich mich möglichst unauffällig zu ihm um und schaue in seinen halboffen stehenden Mund, gepaart mit auf voller Öffnung stehenden Augen.
"Wer ist das denn?" schafft er es trotz halbgeöffnetem Mund, diese vier Worte verständlich herauszubringen.
"Julia Nowak, die neue bei Tapeten und Wandfarbe." sage ich. Allerdings wohlwissend, dass ihm der zweite Teil der Antwort hinsichtlich ihres Einsatzgebietes herzlich egal sein dürfte, und er eigentlich eher grundlegendere Dinge wie Alter, Familienstand und idealerweise gleich auch noch Privatadresse und Handynummer erwartet haben dürfte.
"Julia Nowak." stammelt er.
"Ja, Julia Nowak. Und nicht Julia Weber. Zumindest noch nicht." glaube ich seine Gedanken lesen zu können, in denen er sich vermutlich mit der Neuen gerade direkt von den Tapeten und Wandfarben in Richtung des nächsten Standesamtes aufmacht.
"Kannst du Gedanken lesen?" finden seine Gesichtszüge langsam wieder zurück in ihren alltagsüblichen Aggregatszustand.
"Naja, war jetzt nicht wirklich schwer." ziehe ich die Augenbrauen kurz nach oben.
Genau genommen war mir diese Patrick-Weber-Reaktion bereits in dem Moment klar, in dem ich vor wenigen Minuten in Gerstners Büro gekommen bin. Ohne zu wissen, wer die attraktive junge Dame ist, auf die Gerstner da tätschelnd einredete, war mir klar, dass bei Patrick die Hormone sofort wieder Hüpfburg spielen werden, sobald er sie sieht.
"Wo warst du eigentlich? Gerstner hatte doch schon gestern Morgen die Mail geschrieben, dass wir heute alle um halb zehn zu ihm ins Büro kommen sollen." schicke ich einen vorwurfsvollen Blick in seine Richtung.
"Wie bitte?"
"Egal." schüttele ich den Kopf. Ich gehe davon aus, dass Patricks akustische Aufnahmebereiche für Fragen rund um banal-alltägliche Geschehnisse wie zum Beispiel pünktliches Erscheinen zu Terminen bis auf weiteres vom Netz genommen sein dürften.
Mittlerweile stehen die ersten Kollegen bei Gerstner und der Neuen und schütteln reihum fleißig und wild durcheinander glückwünschend Hände. Ich hoffe inständig, dass Gerstner ihr jetzt nicht noch schnell seine Umsatzerwartungen mitgeteilt hat - und dass sich diese aus seiner Sicht nur sehr bedingt mit ihrer 'mal auf die Kunden loslassen'-Äußerung in Einklang bringen lassen dürften. In diesem Moment sorgt Gerstners Assistentin für eine, wahrscheinlich unfreiwillige, aber dadurch willkommene Auflockerung der Situation. Denn sie versucht ein Tablett mit etwa zwei Dutzend eindeutig zu gut eingeschenkten Sektgläsern unfallfrei durch die Kollegen hindurchzumanövrieren.
"Dankeschön, Frau Voss. Ich nehm' auch gleich eins für Herrn Weber." lächle ich sie freundlich an und nehme zwei bis an die Grenze des Überschwappens eingeschenkte Gläser von ihrem Tablett, welches dadurch für einen kurzen Moment in eine bedrohliche Schieflage gerät.
"Huch, da hab ich's mit dem Einschenken wohl ein bisschen zu gut gemeint." kichert sie in unsere Richtung.
Dieses gekicherte Grinsen dürfte jedoch eher auf einen ganz speziellen Menschen abzielen, dessen Empfangsantennen gerade aber weder auf Sekt noch die dazugehörende Frau Voss ausgerichtet sein dürften. Denn Patrick scheint in seinen Gedanken mittlerweile bereits bei der Unterzeichnung des Bausparvertrags oder der Namensfindung für das erste gemeinsame Kind angekommen zu sein, wenn ich seine Blicke richtig interpretiere. Und auch Frau Voss, die inzwischen die notwendige Balance bei den Sektgläsern wiederhergestellt hat, scheinen diese Blicke und die damit verbundene Immunität für ihre wie immer auch gearteten Flirtversuche nicht entgangen zu sein.
"Danke." nickt Patrick kurz mit einem knappen Lächeln in ihre Richtung, als er mir das Glas etwas zu hektisch abnimmt und dabei gleich mal einen ordentlichen Schluck Blubberbrause auf Gerstners Teppich verschüttet.
"Stark. Volltreffer auf die Auslegware."
"Kein Problem. Ich hole Ihnen gleich mal eine Serviette, Herr Weber. Sekunde." scheint Frau Voss fast ein wenig erfreut über sein Missgeschick zu sein.
"Ich bin sicher, du bekommst jetzt eine von den guten Servietten, die normalerweise nur dann rausgeholt werden, wenn sich Besuch aus der Zentrale angesagt hat." grinse ich Patrick an.
"Was?" wischt sich Patrick seine nassen Sektfinger an seiner Hose ab, ohne dabei den Großraum rund um Julia Nowak auch nur für Sekundenbruchteile aus den Augen zu lassen.
"Frau Voss. Sekt verschüttet. Serviette." versuche ich Patrick aus seinem virtuellen Standesamt wieder zurück in Gerstners Büro zurückzuholen.
"Was schätzt du, wie alt sie ist?"
OK, dieser Versuch ging nicht wenig überraschend schief.
"Keine Ahnung. Aber dürfte einfacher zu schätzen sein als bei Frau Voss." lache ich.
"Sprechen Sie etwa über mich?" flötet Frau Voss und wedelt mit zwei orangeroten, stoffähnlichen Servietten.
Bitte lasse sie nur die letzten beiden Wörter verstanden haben, bete ich innerlich.
"Herr Seifert meinte, dass hier niemand so fürsorglich ist wie Sie, Frau Voss." lächelt Patrick sie an.
Ich habe keine Ahnung, wie Patrick so schnell aus seiner Familienplanungs-Illusion wieder zurück hier in den Honäsch gekommen ist, aber ich schicke erstmal ein virtuelles XXL-Dankeschön an irgendeine höhere Macht, falls eine solche für das gerade Geschehene verantwortlich sein sollte.
"Sie Charmeur." verwandelt sich ihre Gesichtsfarbe sekundenschnell in das orangerot ihrer beiden Servietten.
"Vielen Dank. Und entschuldigen Sie...
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